Interview mit einer Ärztin (31, ein Kind) im pro familia Medizinischen Zentrum Bremen

Wir brauchen wieder Leute, die offen dafür eintreten, dass Frauen eine freie Entscheidung treffen können.

Wie sind Sie bei pro familia gelandet?

Ich hatte von älteren engagierten Ärztinnen gehört, dass es zu wenig Ärzt*innen gibt, die Schwangerschaftsabbrüche machen. Ich wollte mich informieren, wo in Bremen welche gemacht werden, was gar nicht so einfach war. Und fast zeitgleich habe ich über einen größeren Verteiler eine Mail erhalten, dass pro familia eine Ärzt*in sucht. Das war eine Schicksalsmail, ich habe geantwortet. Ich war nicht die Ärztin, die sie suchten, weil ich nicht die Qualifikation und Erfahrung hatte. Ich habe gefragt, ob sie sich vorstellen könnten, mich auszubilden. Wir haben uns zusammen gesetzt und über einen Ausbildungsvertrag gesprochen. Ich wurde hier und in Holland von den Ärzten ausgebildet. Jetzt arbeite ich hier eigenverantwortlich. Das Team ist super, der Umgang mit Patientinnen ist so, wie ich mir das vorstelle - das waren meine Hauptkriterien für meine Arbeit. Ich bin sehr zufrieden.

Wie schätzen Sie die Einstellung von jungen Leuten zum Schwangerschaftsabbruch ein?

Viele denken so wie die älteren. Wir brauchen gerade wieder Leute, die offen dafür eintreten, dass Frauen die freie Entscheidung treffen können, dass das zur Gleichberechtigung dazu gehört. Man sagt, dass jede dritte Frau in Deutschland in ihrem Leben einen Schwangerschaftsabbruch hat. Also ist das häufig. Frauen zwischen 15 und 45 können schwanger werden, und leider auch ungewollt, das passiert. Verhütung ist außerdem nicht unfehlbar. Ich habe schon viele Frauen behandelt, die eine Spirale hatten, die auch richtig ihre Pille genommen haben und doch schwanger geworden sind.

Welche Aspekte sind Ihnen noch wichtig?

In diesem ganzen Diskurs um den Schutz des Lebens, wird, sobald eine Frau schwanger ist, ihr Leben nicht mehr wahrgenommen. Dann wird darüber debattiert, wo das Leben anfängt. Das sind wichtige ethische Fragen. Trotzdem finde ich es verrückt, dass eine Frau, die zwischen 15 und 45 ist,  ihr Leben riskiert, wenn sie keinen medizinisch vernünftigen Abbruch bekommt. Es kann nicht sein, dass das ausgeblendet wird. Und ich finde es auch wichtig zu thematisieren, was Männer zur Verhütung tun können. Wenn in einer Partnerschaft klar ist, dass die beiden keine Kinder mehr haben wollen und die Frau zu einem Schwangerschaftsabbruch kommt, dann ist für mich die Frage, ob der Mann sich sterilisieren lässt. In guten Partnerschaften funktioniert das. Aber wir haben echt ein Problem, weil viele Männer sich das nicht vorstellen können. Das ist noch ein Tabu. Frauen fühlen, dass sie immer schuld haben. Alleine wird niemand schwanger, sage ich immer.