Abschlusserklärung "150 Jahre § 218 Strafgesetzbuch“
Während des Fachkongresses „150 Jahre §218 StGB“ am 27. und 28. August 2021 in Berlin wurde eine Abschlusserklärung vorgestellt, die Institutionen und Einzelpersonen unterstützen konnten. Sie hat breite zivilgesellschaftliche Unterstützung gefunden: Mehr als 100 Verbände, Organisationen, Institutionen und Netzwerke aus dem Spektrum von Beratung, Gesundheit, Migration, Frauen- und Gleichstellungspolitik sowie mehr als 600 Einzelpersonen haben sie unterzeichnet.
Die Unterzeichnenden haben den Vorständen von SPD, CDU, CSU, Bündnis 90/Die Grünen, FPD und der Linken die Abschlusserklärung des Kongresses am 28. Oktober 2021 zugesandt. In der jetzt anfangenden 20. Wahlperiode soll die Gesetzesreform angegangen werden, so die Forderung.
Abschlusserklärung "150 Jahre § 218 Strafgesetzbuch“
Der Abbruch einer Schwangerschaft – eine Erfahrung im Leben vieler Menschen – ist in Deutschland seit 150 Jahren eine Straftat. Am 27. und 28. August 2021 fand in Berlin und online dazu der Fachkongress „150 Jahre §218 StGB“ statt. Expert*innen, Politiker*innen, Aktivist*innen und Betroffene setzten sich kritisch mit der Kriminalisierung durch § 218 auseinander. Aus sozialwissenschaftlicher, juristischer, historischer, medizinischer, psychotherapeutischer, politischer und der Erfahrungs-Perspektive beleuchteten sie in Vorträgen und Workshops, wie der § 218 entstanden ist und welche Folgen die Kriminalisierung der betroffenen Frauen* und Ärzt*innen hat.
Die Fachbeiträge und Diskussionen zeigten: Die Kriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs gefährdet – damals wie heute – die Gesundheit von ungewollt
Schwangeren in Deutschland. Sie steht einer angemessenen Gesundheitsversorgung im Wege und verhindert die Gleichberechtigung der Geschlechter und die Selbstbestimmung gebärfähiger Menschen. Die strafrechtliche Regelung ist eine der Ursachen dafür, dass in vielen Regionen Deutschlands erhebliche Versorgungslücken bestehen. Das Strafrecht erschwert die Professionalisierung der medizinischen Aus- und Weiterbildung zum Schwangerschaftsabbruch und setzt Ärzt*innen unter Druck. Die strafrechtliche Regelung verhindert die Kostenübernahme durch die Krankenkassen. International beweisen Länder wie Irland, Kanada und Neuseeland, dass es möglich ist, einen gewünschten Schwangerschaftsabbruch außerhalb des Strafgesetzbuches zu regeln. Im historischen Rückblick zeigt die Regelung des Schwangerschaftsabbruchs in der DDR eine weitere Alternative für das Recht auf Zugang zum sicheren Schwangerschaftsabbruch auf.
Auf internationaler Ebene wird seit Jahren gefordert, dass reproduktive Gesundheit und reproduktive Rechte respektiert und verwirklicht werden. Der Ausschuss für die UN-Frauenrechtskonvention fordert Deutschland auf, die Pflichtberatung und die Wartefrist abzuschaffen und den Schwangerschaftsabbruch als Krankenkassenleistung anzuerkennen. Der UN-Sozialpakt-Ausschuss hat eine umfassende Erklärung zum Menschenrecht auf reproduktive Gesundheit veröffentlicht, welche den Zugang zu sicheren und bezahlbaren Verhütungsmitteln, zu legalem und gesundem Schwangerschaftsabbruch, zur Nachsorge, aber auch zu entsprechenden Informationen und Diensten sowie notwendige Rahmenbedingungen für diverse Formen der Familienplanung umfasst.
Es ist überfällig, dass in Deutschland, über Parteigrenzen hinweg, eine moderne, umfassende gesetzliche Regelung des Schwangerschaftsabbruchs außerhalb des Strafgesetzes in Angriff genommen wird. Diese muss sich an den gesundheitlichen Belangen und der Selbstbestimmung von schwangeren Personen in ihren vielfältigen Lebensrealitäten orientieren und internationale Menschenrechtsnormen respektieren.
Gleichzeitig ist eine bundesweite öffentliche Auseinandersetzung mit den praktischen Folgen der Kriminalisierung für die Gesundheitsversorgung Schwangerer umgehend geboten. Auf Länderebene und mit Unterstützung der Bundesregierung muss zeitnah ein konkreter Maßnahmenkatalog entwickelt werden, wie Versorgungslücken im Bereich des Schwangerschaftsabbruchs zu beheben sind.
Als Expert*innen und Aktivist*innen, als Betroffene und als Gesellschaft können wir nicht länger hinnehmen, dass die Versorgung zum Schwangerschaftsabbruch und die Erfahrung von Menschen, die eine Schwangerschaft abbrechen, von Kriminalisierung und Stigma belastet sind.
Erstunterzeichner*innen
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Arbeiterwohlfahrt Bundesverband e.V.
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Arbeitskreis Frauengesundheit e.V.
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Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung
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Doctors for Choice Germany e.V.
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Prof. Dr. Ulrike Lembke, Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Geschlechterstudien, Humboldt-Universität zu Berlin
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Landesvereinigung für Gesundheit und Akademie für Sozialmedizin Niedersachsen e. V.
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Institut für Angewandte Sexualwissenschaft, Hochschule Merseburg
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Nationales Netzwerk Frauen und Gesundheit
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pro familia Bundesverband e.V.
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Public Health Zentrum Fulda
Die Abschlusserklärung als PDF-Dokument
Presseschau zum Fachkongress
Kongressankündigung: „Online-Kongress: 150 Jahre Paragraph 218“ hpd, 23.08.2021
„Schwangerschaftsabbruch im Strafgesetzbuch: Gleich hinter Mord und Totschlag“ Annett Gröschner für ZEIT ONLINE, 31.08.2021
„Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs gefordert.“ Ärzteblatt, 30.08.2021
„Dr. Christian Rath: Kritik an der Karlsruher Gebärpflicht“ Legal Tribune Online, 30.08.2021
„REPRODUKTIVE RECHTE. Frauen ernst nehmen: Virtueller Fachkongress fordert, Schwangerschaftsabbrüche endlich zu entkriminalisieren“ Junge Welt, 03.09.2021
„50 Jahre Paragraph 218: Anatomie der besseren Hoffnung“ FAZ 27.09.2021
Safe Abortion Day am 28. September 2021
In über 50 deutschen Städten fanden am 28. September 2021 Aktionen zum internationalen Safe Abortion Day statt.
Auch zahlreiche pro familia Landes- und Ortsverbände beteiligten sich mit vielfältigen Aktionen: Kundgebungen, Infoständen, Lesungen, Sprühaktionen, Podiumsdiskussionen, Social-Media-Aktionen, uvm. Damit setzte der Verband ein deutliches Zeichen für die Forderung:
Ungeplant Schwangeren muss ein Schwangerschaftsabbruch als Option zur Verfügung stehen – ohne Kriminalisierung, ohne Stigmatisierung, ohne Bevormundung und mit aller Unterstützung, die sie benötigen. Herzlichen Dank an alle, die zum erfolgreichen Aktionstag beigetragen haben!

„DU HAST DIE WAHL – 150 Jahre § 218 sind genug!“

Aktionstag des Bündnisses für sexuelle Selbstbestimmung am 18. September 2021
Expert*innen, kreative Aktivist*innen und Gäste bieten am ab 12 Uhr am Brandenburger Tor auf dem Pariser Platz ein breites Informationsprogramm mit anschließendem Demonstrationszug zum Paul-Löbe-Haus. Auf der Auftaktkundgebung sprechen die stellvertretenden Vorsitzenden des pro familia Bundesverbands, Stephanie Schlitt und Fiona Franz, über 150 Jahre Kriminalisierung ungewollt Schwangerer, außerdem die „Omas gegen Rechts“ und Gewerkschaftsvertreterinnen.
Die Abschlusskundgebung am Paul-Löbe-Haus steht unter der Forderung selbstbestimmt Leben und Lieben für alle Menschen weltweit. Es wird Beiträge zu Georgien, Ungarn, Texas und Argentinien geben. In Deutschland lebende Migrant*innen und Geflüchtete sprechen über die Hindernisse, mit denen sie nach wie vor konfrontiert sind. Das ganze Programm ist hier zu finden.
Fachkongress „150 Jahre § 218 Strafgesetzbuch“

27. bis 28. August 2021, Online-Veranstaltung
Seit 1871 ist mit dem §218 der Abbruch einer ungewollten Schwangerschaft eine Straftat. Durch internationale Entwicklungen, die Kriminalisierung von Ärzt*innen und die sich zunehmend verschlechternde Versorgungslage beim Zugang zum Schwangerschaftsabbruch steht der §218 des Strafgesetzbuches wieder im Licht der Öffentlichkeit. Der 150. Jahrestag des Paragrafen §218 ist Anlass für einen Fachkongress, der dazu einlädt, sich aus unterschiedlichen Perspektive kritisch mit §218 auseinanderzusetzen und Hintergründe seines Ent- und Bestehens herauszuarbeiten. Neben einem historischen Abriss, werden aktuelle Fragestellungen und Probleme in Deutschland Gegenstand von Vorträgen, Gesprächen und Workshops sein. Ziel ist es, die Kriminalisierung des Abbruchs einer ungewollten Schwangerschaft auf den Prüfstand zu stellen, alternative Regelungen zu diskutieren und den politischen Willen zu stärken, sich für die Realisierung der reproduktiven Rechte von Frauen* in Deutschland einzusetzen. Enden wird er mit einer Abschlusserklärung, in der es um die Frage geht: Wie weiter in Deutschland?
Der Kongress findet für Teilnehmende digital vom 27.-28.08.21 statt und ist kostenfrei. Der Zugangslink wird nach der Registrierung zugeschickt.
Das Programm ist hier zu finden. Aktuelle Informationen gibt es auf Twitter unter @218Kongress.
Veranstalter*innen:
Arbeiterwohlfahrt Bundesverband e.V.
Arbeitskreis Frauengesundheit e.V.
Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung
Doctors for Choice Germany e.V.
Hochschule Merseburg
Humboldt-Universität zu Berlin
LVG & AFS Niedersachsen e.V.
Nationales Netzwerk Frauen und Gesundheit
pro familia Bundesverband e.V.
Public Health Zentrum Fulda
Zur Pressemitteilung zum Fachkongress
Impressionen vom Aktionstag "150 Jahre Kriminalisierung sind genug" am 15. Mai 2021
Es gab bundesweit eine Vielzahl von Aktionen, von pro familia und anderen Organisationen und Einzelpersonen. Sie alle machten deutlich: Wir brauchen eine gesetzliche Regelung des Schwangerschaftsabbruchs jenseits des Strafrechts!


„150 Jahre §218 StGB“: Nächster Aktionstag am 15. Mai 2021
pro familia, das Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung und viele andere rufen zum bundesweiten Aktionstag am 15. Mai 2021 auf. In ganz Deutschland werden Aktionen stattfinden, von einer Menschenkette um den Reichstag über Kundgebungen und Podiumsdiskussionen bis hin zu Social Media-Kampagnen. Weiter Informationen dazu gibt es beim Bündnis für Sexuelle Selbstbestimmung. pro familia ruft Organisationen dazu auf, den Aufruf des Bündnisses zu unterzeichnen, für Einzelpersonen gibt es eine Petition auf Change.org. Welche Aktionen wo stattfinden, kann hier eingesehen werden; für den 15. Mai geplante Aktionen bitte hier melden.
Die Kampagne findet natürlich auch auf Social Media statt, unter den Hashtags #150jahre218, #150JahreKriminalisierung #RechtStattVerurteilung #Schwangerschaftsabbruch, #1505 und #150JahreWiderstand. #meinabbruch sammelt persönliche Geschichten über Schwangerschaftsabbrüche. Und #mehralsdudenkst bereitet Zahlen rund um Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland anschaulich auf.

150 Jahre Kriminalisierung sind genug!

Schwangerschaftsabbruch – Recht statt Verurteilung
1871, also vor 150 Jahren, wurde im Reichsstrafgesetzbuch der §218 eingeführt. Frauen, die eine Schwangerschaft abbrachen, drohte eine bis zu fünfjährige Zuchthausstrafe.
pro familia Bundesverband nimmt dieses Datum zum Anlass, eine Debatte zum §218 StGB anzustoßen. Wir wünschen uns eine konstruktive Auseinandersetzung in Gesellschaft und Politik über die Notwendigkeit einer Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs. Wir möchten darüber diskutieren, wie die Alternative aussehen könnte. Für pro familia steht dabei das Recht auf Selbstbestimmung im Kontext von sexueller und reproduktiver Gesundheit und Rechten im Mittelpunkt. Dazu gehören zum Beispiel die Verbesserung der Versorgungslage und der medizinischen Ausbildung sowie die gesellschaftliche Entstigmatisierung.
Auf dieser Seite stellen wir im Laufe des Jahres Texte, Positionen und Materialien vor. Außerdem berichten wir über Aktionstage, die über das Jahr verteilt bundesweit stattfinden werden.
Aktuell: Pressemitteilung zum Internationalen Frauentag am 8. März
pro familia Position zum Schwangerschaftsabbruch
Wir positioniert sich pro familia zum Schwangerschaftsabbruch?
Download der Stellungnahme: „Das Recht der Frau auf selbstbestimmte Entscheidung. pro familia Position zum Schwangerschaftsabbruch“ (2012)
Die Haltung von pro familia zum Schwangerschaftsabbruch im Lauf der Verbandsgeschichte kann hier nachgelesen werden.
Fakten und Informationen zum Schwangerschaftsabbruch
Versorgung mit Ärzt*innen bundesweit – Rückmeldungen aus den Landesverbänden pdf-Dokument
8 Fakten zum Schwangerschaftsabbruch in Deutschland. pro familia factsheet zum Thema als pdf-Dokument
Schwangerschaftsabbruch in Kürze. Zahlen und Hintergründe. Die wichtigsten Fakten und Zahlen zu Schwangerschaftsabbrüchen in Deutschland sind in diesem 4-seitigen Papier zusammengestellt. pdf-Dokument
Hintergrundpapier Schwangerschaftsabbruch. 44-seitiges Papier als pdf-Dokument
Wir müssen reden ... Schwangerschaftsabbruch in Deutschland
pro familia strebt einen Dialog über den Schwangerschaftsabbruch an und möchte Alternativen zur strafrechtlichen Regelung diskutieren. In diesem „Dialogpapier“ nehmen wir zu grundlegenden Fragen zum Thema Stellung.
Dialogpapier „Wir müssen reden ... Schwangerschaftsabbruch in Deutschland“ als PDF-Dokument