Das lettische Parlament hat am Donnerstag 30.10.2025 für den Austritt aus der Istanbul-Konvention gestimmt, einem internationalen Vertrag zur Unterstützung von Frauen, die Opfer von Gewalt geworden sind. Das Abstimmungsergebnis lautete 56 Stimmen für den Austritt aus dem Vertrag, 32 Stimmen für den Verbleib und zwei Enthaltungen. Die Abstimmung, die nach einer 13-stündigen Sitzung mit intensiven Debatten stattfand, würde Lettland zum ersten Mitgliedstaat der Europäischen Union machen, der aus der Istanbul-Konvention austritt, die dasselbe Parlament im November 2024 ratifiziert hatte.
Der Antrag muss nun vom lettischen Präsidenten Edgars Rinkevics unterzeichnet werden, der sich bereits gegen den Antrag ausgesprochen hat. Er hat jedoch auch angedeutet, dass er eine parlamentarische Entscheidung möglicherweise nicht unterlaufen werde.
Der Vertrag des Europarates trat erst letztes Jahr in Lettland in Kraft und soll die Unterstützung für Frauen, die Opfer von Gewalt, einschließlich häuslicher Gewalt, sind, vereinheitlichen. Ultrakonservative Gruppen und politische Parteien in ganz Europa haben den Vertrag jedoch kritisiert und argumentieren, dass er „Gender-Ideologie” fördere, zu sexuellen Experimenten ermutige und Kindern schade.
Schon im September hatten oppositionelle Abgeordnete in Lettland einen Prozess zum Austritt aus der Konvention eingeleitet. Dagegen gab es Proteste aus der Zivilgesellschaft, u.a. von unserer Partnerorganisation, der lettischen Familienplanungsorganisation Papardes Zieds:
„Wir stehen für das Recht eines jeden Menschen auf Sicherheit, Gesundheit und Wohlbefinden. Wir halten es für wichtig, alle vor Gewalt zu schützen und die Öffentlichkeit für diese Probleme zu sensibilisieren. In nur einem Monat gab es in Lettland zwei alarmierende Versuche, die Rechte von Frauen und die reproduktiven Rechte einzuschränken: 1.) Das Parlament beschloss den Austritt aus der Istanbul-Konvention, wodurch der Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt untergraben würde und 2.) Abgeordnete versuchten außerdem, das Gesetz über sexuelle und reproduktive Gesundheit zu ändern, um ‘Leben ab der Empfängnis’ zu definieren und eine obligatorische Beratung vor einem Schwangerschaftsabbruch einzuführen – ein Vorschlag, der glücklicherweise abgelehnt wurde. Dennoch gibt es Hoffnung: In ganz Lettland mobilisieren Jugend-, Frauen- und Menschenrechtsorganisationen – sie protestieren, erheben ihre Stimme und sammeln Tausende von Unterschriften, um Gleichberechtigung, Sicherheit und körperliche Selbstbestimmung zu verteidigen.“
In der Petition wird benannt, welche Folgen der Austritt Lettlands aus der Istanbul-Konvention hätte: „Dies würde die Gefahr mit sich bringen, dass Lettlands Entschlossenheit, Gewalt gegen Frauen und Familienangehörige zu bekämpfen, geschwächt und der Schutz der Opfer verringert würde. Mit dieser Initiative möchten wir einen solchen schädlichen Schritt verhindern und erreichen, dass Lettland weiterhin Teil der Istanbul-Konvention bleibt. Wir fordern die das lettische Parlament auf, alle Vorschläge abzulehnen, die den Austritt Lettlands aus der Istanbul-Konvention vorsehen. Die lettische Regierung und das Parlament müssen weiterhin sicherstellen, dass unser Land Teil dieses internationalen Abkommens ist, das dazu beiträgt, Gewalt zu verhindern und zu verringern sowie die Opfer zu schützen“, heißt es in der Petition.
pro familia solidarisiert sich mit den lettischen Aktivist*innen und mit Papardes Zieds. Der Austritt Lettlands aus der Istanbul-Konvention wäre ein verheerender Schlag für den Schutz und die Rechte der Frauen und Mädchen des Landes sowie aller Menschen, die häuslicher Gewalt ausgesetzt sind.