Zwei Fachkräfte für sexuelle Bildung berichten:

Wie würden Sie Ihre Arbeit beschreiben?

Unseren Arbeitsbereich nennen wir Sexuelle Bildung. Unsere Angebote richten sich an Jugendliche und an Erwachsene, z.B. pädagogische Fachkräfte oder auch Eltern/Bezugspersonen. Dabei geht es uns im Wesentlichen um Wissensvermittlung und um die Vermittlung einer offenen Haltung gegenüber den Themen Sexualität, Liebe, Lust, Verhütung und Partnerschaft. Sexuelle Bildung ist ein komplexes Arbeitsfeld, es kann aufregend, schön und spannend, zugleich auch tabuisiert und schambesetzt sein. In den Veranstaltungen geht es viel darum zu lernen, über diese Themen zu sprechen und sie ein Stück weit aus der Tabuisierung heraus zu holen.

Kommen Schulklassen zum Thema Sexuelle Bildung zu pro familia?

Ja. Zurzeit gibt drei Termine pro Woche für Schulklassen. Die Veranstaltungen finden hier in der Beratungsstelle statt. Unser Schwerpunkt liegt auf den Klassenstufen sieben bis neun, die Jugendlichen sind zwischen dreizehn und siebzehn Jahre alt und kommen aus allen Schulformen. Viele Jugendliche aus Bremen kennen pro familia, weil sie mit der Klasse schon mal hier waren. Aufgrund des besonderen Themas führen wir die Veranstaltungen grundsätzlich ohne Lehrkräfte durch. Wir starten mit der gesamten Klasse, machen dann einen Teil in getrennten Gruppen  (Jungen* bei einem Mann*, Mädchen* bei einer Frau*) und enden wieder gemeinsam. Die Trennung ist wichtig, da in den Gruppen der Jungen und Mädchen jeweils andere Themen und Fragen zur Sprache kommen. Es gibt Regeln und Rechte wie Freiwilligkeit und Schweigepflicht, die wir am Anfang vorstellen, um einen geschützten und vertrauensvollen Rahmen zu gewährleisten. Dazu gehört auch „Lachen erlaubt“. Wir lachen viel in den Veranstaltungen, das macht es leichter.

Uns ist es ein großes Anliegen, dass die Schüler*innen, die zu uns kommen, sich trauen zu sprechen und Fragen zu stellen. Wir hoffen, dass sie sich danach mit ihrem eigenen Körper, ihren Gefühlen, Wünschen besser auskennen und besser darüber sprechen können. Wir möchten sie darin unterstützen einen positiven, lustvollen und selbstbestimmten Umgang mit Liebe, Sexualität und Partnerschaft zu finden.

Bei Jungen stehen oft die Themen Pornographie und Selbstbefriedigung im Vordergrund. Jedoch stellt sich meist im Laufe der Veranstaltung heraus, dass sie auch Fragen zu Zärtlichkeit und Partnerschaft haben und diese für sie wichtig sind. Bei den Mädchen geht es oft darum, einen positiven Zugang zum eigenen Körper zu bekommen, z.B. wertschätzende/positive Wörter für den eigenen Körper und die Geschlechtsteile zu finden. Wir informieren über Vulva und Klitoris, darüber, dass es keine Norm gibt, alle einzigartig sind. Immer wieder gibt es auch Fragen zum Thema Jungfernhäutchen. Dann klären wir darüber auf, dass es das gar nicht gibt, und sprechen über die Vorstellungen und Werte, die dahinter liegen. Natürlich ist auch der Zyklus immer wieder Thema, und das „Erste Mal“.

Welche Aspekte sind noch wichtig?

Der Arbeitsbereich kindliche Sexualität, zu dem wir auch immer wieder angefragt werden. In Beratungen und Veranstaltungen zu dem Thema stellen wir oft fest, dass nicht bekannt ist, dass es eine kindliche Sexualität gibt. Oft besteht große Unsicherheit bezüglich des Themas. Wenn es um kindliche Sexualität geht, ist es wichtig diese von der jugendlichen und erwachsenen Sexualität zu unterscheiden. Wir vermitteln, dass die Kinder für die Bewältigung der verschiedenen Entwicklungsaufgaben in der kindlichen Sexualität Unterstützung durch Erwachsene brauchen. Dabei geht es z.B. um „Doktorspiele“ unter Kindern, Selbstbefriedigung, Schau- und Zeigelust, sexualisierte und provozierende Sprache. In Fortbildungen für Erzieher*innen und Informationsveranstaltungen für Eltern vermitteln wir Wissen zu den Phasen der kindlichen Sexualität und wie Erwachsene Kinder dabei gut begleiten können. Kindergärten unterstützen wir in der Erarbeitung von sexualpädagogischen Konzepten, um einen professionellen Umgang mit dem Thema zu finden.

Mit welchen Zielgruppen arbeiten Sie noch?

Wir bieten Veranstaltungen zur Sexuellen Bildung für Menschen mit Behinderungen und für geflüchtete Menschen an. Dabei passen wir unsere Inhalte an die jeweilige Zielgruppe an. Außerdem sind- wie bereits angesprochen -Multiplikator*innenschulungen wichtig. Diese würden wir gerne noch mehr machen, um das Thema in die Breite zu tragen. Im Sinne der Nachhaltigkeit können z.B. Lehrkräfte oder Betreuungskräfte in Wohngruppen diese Arbeit gut vor Ort machen. Sie begleiten die Jugendlichen und Erwachsenen länger und sind viel dichter an ihnen dran.