
Pressemitteilung: 23.08.2023
Verabschiedung des Kabinettsentwurfs zum Selbstbestimmungsgesetz: Chancen erkannt, doch weiterer Handlungsbedarf
Der pro familia Landesverband Bayern begrüßt grundsätzlich den Schritt zur Ersetzung des Transsexuellengesetzes (TSG) durch ein modernes Selbstbestimmungsgesetz (SBGG). Die Anerkennung und Stärkung der Selbstbestimmung von trans* und inter* Personen sind wichtige Meilensteine auf dem Weg zu einer gerechteren und inklusiveren Gesellschaft.
Wir möchten jedoch unser Bedauern darüber zum Ausdruck bringen, dass trotz der vielfältigen und fundierten Vorschläge aus verschiedenen Verbänden viele dieser Anregungen keinen Eingang in den finalen Gesetzestext gefunden haben. Es bleibt zu hoffen, dass im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens noch Raum für Anpassungen und Verbesserungen besteht.
Insbesondere sehen wir die in § 3 des SBGG formulierte Zustimmungspflicht der Sorgeberechtigten bei minderjährigen trans* und inter* Personen kritisch.
„Wir sind fest davon überzeugt, dass Jugendliche ab 14 Jahren ein eigenes Recht auf geschlechtliche Selbstbestimmung haben sollten, ähnlich dem Recht auf sexuelle Selbstbestimmung und Religionsmündigkeit. Jugendlichen sollte ermöglicht werden, eigenständig über ihren Geschlechtseintrag zu entscheiden, ohne gezwungen zu werden, einen rechtlichen Konflikt mit ihren Sorgeberechtigten einzugehen.“ erläutert Stefanie Schäfer, Landesvorsitzende pro familia Bayern die Haltung der pro familia Bayern.
Die geplante Regelung, die Jugendliche dazu zwingt, gegen ihre eigenen Sorgeberechtigten vor Gericht vorzugehen, ist in schwierigen Familiensituationen problematisch und kann zu weiteren Eskalationen führen, was im schlimmsten Fall zu einer Entfremdung zwischen Eltern und Kindern bis hin zur Inobhutnahme führen könnte.
Zudem sollte überdacht werden, ob Personen unter vierzehn Jahren die Erklärung nicht doch selbst abgeben können sollten, anstatt dies allein den Sorgeberechtigten zu überlassen. Wir schlagen, übereinstimmend mit der Deutschen Gesellschaft für Systemische Familientherapie (DGSF) vor, die Formulierung: „…Minderjährige unter vierzehn Jahren werden bei der Antragstellung durch die Personensorgeberechtigten vertreten. Die Erklärung ist durch die minderjährige Person selbst abzugeben" und "für volljährige geschäftsunfähige Personen und ihre Vertretung gelten die vorstehenden Absätze entsprechend.“ Aus dem bereits in dem 2017 im Auftrag des BMFSJ von Adamietz und Bager verfassten Gutachten "Regelungs- und Reformbedarf für transgeschlechtliche Menschen" zu übernehmen. [1]
Wir möchten betonen, dass diese Punkte lediglich einige der kritischen Aspekte sind, die unserer Ansicht nach im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsprozesses sorgfältig betrachtet und möglicherweise überarbeitet werden sollten.
Wir setzen uns weiterhin engagiert für die Rechte und die Selbstbestimmung von trans* und inter* Personen ein und hoffen auf eine konstruktive Debatte und mögliche Verbesserungen des Selbstbestimmungsgesetzes.
Thoralf Fricke (er)
Landesgeschäftsführer
pro familia Landesverband Bayern e.V.
Passau/München, Bayern: 23.08.2023
[1] Adamietz, Dr. L / Bager, K. (2017): Gutachten: Regelungs- und Reformbedarf für
transgeschlechtliche Menschen | Begleitmaterial zur Interministeriellen Arbeitsgruppe Inter- &
Transsexualität – Band 7. Berlin: BMFSJ
Pressemitteilung: 23.08.2023
Reformvorschläge zum Kindesunterhalt: Ungerechte Entlastung und mangelnde Berücksichtigung der Realität Alleinerziehender
Der pro familia Landesverband Bayern äußert ernsthafte Bedenken bezüglich der aktuellen Reformpläne des Justizministers zur Entlastung von mitbetreuenden Elternteilen im Kontext des Kindesunterhalts. Während es zweifelsohne notwendig ist, das Unterhaltsrecht zu modernisieren, bedauern wir, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen überwiegend gut verdienende Väter bevorzugen und wichtige Aspekte unberücksichtigt lassen.
Die bisherigen statistischen Daten lassen keinen Zweifel daran, dass die geplanten Reformen hauptsächlich männlichen Elternteilen zugutekommen würden. Dieser Ansatz der Neugestaltung konzentriert sich jedoch zu einseitig auf die Entlastung von Vätern, wodurch die grundlegende Forderung nach einer geschlechtergerechten Lösung im Unterhaltsrecht in den Hintergrund rückt.
„Wir sehen es mit großer Sorge, dass die vorgeschlagenen Entlastungen nicht ausreichend berücksichtigen, dass die derzeit gezahlten Unterhaltsbeträge von Vätern bereits jetzt häufig die realen Bedürfnisse der Kinder nicht angemessen decken. Diese Diskrepanz zwischen den gezahlten Unterhaltszahlungen und den tatsächlichen Bedürfnissen der Kinder darf nicht außer Acht gelassen werden“, so Landesgeschäftsführer Thoralf Fricke.
Eine besonders alarmierende Folge der Reformvorschläge sei eine zu erwartende potenzielle Verschärfung der Ungleichverteilung der Verantwortung. Anstatt zu einer gerechteren Lastenverteilung beizutragen, könnten die geplanten Maßnahmen zu einer noch größeren Ungleichheit führen – insbesondere auf Kosten von alleinerziehenden Elternteilen und deren Kindern. Diese bereits benachteiligten Familien würden zusätzlich belastet, was die Lebensbedingungen der betroffenen Kinder weiter verschlechtern könnte.
Ein weiterer bedenklicher Punkt ist, dass die Reformpläne die bedeutende Care-Arbeit, die in der Kindererziehung und -betreuung geleistet wird, nicht ausreichend berücksichtigen. Eine zukunftsorientierte Überarbeitung des Unterhaltsrechts sollte alle Formen der Unterstützung angemessen einbeziehen, einschließlich finanzieller Unterstützung, praktischer Betreuung und Pflege.
Der pro familia Landesverband Bayern appelliert an die verantwortlichen Akteure, die gegenwärtigen Reformvorschläge sorgfältig zu überdenken. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass eine Neugestaltung des Unterhaltsrechts die Bedürfnisse aller Beteiligten gleichwertig berücksichtigt und nicht zu einer weiteren Schieflage in der Unterhaltsverteilung führt.
Thoralf Fricke (er)
Landesgeschäftsführer
pro familia Landesverband Bayern e.V.
Passau/München, Bayern: 23.08.2023

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