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Aktuelle Pressemitteilung

8. März 2024: „Legal, einfach, fair“: pro familia unterstützt Petition und Kampagne zur Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs

Während in Frankreich die Freiheit zum Schwangerschaftsabbruch in die Verfassung aufgenommen wird, ist er in Deutschland noch immer im Strafrecht angesiedelt – mit weitreichenden negativen Konsequenzen. pro familia unterstützt als Erstunterzeichnerin die Petition „Legal, einfach, fair: Für eine Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs in Deutschland!“, die am 8. März, dem Weltfrauentag, startet (https://innn.it/wegmit218). Die Petition fordert Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, Bundesjustizminister Marco Buschmann und Bundesfamilienministerin Lisa Paus auf, einen fairen und einfachen Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen in Deutschland zu schaffen.

„Wusstest du, dass Schwangerschaftsabbrüche eine Straftat sind, die nur mit einer Zwangsberatung folgenlos bleiben? Dass sich viele Krankenhäuser weigern, einen Schwangerschaftsabbruch vorzunehmen und schwangere Personen den Abbruch selbst zahlen müssen? Damit muss Schluss sein!“ heißt es in der Petition, die das Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung zum Weltfrauentag gestartet hat. Gefordert wird eine gesetzliche Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs in Deutschland, und zwar außerhalb des Strafrechts, ohne Beratungspflicht, mit Kostenübernahme durch die Krankenkassen und flankiert von umfassenden Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen für medizinische Fachberufe. Schwangerschaftsabbrüche müssen Teil der medizinischen Grundversorgung werden, so die Petition, und jede*r Schwangere soll sich wohnortnah und frei für eine Methode des Schwangerschaftsabbruchs entscheiden können. Die Petition ist Teil einer Kampagne des Bündnisses für sexuelle Selbstbestimmung in diesem Frühjahr. Ziel ist eine Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs außerhalb des Strafgesetzbuchs noch in dieser Legislatur.

 

„pro familia ist Mitglied im Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung und unterstützt diese Kampagne“, erklärt Monika Börding, Vorsitzende des pro familia Bundesverbands. „Wir wollen damit zeigen, dass ein breites Bündnis in Deutschland die Forderung nach einer Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs mitträgt und dass es viele gute Gründe gibt, zu einer gesetzlichen Neuregelung zu kommen und zwar möglichst bald.“

„Wie Frauen den Schwangerschaftsabbruch in Deutschland erleben, ist kein individuelles, sondern ein gesellschaftliches Problem“, ergänzt Stephanie Schlitt, stellvertretende pro familia Bundesvorsitzende. „Das Thema geht uns alle an. Niemand kann wollen, dass Schwangere kriminalisiert und stigmatisiert werden, dass sie sich durch die Pflichtberatung gegängelt fühlen und in der medizinischen Versorgung schlechte Erfahrungen machen. Das aber sind die Auswirkungen von Strafrechtsparagraph 218.Wir haben jetzt die Chance, den gesetzlichen Rahmen zu ändern, und sollten uns für wissenschaftliche Evidenz, für Menschenrechte und für das Vertrauen in schwangere Menschen entscheiden.“

pro familia hat in Stellungnahmen, Positionierungen und Hintergrundpapieren die Folgen der bisherigen gesetzlichen Regelung des Schwangerschaftsabbruchs aufgezeigt und Kriterien für eine Neugestaltung formuliert, die die Rechte schwangerer Menschen in den Mittelpunkt stellt. Eine Auswahl ist hier zu finden.

Informationen über das Bündnis für Selbstbestimmung und die Kampagne zur Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs gibt es hier.

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Pressekontakt

Regine Wlassitschau,
Tel.: 069 / 26 95 77 922, regine.wlassitschau@profamilia.de



profamilia

pro familia ist der führende Verband zu Sexualität und Partnerschaft in Deutschland. pro familia unterhält ein bundesweites Beratungsnetzwerk und informiert mit einem vielfältigen Publikationsangebot die Öffentlichkeit.

Der pro familia Bundesverband wird durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend finanziell gefördert.

Ältere Pressemitteilungen

Eleanor Roosevelt, die damalige Botschafterin bei den Vereinten Nationen und Leiterin der zuständigen Kommission hält die spanische Übersetzung der UN-Menschenrechtscharta in der Hand.

Sexuelle und reproduktive Rechte sind Menschenrechte, betont pro familia

Am 10. Dezember 1948 verkündeten die Vereinten Nationen die „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“, die bis heute im weltweiten Kampf um die Würde des Menschen als gemeinsame Orientierung dient. Später folgten internationale Pakte, Verträge und Konventionen, die bürgerliche und politische Rechte sowie wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte ausformulierten und die sexuellen und reproduktiven Rechte mit einbezogen. 75 Jahre nach der Verabschiedung der Menschenrechtserklärung stellt pro familia fest: Sexuelle und reproduktive Rechte sind ebenso wie andere Menschenrechte weltweit bedroht. Sie müssen immer wieder neu errungen und verteidigt werden. Am Internationalen Tag der Menschenrechte am 10. Dezember erinnert die Zivilgesellschaft Staaten an ihre Verpflichtung, sich an Menschenrechtsverträge zu halten und bei all ihren Aktivitäten die Menschenrechte ihrer Bürger*innen zu fördern und zu schützen.

Millionen Menschen weltweit können nicht frei entscheiden, ob und wann sie Kinder haben wollen. Sie haben keinen Zugang zu Verhütungsmitteln, zum Schwangerschaftsabbruch und zu Kinderwunschbehandlungen. Sie können nicht frei entscheiden, ob und mit wem sie Sex haben und werden wegen ihrer geschlechtlichen oder sexuellen Identität benachteiligt, verunglimpft, bedroht und verfolgt.

„75 Jahre nach der Verabschiedung der Menschenrechtserklärung der Vereinten Nationen gibt es in Bezug auf sexuelle und reproduktive Rechte nach wie vor viele Herausforderungen, denen wir uns stellen müssen“, betont Monika Börding, Vorsitzende des pro familia Bundesverbands. „Sexuelle und reproduktive Rechte müssen verteidigt oder neu errungen werden. In unserer ausdifferenzierten Welt, in der Einzelne oder Gruppen ihre Interessen gegen die der Allgemeinheit durchsetzen wollen, gilt es immer wieder zu betonen: Menschenrechte sind universell, unteilbar und unverzichtbar. Menschenrechte gelten für alle, und alle Menschen müssen vor Verfolgung, Ausbeutung, Unterdrückung und Ungleichbehandlung geschützt werden.“

In der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte sind die Rechte auf Leben, Gesundheit, körperliche Unversehrtheit, Nichtdiskriminierung, Bildung, Gleichberechtigung und die Freiheit von allen Formen der Folter sowie anderen Formen menschlicher und erniedrigender Behandlung festgeschrieben. „Wir beobachten mit Sorge die Zunahme von politischen und gesellschaftlichen Strömungen weltweit, die geschlechterfeindlich, sexistisch, rassistisch, ableistisch, homo- und transphob, antisemitisch und demokratiefeindlich sind“, erklärt Börding weiter. „Wir dürfen nicht zulassen, dass die Menschenrechte entkräftet und Menschen und Institutionen, die diese verteidigen, diffamiert werden. Menschenrechte gelten für uns alle und wir alle sollten sie gegen Angriffe verteidigen.“

Die Überprüfung Deutschlands durch den UN-Menschenrechtsrat am 9. November 2023 hat gezeigt, dass es hierzulande bei der Erfüllung der internationalen menschenrechtlichen Verpflichtungen in den vergangenen Jahren noch etliche Defizite gibt. Das Forum Menschenrechte hat dazu im Vorfeld eine eigene Bestandsaufnahme erstellt, an der sich pro familia beteiligt hat. Unter anderem in Bezug auf Armut, Diskriminierung, Schutz vor Gewalt seien die Maßnahmen Deutschlands nicht ausreichend, so die Kritik. Auch die schlechte Versorgung mit Ärzt*innen, die einen Schwangerschaftsabbruch durchführen, wurde bemängelt.

pro familia ist den sexuellen und reproduktiven Rechten als Menschenrechten verpflichtet und fordert die Umsetzung dieser Rechte in Deutschland und, gemeinsam mit der internationalen Dachorganisation der International Planned Parenthood Federation (IPPF), weltweit. Seit mehr als 70 Jahren unterstützen pro familia Berater*innen Menschen in diesen Situationen mit Informationen und Beratung und setzen sich für sexuelle und reproduktive Selbstbestimmung ein.

Die Bestandsaufnahme des FORUM MENSCHENRECHTE für das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte in Genf ist hier abrufbar.

 

 

 

pro familia fordert eine gesetzliche Neuregelung gemäß der Empfehlungen der WHO

„Der Schwangerschaftsabbruch sollte vollständig entkriminalisiert werden. Gesetzliche, politische und programmatische Hindernisse – sowie Hindernisse in der Praxis –, die den Zugang zu hochwertiger medizinischer Versorgung beim Schwangerschaftsabbruch behindern, sollten beseitigt werden. Dazu gehören unter anderem Fristen für Schwangerschaftsabbrüche und verpflichtende Wartezeiten.“* Diese Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation WHO zum Schwangerschaftsabbruch ignorieren viele Staaten, darunter bislang auch Deutschland. Darauf weist der pro familia Bundesverband anlässlich des Internationalen ‚Safe Abortion Day‘ hin, der am 28. September weltweit begangen wird. Bei der überfälligen gesetzlichen Neuregelung in Deutschland müssen die WHO-Empfehlungen berücksichtigt werden, fordert der Verband. Um Schwangere zu unterstützen – nicht zu bevormunden – ist es außerdem notwendig, statt der Beratungspflicht vor einem Schwangerschaftsabbruch ein Recht auf Beratung festzuschreiben.

Bislang gilt, dass schwangere Personen vor einem gewünschten Schwangerschaftsabbruch eine verpflichtende Beratung aufsuchen. Dies ist im Strafrecht festgelegt und bedeutet in der Konsequenz, dass Schwangeren ohne Beratung der Zugang zum Schwangerschaftsabbruch verwehrt ist.

Die Erfahrung von pro familia Berater*innen mit der bisherigen Pflichtberatung zeigt, dass schwangere Menschen Angst vor Entmündigung und Fremdbewertung ihrer Entscheidung haben. Diese Gesprächssituation erschwert Berater*innen den Zugang zu den Klient*innen und damit die Möglichkeit, sie zu unterstützen. Schwangere erwarten von der verpflichtenden Beratung, dass sie von der Fortführung der Schwangerschaft überzeugt werden sollen. Daraus ergibt sich oft eine negative Abwehrhaltung und eine Fixierung auf das Ausstellen des Beratungsscheins.

Deshalb spricht sich pro familia für ein Ende der Beratungspflicht und für ein Recht auf freiwillige Beratung aus, die ungewollt Schwangere in Anspruch nehmen können, aber nicht müssen. Um dabei unterstützt zu werden, für ihre Problemlagen und Konflikte tragfähige Lösungen zu entwickeln, muss ihnen werteneutrale Akzeptanz entgegengebracht werden, ohne dass sie sich in eine Richtung gedrängt, bevormundet oder schuldig gesprochen fühlen.

Die Bedürfnisse, mit denen Menschen in die Beratungsstellen von pro familia kommen, sind vielfältig und betreffen alle Themenbereiche der sexuellen und reproduktiven Gesundheit und Rechte. Es geht um medizinische und gesundheitliche Fragen, sozialrechtliche Regelungen und finanzielle Hilfen oder um psychosoziale Fragen rund um das Thema Partnerschaft und Sexualität sowie häusliche und sexualisierte Gewalt. Diesen Bedürfnissen gerecht zu werden und damit die sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte zu stärken, ist der Auftrag von Beratungsarbeit. Dafür müssen alle Menschen Zugang zu freiwilligen und umfassenden Beratungsangeboten zu allen Themen der sexuellen und reproduktiven Gesundheit und Rechte und zu sexueller Bildung haben. Beratung und Informationen sollten partizipativ und ergebnisoffen sein und schwangere Menschen als Rechteinhaber*innen in Hinsicht auf ihre selbstbestimmte Entscheidungsfindung stärken. So verstanden stärkt das Recht, Beratung wahrzunehmen zu können, Menschen in ihrer selbstbestimmten Lebensplanung und ermöglicht ihre Teilhabe in einer demokratischen Gesellschaft.

pro familia hat Kriterien für freiwillige Informations- und Beratungsangebote sowie sexuelle Bildung formuliert, wie sie im Rahmen einer Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs verankert werden sollten. Dazu gehört die leichte Zugänglichkeit von – barrierefreien und kostenlosen –Beratungsangeboten. Jeder Mensch, unabhängig von Geschlecht, Herkunft, Beeinträchtigung, sozialem Status, Religion, Weltanschauung, Alter, Gesundheitszustand oder sexueller Orientierung, sollte Zugang haben. Es müssen alle Themen der sexuellen und reproduktiven Gesundheit umfassend abgedeckt werden: Sexuelle Bildung, Familienplanung, Schwangerschaftsberatung, Verhütungsberatung, Unterstützung bei ungeplanter/ungewollter Schwangerschaft und Schwangerschaftsabbruch, Partnerschaft, Sexualität, unerfüllter Kinderwunsch und Reproduktionsmedizin, Pränataldiagnostik und vieles mehr. Die Beratungsangebote müssen zudem ausreichende finanzielle und personelle Ressourcen erhalten und bestimmten Qualitätsanforderungen genügen.

Mehr Informationen zu pro familia Positionierung und zur Forderung nach freiwilligen Beratungsangeboten gibt es hier.

Mehr Informationen zum Safe Abortion Day 2023 gibt es hier.

*WHO-Empfehlungen zum Schwangerschaftsabbruch

Die Pressemitteilung als PDF-Dokument (nicht barrierefrei)

15.9.2023: pro familia fordert anlässlich des Aktionstags für sexuelle Selbstbestimmung eine Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs außerhalb des Strafrechts

Freie Entscheidung über den eigenen Körper und das eigene Leben!

Am 16. September 2023 werden sich christlich-fundamentalistische und rechtsnationale Gegner*innen des Selbstbestimmungsrechts in Berlin und Köln versammeln. Auf dem sogenannten „Marsch für das Leben“ werden sie sich für das totale Verbot des Schwangerschaftsabbruchs und damit für die massive Verletzung der reproduktiven Rechte schwangerer Personen aussprechen. Unterstützt werden sie durch konservative und rechtsnationale Parteien, die die Rechte des Fötus über die Rechte Schwangerer stellen. Dieser rückwärtsgewandten Haltung setzt das Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung, dem pro familia angehört, dieses Jahr wie seit elf Jahren einen Aktionstag für sexuelle Selbstbestimmung entgegen und fordert eine Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs.

Dazu erklärt die pro familia Bundesvorsitzende Monika Börding:

„Menschen, die schwanger werden können, müssen frei über das Austragen oder den Abbruch einer Schwangerschaft entscheiden können. Die Gesellschaft, die Politik und das Gesetz müssen anerkennen, dass die Entscheidung für einen Schwangerschaftsabbruch eine sehr individuelle ist, die den eigenen Körper und das eigene Leben betrifft, gegebenenfalls auch die bereits existierende Familie und Partnerschaft. Dies sollte sich in einer neuen gesetzlichen Regelung außerhalb des Strafrechts ausdrücken.

Der Schwangerschaftsabbruch steht derzeit in §218 des Strafgesetzbuches, im Kapitel ‚Straftaten gegen das Leben‘, neben Mord und Totschlag. Dadurch ist das Thema von vornherein stigmatisierend und moralisch aufgeladen. Zudem behindern die Strafandrohung sowie die gesetzlich vorgeschriebene Pflicht, sich vor einem Schwangerschaftsabbruch beraten zu lassen, die Unterstützung von ungewollt Schwangeren. Denn um eine gute Entscheidung für oder gegen das Austragen einer Schwangerschaft treffen zu können, sollte sich die betroffene Person in einem Rahmen bewegen können, in dem sie in jedem Fall auf nicht wertende Weise Unterstützung erfährt. Die Strafandrohung drückt jedoch die klare Missbilligung einer möglichen Entscheidung für einen Schwangerschaftsabbruch aus.

pro familia wünscht sich eine Gesellschaft, die ungeplante und auch ungewollte Schwangerschaften und Schwangerschaftsabbrüche als Teil des Lebens annimmt und nicht stigmatisierend und tabuisierend auf das Thema reagiert. Ebenso wünschen wir uns einen klaren politischen Willen, der das Recht auf Selbstbestimmung im Kontext von reproduktiven Rechten und reproduktiver Gesundheit verteidigt und umsetzt.“

Auf der pro familia Bundesdelegiertenversammlung 2023 haben die Delegierten die „pro familia Positionierung und Forderungen zur menschenrechtsbasierten Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs – Für sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte“ verabschiedet. Darin fordert der Verband eine Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs außerhalb des Strafrechts, ein Recht auf Beratung statt Pflichtberatung sowie die Abschaffung der verpflichtenden Wartezeit vor einem Schwangerschaftsabbruch. Die Positionierung ist hier zu finden:

https://www.profamilia.de/fileadmin/profamilia/verband/Neuregelung_SchwA_BV_07.05.2023.pdf

Weitere Informationen zum Aktionstag für sexuelle Selbstbestimmung „Leben und Lieben ohne Bevormundung!“ gibt es hier:

https://www.sexuelle-selbstbestimmung.de/18289/aktionstag-fuer-sexuelle-selbstbestimmung-16-09-2023/

Die Pressemitteilung als pdf-Dokument (nicht barrierefrei)

9.5.2023: pro familia diskutiert über die Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs und verabschiedet Verbandsposition

„Schwangeren Menschen vertrauen und sie in ihrer Entscheidungsfindung unterstützen“

pro familia hat sich auf dem Verbandswochenende am 6. und 7. Mai 2023 mit dem Thema gesetzliche Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs befasst. Den nach Leipzig angereisten Fachkräften und Delegierten boten Vorträge und Workshops auf der Fachtagung am Samstag die Möglichkeit zum Austausch und zur Diskussion. Eine zentrale Frage war dabei, wie das Recht auf Zugang zu freiwilligen, rechtebasierten Informations- und Beratungsangeboten zum Schwangerschaftsabbruch und zu allen anderen Themen im Rahmen einer Neuregelung ausgestaltet werden kann. Auf der Bundesdelegiertenversammlung am Sonntag wurde als wichtigster Beschluss eine Positionierung zur Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs außerhalb des Strafrechts verabschiedet.

Auf der Fachtagung mit dem Titel „Perspektiven einer Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs – Sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte umsetzen“ zeigte ein Vortrag über erste vorläufige Erkenntnisse aus der ELSA-Studie deutliche Defizite bei der Versorgung zum Schwangerschaftsabbruch auf und machte somit den Handlungsbedarf deutlich. Jede zweite der befragten Frauen berichtete über Schwierigkeiten beim Zugang zum Schwangerschaftsabbruch. Insbesondere seien belastend: der Zeitdruck, Probleme bei der Organisation des Schwangerschaftsabbruchs, die Kosten sowie die Wartezeit. Zudem fühlte sich jede fünfte Frau schlecht informiert. In den weiteren Vorträgen ging es um die wichtige Bedeutung der ergebnisoffenen Beratung für die Vermittlung von Informationen und für die Befähigung, selbstbestimmte Entscheidungen zu treffen. Beratung stehe für Emanzipation, fördere Autonomie und Teilhabe und erfülle somit eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe, so die Fachreferent*innen.

Laut gängigen fachlichen Standards darf Beratung keine Pflicht sein. Die Teilnehmenden diskutierten in einem Workshop, welche Veränderungen und Chancen sich in der Beratungsarbeit auftun, wenn aus der Pflicht zur Beratung ein Recht wird. In einem weiteren Workshop ging es um die Möglichkeiten, der Stigmatisierung des Schwangerschaftsabbruchs entgegenzuwirken und die Selbstermächtigung von Frauen zu stärken. Was die sexuellen und reproduktiven Rechte konkret bedeuten und wie sie sich mit der Beratungsarbeit verknüpfen lassen, erarbeiteten die Teilnehmenden in einem dritten Workshop. In der abschließenden Diskussion zeigte sich das Podium optimistisch, dass eine gesellschaftliche Debatte über eine gesetzliche Neuregelung Räume eröffne, aus verschiedenen Perspektiven – juristisch, medizinisch, beraterisch – Anforderungen an eine gesetzliche Regelung des Schwangerschaftsabbruchs neu zu formulieren . Neben einer aktuellen verfassungsrechtlichen Perspektive müsse hierbei internationalen Menschenrechtsnormen und internationaler Gesundheitsevidenz Rechnung getragen werden. Ein ‚Weiter so‘ könne es auch angesichts der sich verschlechternden Versorgungslage nicht geben. Alle müssten ein Interesse an einem konstruktiven Gespräch haben, um eine Verbesserung zu erreichen.

Die Delegierten verabschiedeten am Tag darauf eine Positionierung für eine außerstrafrechtliche Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs. pro familia sieht sich den sexuellen und reproduktiven Rechten verpflichtet und geht daher vom prinzipiellen Recht und der Fähigkeit schwangerer Personen aus, über die Fortsetzung einer Schwangerschaft, über ihren Körper und ihr Leben selbst verantwortungsvoll entscheiden zu können und die erforderliche Unterstützung erhalten. Dies bedeutet, dass Schwangere in keiner Situation zum Austragen oder zum Abbruch einer Schwangerschaft gezwungen werden dürfen. Der Schwangerschaftsabbruch gegen den Willen oder ohne die Zustimmung der schwangeren Person muss weiterhin strafrechtlich sanktioniert sein. pro familia schließt sich den Positionierungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sowie der International Planned Parenthood Federation (IPPF) an und fordert eine außerstrafrechtliche Regelung der Entscheidungsfreiheit der schwangeren Person ohne Fristen und Indikationen. Die Positionierung ist Ergebnis intensiver innerverbandlicher Diskussionen zur Frage, wie zukünftige Regelungen wirkungsvoll dazu beitragen können, den Schwangerschaftsabbruch zu entstigmatisieren sowie sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte umzusetzen und zu stärken. pro familia hat in der Positionierung ausführlich formuliert, wie eine neue menschenrechtsbasierte Regelung des Schwangerschaftsabbruchs ausgestaltet werden sollte. Außerdem werden Kriterien benannt, anhand derer der Verband mögliche Gesetzesänderungen zur Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs bewerten wird.

„pro familia steht dafür ein, schwangeren Menschen zu vertrauen und sie dabei zu unterstützen, für sie passende Entscheidungen zu treffen“, erklärt Monika Börding, Bundesvorsitzende von pro familia.

„Wir brauchen eine gesetzliche Regelung, die der schwangeren Person die Entscheidung für oder gegen eine Schwangerschaft zugesteht – frei von Strafandrohungen, staatlicher Einflussnahme und Stigmatisierung. Wir möchten mit unserer Positionierung fachliche sowie politische Impulse setzen und einen Beitrag zur Konzeption einer umfassenden Neuregelung leisten“, ergänzt die stellvertretende Bundesvorsitzende Stephanie Schlitt, die von den Delegierten für drei Jahre wiedergewählt worden war.

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7.3.2023: Das Recht auf vertrauliche Beratung darf nicht dem Demonstrationsrecht geopfert werden

Die Bundesregierung muss ihre selbst gesetzten Ziele aus dem Koalitionsvertrag umsetzen und Ratsuchende vor Belästigung vor den gesetzlich anerkannten Beratungsstellen schützen

Aktuell versammeln sich wieder Gegner*innen reproduktiver Selbstbestimmung mit Plakaten und Holzkreuzen zu Belagerungen unmittelbar vor dem Eingang von Schwangerschaftsberatungsstellen. Sie verletzen Persönlichkeitsrechte der Klient*innen und beeinträchtigen die Beratung. Dies ist möglich, weil Gerichte das Demonstrationsrecht höher bewerten als das Recht, unbehelligt und ohne psychischen Druck eine Beratung aufzusuchen. Was fehlt, ist eine einheitliche rechtliche Handhabe gegen diese Belagerung. pro familia fordert die Bundesregierung auf, das angekündigte Gesetz gegen die sogenannte ‚Gehsteigbelästigung‘ so schnell wie möglich einzuführen, um weitere Einschränkungen zu verhindern.

In den letzten Jahren nehmen die Belagerungen von Schwangerschaftsberatungsstellen zu. Die Protestierenden nennen ihre Aktionen „Mahnwachen“: Schwarzgekleidete Menschen, teils mit großen Holzkreuzen, die laut beten, singen und Schilder mit religiösen Motiven und mit der Aufschrift „Ich will leben“ vor sich tragen. Dies schafft eine sehr eindringliche und bedrohliche Atmosphäre.

„Die regelmäßige Präsenz der Abtreibungsgegner*innen vor der Beratungsstelle ist für unsere Mitarbeitenden eine psychische Belastung“, erklärt Beate Martin, Leiterin der pro familia Beratungsstelle in Münster. Dort stehen die Demonstrant*innen einmal im Monat vor der Tür, das ganze Jahr lang. „Auch die Beratung selbst wird gestört“, ergänzt ihre Kollegin, die Schwangerschaftsberaterin Barbara Wittel. „Ungewollt Schwangere und andere Hilfesuchende auf dem Weg zu einer Beratung nehmen die Präsenz als verstörend und unangenehm wahr. Sie können sich nicht der Beeinflussung und der Konfrontation mit Abtreibungsgegner*innen entziehen. Von einer neutralen Beratungssituation, wie sie den Frauen gesetzlich zusteht, kann dann nicht mehr gesprochen werden.“

In anderen Städten, wie zum Beispiel in Frankfurt am Main, werden die Beratungsstellen zweimal im Jahr 40 Tage lang belagert. Für die Leiterin der Beratungsstelle Frankfurt, Claudia Hohmann, eine unzumutbare Situation: „Nun ist ja das siebte Jahr der Belagerung unserer Beratungsstelle angebrochen und man könnte sich an das wiederkehrende Szenario gewöhnen. Im Namen unserer Klient*innen können und wollen wir das aber nicht tun. Nach einjähriger Atempause 2021/2022, in der die Belagerer an einer anderen Stelle stehen mussten, dürfen Sie nun wieder wie gehabt unsere Klient*innen direkt mit ihren Plakaten und lautstarken Gebeten konfrontieren. Damit ist nach richterlichem Urteil gestattet, der gesetzlich vorgeschriebenen Beratung den Stempel von externer Beobachtung, Verunsicherung und schlechtem Gewissen aufzudrücken. Dieses Szenario ist geeignet, Frauen nachhaltig zu destabilisieren oder sogar von einer Beratung abzuhalten. Wir kämpfen deshalb dafür, dass dies nicht so bleibt und sind dankbar für jede Unterstützung aus der Politik und der Zivilgesellschaft.“

pro familia setzt sich für die Einrichtung von Schutzzonen vor Schwangerschaftsberatungsstellen ein. „Der geschützte und unbehelligte Beratungsrahmen ist für Menschen, die die psychosoziale Beratung aufsuchen, zentral“, erklärt die Bundesvorsitzende Monika Börding. „Wird dieser Rahmen nicht durch ein bundesweit geltendes Gesetz abgesichert, steht das Vertrauen in die Beratung auf dem Spiel. Es ist Aufgabe der Bundespolitik, das Persönlichkeitsrecht der Ratsuchenden zu schützen, und zwar bundesweit.“

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1.3.2023: „Wir brauchen gesetzliche Regelungen, die mit den Menschenrechten in Einklang stehen“

pro familia heißt die Einsetzung der Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin willkommen und bietet als Fachverband Unterstützung an

„Endlich kommen die gesetzlichen Regelungen zum Schwangerschaftsabbruch und zur Fortpflanzungsmedizin auf den fachlichen und politischen Prüfstand. Das ist lange überfällig.“, erklärt Monika Börding, Vorsitzende des pro familia Bundesverbands. „§218 ff StGB stigmatisiert Menschen, die einen selbstbestimmten Schwangerschaftsabbruch vornehmen und diejenigen, die ihnen das ermöglichen. Es läuft Deutschlands internationalen Menschenrechtsverpflichtungen und der internationalen Gesundheitsevidenz zuwider. Ziel der Arbeit der Kommission muss die Vorlage von gesetzlichen Regelungen sein, die mit diesem Rahmenwerk im Einklang stehen und vom Bundestag umgehend beraten und beschlossen werden können. pro familia dringt hierbei insbesondere auf die Verankerung des Rechts auf Information und Beratung zu allen Fragen der sexuellen und reproduktiven Gesundheit und Rechte.“

Mit Beratung und Informationen unterstützt pro familia jährlich tausende Menschen in ganz Deutschland bei ihrer Entscheidungsfindung zu allen Fragen der sexuellen und reproduktiven Gesundheit und Rechte, so auch zum Kinderwunsch, zu ungewollter Schwangerschaft und zum Schwangerschaftsabbruch. Die Arbeit des Verbands stützt sich auf fachliche Standards und auf die internationalen Menschenrechte. pro familia bietet der Kommission und den sie tragenden Bundesministerien seine Unterstützung als Fachverband an.

„Die Gesetzesentwürfe, die die Kommission entwickeln wird, gehen uns alle an. Viele von uns sind oder kennen Menschen, die einen Schwangerschaftsabbruch vorgenommen haben oder brauchen, oder Menschen mit Kinderwunsch. Im Mittelpunkt der Arbeit der Kommission stehen nicht allein abstrakte moralische Fragen, sondern die Lebensrealitäten betroffener Menschen. Gute Gesetze sind solche, die entstigmatisieren, die Rechte aller Betroffenen schützen und dabei der Diversität von komplexen Lebensrealitäten gerecht werden. Wir begrüßen, dass mit Prof. Dr. Daphne Hahn und Prof. Dr. Maika Böhm zwei Wissenschaftlerinnen in der Kommission mitarbeiten, die derzeit im Projekt ‚Elsa‘ die Erfahrungen und Lebenslagen von ungewollt Schwangeren untersuchen, die Lebensrealität derjenigen, die von den gesetzlichen Regelungen betroffen sind“, sagt Monika Börding.

Neben menschenrechtsbasierten Gesetzesänderungen dringt pro familia zudem auf die Umsetzung der weiteren Vorhaben der Bundesregierung im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit und Rechte. Dies sind insbesondere Maßnahmen für die Versorgungssicherheit zum Schwangerschaftsabbruch und für den Schutz von Ratsuchenden vor Belästigung sowie die Kostenübernahme für Verhütungsmittel.

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Das Recht der Frau auf selbstbestimmte Entscheidung. pro familia Position zum Schwangerschaftsabbruch. pro familia Bundesverband 2012

Schwangerschaftsabbruch. Fakten und Hintergründe. pro familia Bundesverband 2017

Für eine rechtebasierte Fortpflanzungsmedizin. pro familia Position zur rechtlichen Regelung reproduktionsmedizinischer Verfahren. pro familia Bundesverband 2022

26.1.2023: pro familia begrüßt Leitlinie zum Schwangerschaftsabbruch und die schon jetzt angekündigte Weiterentwicklung

Der erste Schritt ist getan, aber die Haupthürden sind noch nicht genommen

Heute hat die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V. (AWMF) die neue Leitlinie Schwangerschaftsabbruch im ersten Trimenon veröffentlicht. Dazu erklärt der pro familia Bundesverband:

pro familia begrüßt die neue S2k-Leitlinie Schwangerschaftsabbruch im ersten Trimenon. Endlich ist die Durchführung und Überwachung eines Schwangerschaftsabbruchs sowie die Methodenwahl zumindest im ersten Schwangerschaftsdrittel in einer Leitlinie geregelt. Die Leitlinie wird Ärzt*innen sowie Berater*innen und Ratsuchenden mehr Sicherheit geben, dass das Prozedere eines Schwangerschaftsabbruchs nach evidenzbasierten Erkenntnissen verläuft. pro familia hat zusammen mit anderen Organisationen an der Leitlinie mitgearbeitet und konnte wichtige Akzente setzen.

Besonders wichtig ist an der Leitlinie, dass beide Methoden des Schwangerschaftsabbruchs, der instrumentelle und der medikamentöse, ausführlich behandelt werden. Es hat sich immer wieder gezeigt, dass der Anteil der medikamentösen Methode in Deutschland viel niedriger ist als im internationalen Vergleich und nicht alle Klient*innen, die es wünschen, diese Methode wählen können. Die Leitlinie kann dazu beitragen, dass sich das künftig ändert.

pro familia lobt, dass die Leitlinie die Empfehlung enthält, dass Frauen, die einen Schwangerschaftsabbruch erwägen, frühzeitig evidenzbasierte Informationen und Unterstützung angeboten bekommen sollen. Diese sollen sie befähigen, eine informierte, selbstbestimmte Entscheidung zu treffen. Zudem wird in der Leitlinie ein respektvoller Umgang mit den Bedürfnissen der schwangeren Frau angemahnt, ebenso wie die Sicherstellung von Vertraulichkeit, ausreichend Zeit sowie eine wertneutrale, nicht bewertende Haltung der Professionellen gegenüber der Entscheidung der Betroffenen.

Bedauerlicherweise konnten in den Leitlinien nicht mehr die neuen WHO-Richtlinien zum Schwangerschaftsabbruch („Abortion care guideline“) berücksichtigt werden. Dies muss in der der geplanten S3-Leitlinie zum Schwangerschaftsabbruch nachgeholt werden, denn die WHO-Richtlinie stellt auf der Basis internationaler wissenschaftlicher Evidenz zu klinischen Aspekten die zurzeit maßgeblichen Empfehlungen und Erklärungen zur Best Practice beim Schwangerschaftsabbruch zusammen.

pro familia hebt hervor, dass für eine Versorgung zum Schwangerschaftsabbruch in Deutschland nach den Richtlinien der WHO die Rahmenbedingungen für die Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen im Gesundheitssystem und die gesetzlichen Regelungen reformiert werden müssen. Im Sinne einer menschenrechtsbasierten Gesundheitsversorgung spricht sich die WHO für die Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruch und gegen Zugangsbeschränkungen durch Indikationen, Fristen, verpflichtenden Wartezeiten und Pflichtberatung aus.

pro familia mahnt an dieser Stelle an, dass die ebenfalls dringend benötigte Leitlinie für Schwangerschaftsabbrüche im zweiten und dritten Trimenon nach wie vor fehlt.

26.1.2023

Link zur S2k-Leitlinie Schwangerschaftsabbruch im ersten Trimenon

Link zur neuen WHO-Richtlinie „Abortion care guideline“

 

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pro familia fordert Bundesregierung zum Handeln auf und bietet Unterstützung an

Die Bundesregierung hat die Einsetzung einer Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin für diesen Herbst angekündigt. Nun ist das Jahr fast vorbei und die Kommission wurde noch nicht eingesetzt. pro familia fordert die Bundesregierung auf, die Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung umgehend einzusetzen. Gleichzeitig weist der Verband auf die vorhandene nationale und internationale Expertise hin und bietet seine Unterstützung an.

„Die Arbeit der Regierungskommission zur reproduktiven Selbstbestimmung darf kein Selbstzweck sein“, erklärt Monika Börding, Vorsitzende des pro familia Bundesverbands. „Ihr Ziel muss sein, eine solide Grundlage für Gesetzesänderungen in dieser Wahlperiode zu erarbeiten. Wenn die Regierung Gesetzesänderungen zum Schwangerschaftsabbruch in dieser Wahlperiode erreichen will, darf sie  keine Zeit verlieren, sondern muss die Kommission zügig einsetzen und ihre Arbeit umfassend unterstützen.“

Die Regierung kann dabei auf die Fachkenntnisse und Unterstützung von Wissenschaftler*innen und Praktiker*innen zu den verschiedenen Aspekten der Regelung des Schwangerschaftsabbruchs zählen. Institutionen der Zivilgesellschaft haben sich in den letzten Jahren intensiv mit den Problemstellungen und mit Lösungsansätzen auseinandergesetzt. Mit seinem heute veröffentlichten Policy-Paper zu einem neuen Regelungsmodell zum Schwangerschaftsabbruch leistet der Deutsche Juristinnenbund einen wichtigen Beitrag zu dieser Auseinandersetzung. Aufbauend auf seine Empfehlungen von 2012 erarbeitet der pro familia Bundesverband ebenfalls eine umfassende Positionierung. Dem Beispiel anderer Regierungen folgend sollte die Bundesregierung die Weltgesundheitsorganisation bitten, den deutschen Gesetzesreformprozess durch ihre wissenschaftliche Expertise zu unterstützen.

Der §218 StGB steht aus guten Gründen auf dem Prüfstand. Die Versorgungslage zum Schwangerschaftsabbruch verschlechtert sich. Die Stigmatisierung und Kriminalisierung Schwangerer und derjenigen, die sie bei einem sicheren Schwangerschaftsabbruch unterstützen, ist nicht länger haltbar.

Es ist geplant, dass sich die Kommission auch mit der Fortpflanzungsmedizin befassen wird. Dies ist ein wichtiger Schritt, denn auf diesem Gebiet besteht erhebliche Rechtsunsicherheit und Bedarf nach einer gesellschaftspolitischen Auseinandersetzung zu Regelungsoptionen.

Link zum pro familia Positionspapier zum Schwangerschaftsabbruch

Link zum pro familia Positionspapier zu Reproduktionsmedizin

Link zur Richtlinie der WHO „Abortion care guideline“ (2022)

 

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pro familia ist besorgt über die Kampagne gegen Gabie Raven und bekräftigt Forderung von Schutzzonen

In Dortmund hat die Ärztin Gabie Raven eine Tagesklinik zur Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen eröffnet. Sie trägt dazu bei, dass die Versorgung beim Schwangerschaftsabbruch in NRW verbessert wird. Seitdem hetzen Gegner*innen reproduktiver Selbstbestimmung gegen die Ärztin und ihre Praxis, senden diffamierende Schreiben an die Vermieter der Praxisräume und demonstrieren vor der Klinik, so auch heute. Mit dieser Kampagne soll die Ärztin eingeschüchtert und zur Aufgabe ihrer Klinik bewegt werden. pro familia ist über diese Entwicklung sehr besorgt und erneuert ihre Forderung nach Schutzzonen beim Schwangerschaftsabbruch, die für Praxen, Kliniken und Beratungsstellen gelten sollen.

„Wir dürfen die Einschüchterungsversuche nicht hinnehmen“, erklärt Monika Börding, Vorsitzende des pro familia Bundesverbands. „Fundamentalist*innenwollen ungewollt Schwangere zum Austragen der Schwangerschaft zwingen und bezeichnen Ärzt*innen, die sie darin unterstützen, als Mörder*innen. Vor Praxen, Kliniken und Schwangerschaftsberatungsstellen haben sie nichts verloren. Gabie Raven erfüllt wie alle Ärzt*innen, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen, einen gesetzlich verankerten Versorgungsauftrag. Unsere Gesellschaft darf nicht zulassen, dass diese ärztliche Versorgung angegriffen wird.“

„Abtreibungsgegner*innen bedrohen mit ihren Attacken Ärzt*innen, die notwendiger Teil der medizinischen Versorgung von schwangeren Frauen in Deutschland sind.“, so Börding weiter. „Wir rufen alle fortschrittlichen Kräfte der Gesellschaft dazu auf, sich auf die Seite der Frauenrechte zu stellen und sich mit Gabie Raven zu solidarisieren. Von der Bundespolitik erwarten wir, dass sie die Angriffe gegen Ärzt*innen erst nimmt und bei der Planung von Schutzzonen, wie wir sie für Schwangerschaftsberatungsstellen seit langem fordern, berücksichtigt.“

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pro familia begrüßt, dass Ärzt*innen künftig umfassend über den Schwangerschaftsabbruch informieren dürfen und stellt Praxen und Kliniken Hinweise zum Informationsbedarf zur Verfügung

Heute hat der Deutsche Bundestag die Streichung des §219a StGB aus dem Strafgesetzbuch beschlossen. Dazu erklärt der pro familia Bundesverband:

Endlich ist der Strafrechtsparagraph Geschichte, der die Informationsrechte von Ratsuchenden und Ärzt*innen so lange verletzt hat. Sobald die Änderung in Kraft tritt, können Ärzt*innen niedrigschwellig im Netz darüber informieren, dass sie Schwangerschaftsabbrüche durchführen, mit welcher Methode sie das tun, und sie können zusätzliche Informationen zur Verfügung stellen, die sie für die Patient*innen als wichtig erachten. Dies können etwa Erläuterungen zum Ablauf, zu den Kosten und zu organisatorischen Fragen sein. Mit Werbung hat das alles nicht zu tun, wie Gegner*innen der Streichung während der Debatte immer wieder behauptet haben. Der §219a StGB hatte statt der „Verhinderung von Werbung“ vor allem eine fatale Folge: er ermöglichte fundamentalistischen Gegner*innen der Selbstbestimmung, Ärzt*innen anzuzeigen, wenn sie auf ihrer Webseite über den Schwangerschaftsabbruch informierten. Damit ist nun endlich Schluss. Zu verdanken ist das Ärzt*innen wie Kristina Hänel, die sich nicht mit einer Verurteilung nach §219a StGB abgefunden, sondern den Paragraphen infrage gestellt haben.  Ohne ihren Mut und ihr Durchhaltevermögen wäre es jetzt nicht zur Abschaffung gekommen.

Aus unserer Arbeit wissen wir, dass sich ungewollt Schwangere Informationen darüber wünschen, wo Ärzt*innen einen Schwangerschaftsabbruch durchführen, welche Methoden sie anbieten und welche Erfahrungen es dazu gibt. Diese Infos niedrigschwellig zu erlangen, gehört zu einer qualitativ guten Versorgung dazu. Ungewollt Schwangere möchten diese Informationen nach unseren Erfahrungen direkt bekommen und nicht vermittelt über die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Dazu kommt, dass ungewollt Schwangere die Informationen gleich am Anfang ihres Weges zum Schwangerschaftsabbruch suchen und nicht erst, wenn sie in der gynäkologischen Praxis oder in der Beratungsstelle sind.

Durch die Streichung des §219a aus dem Strafgesetzbuch wird dies leichter möglich sein, denn Praxen und Kliniken können künftig direkt auf ihren Webseiten Informationen platzieren. pro familia ist davon überzeugt, dass viele ihr Angebot online sichtbar machen werden, um ihren Patient*innen einen Zugang zu allen wichtigen Informationen rund um den medizinischen Eingriff Schwangerschaftsabbruch zu ermöglichen. Der pro familia Bundesverband hat die wichtigsten Fragen und Anliegen ungewollt Schwangerer aus der Beratungserfahrung heraus zusammengestellt und möchte Praxen und Kliniken damit eine Hilfestellung geben, mit welchen Informationen, Textbausteinen und Links sie die Informationen auf ihrer Homepage erweitern können. Interessierte Ärzt*innen können sich an die nächste pro familia Beratungsstelle wenden oder das Infoblatt beim pro familia Bundesverband anfordern.

 

Mit der Streichung des §219a StGB setzt Deutschland einen Teil seiner internationalen Menschenrechtsnormen und internationale Richtlinien zum Schwangerschaftsabbruch um. Diese verlangen, alle Einschränkungen des Rechts von Frauen und Menschen, die schwanger werden können, auf Zugang zu Diensten und Informationen zur sexuellen und reproduktiven Gesundheit aufzuheben und die Rechte und Bedürfnisse dieser Menschen zu respektieren. Auch die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt, Schwangerschaftsabbrüche sowie die Information darüber zu entkriminalisieren. Somit ist die Streichung des §219a StGB ist ein guter erster Schritt, er reicht jedoch nicht aus. Für pro familia ist unabdingbar, dass die gesetzliche Regelung des Schwangerschaftsabbruchs als solche auf den Prüfstand kommt. Wir brauchen eine evidenzbasierte Neuregelung, die sexuelle und reproduktive Rechte in den Mittelpunkt stellt.

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pro familia Bundesdelegiertenversammlung wählt Monika Börding zur neuen Vorsitzenden

Die pro familia Bundesdelegiertenversammlung fand am 8. Mai 2022 wegen der Pandemie erneut virtuell statt. Die Delegierten waren unter anderem zusammengekommen, um neue Vorstandsmitglieder zu wählen.

Die bisherige Bundesvorsitzende, Dörte Frank-Boegner, schied nach drei Jahren aus dem Bundesvorstand aus. Stephanie Schlitt, stellvertretende Vorsitzende, dankte ihr im Namen des Vorstands für das große Engagement, mit dem sie aus der Erfahrung der Beratungsarbeit heraus gemeinsam Ideen entwickelt und diese mit starker Stimme in die Politik eingebracht habe.

Die Delegierten wählten Monika Börding mit großer Mehrheit zur neuen Bundesvorsitzenden. Die Diplom-Pädagogin aus Bremen ist kein neues Gesicht im Verband: Von 2013 bis 2021 war sie Geschäftsführerin des pro familia Landesverbands Bremen. Sie freue sich, an der Weiterentwicklung von pro familia beteiligt zu sein, erklärte Monika Börding nach der Wahl. Der Verband läge ihr sehr am Herzen und Themen gebe es weiterhin genug.

„Selbstverständlich stellt der aktuelle Krieg in der Ukraine und die durch den Klimawandel entstehenden Fragen viele Themen in den Schatten. Gleichwohl gilt es weiterhin, Fragen der Selbstbestimmung und reproduktiven Rechte zu verteidigen und zu entwickeln. Diese stehen immer wieder auf dem Prüfstand, wie ein Blick auf die aktuelle Entwicklung in den USA zeigt. Aus meiner Sicht sind die anstehenden Fragen in Deutschland die Abschaffung des §219a StGB und eine Verbesserung der regionalen medizinischen Versorgung zum Schwangerschaftsabbruch“, sagte Börding. Sie verwies auf den Film ‚Wie wir wollen‘ des Kollektivs Kinokas aus Berlin, in dem alle Aspekte der aktuellen Debatte umfassend dargestellt seien.

Fiona Franz, Medizinstudentin an der Universität Hamburg und Gründungsmitglied von Medical Students for Choice Hamburg, wurde als stellvertretende Vorsitzende für eine weitere Wahlperiode wiedergewählt. Sie ist Mitglied des jungen Netzwerks pia – pro familia in action und möchte im Bundesvorstand ein Sprachrohr für die jungen Menschen bei pro familia sein.

9. Mai 2022

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pro familia fordert die Bundesregierung angesichts der erneuten Belagerung der Frankfurter Beratungsstelle zum Handeln auf

Erneut haben vor einer Schwangerschaftsberatungsstelle tägliche Versammlungen als Behinderung des Zugangs zum Schwangerschaftsabbruch begonnen. Sechs Wochen lang werden Ratsuchende, die die psychosoziale Beratung bei pro familia Frankfurt aufsuchen wollen, den Gebeten und Gesängen von „„40 Tage für das Leben“ ausgesetzt sein, einer religiös-fundamentalistischen Gruppe. Ratsuchende mit vielen Beratungsthemen zu Themen wie Schwangerschaft, Familienplanung, Sexualität und Partnerschaft, darunter Menschen mit ungewollter Schwangerschaft ebenso wie Menschen mit unerfülltem Kinderwunsch oder in schwierigen persönlichen oder familiären Situationen müssen Spalier laufen und werden mit Gesängen und Schockbildern bedrängt und daran gehindert, die Beratungsstelle aufzusuchen. Die Bundespolitik muss den freien Zugang zu den Beratungsstellen gewährleisten und Belagerungen von Beratungsstellen untersagen, fordert der pro familia Bundesverband.

Vor einigen Beratungsstellen von pro familia ist es Jahr für Jahr das gleiche Bild. An bestimmten Tagen im Monat – oder wie aktuell in der Fastenzeit – halten religiöse Gruppen sogenannte Mahnwachen ab und belästigen die Ratsuchenden. Der Versuch der Stadt Frankfurt, dies während der Öffnungszeiten und im Nahbereich der Beratungsstelle von pro familia gerichtlich untersagen zu lassen, scheiterte vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt. Das Verwaltungsgericht verwies auf die Versammlungs- und Meinungsfreiheit und erklärte, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht nicht vor der Konfrontation mit einer Meinung schütze, die als Stigmatisierung und Anprangerung empfunden würden.

„Diese Aussage zeugt von großer Fehleinschätzung um die Notwendigkeit einer geschützten, vertraulichen Atmosphäre in der psychosozialen Beratung. Menschen haben ein Recht auf Beratung, um in einer geschützten und vertraulichen Atmosphäre Fragen zu stellen, ihre Anliegen zu sortieren und Informationen zu bekommen“, erklärt Dörte Frank-Boegner, Bundesvorsitzende von pro familia. „Ratsuchende mit allen Anliegen haben ein Recht darauf, unbehelligt und ohne Spießrutenlauf eine Beratungsstelle aufzusuchen. Im Fall der Pflichtberatung vor einem Schwangerschaftsabbruch ist der Ausschluss einer Beeinflussung sogar ausdrücklich im Schwangerschaftskonfliktgesetz gefordert.“

„Alle Frauen, die ungewollt schwanger sind, befinden sich in einer akuten Notlage. Alle stehen unter Druck. Viele empfinden Scham- und Schuldgefühle. Einige haben Angst – bis hin zu Todesangst, weil niemand von der Schwangerschaft erfahren darf. Deshalb ist der geschützte und unbehelligte Beratungsrahmen so wichtig. Wird dieser nicht endlich durch ein Gesetz abgesichert, steht das Vertrauen in die Beratung auf dem Spiel“, sagt Claudia Hohmann, Leiterin der pro familia Beratungsstelle Frankfurt.

Im letzten Jahr hat das Verwaltungsgericht Karlsruhe ähnliche Versammlungen vor der Beratungsstelle in Pforzheim untersagt. Dieses Gericht ging von einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Ratsuchenden aus, die Versammlung sei darauf ausgerichtet gewesen, die Ratsuchenden einer Anprangerung und Stigmatisierung auszusetzen.

„Wir können nicht hinnehmen, dass in jeder Stadt der Schutz der Beratung neu durchgefochten werden muss“, betont Dörte Frank-Boegner. „Es ist Aufgabe der Bundespolitik, das Persönlichkeitsrecht der Ratsuchenden zu schützen, und zwar bundesweit. pro familia ist dankbar, dass das Thema Eingang in den Koalitionsvertrag gefunden hat. Doch nun müssen den Worten Taten folgen. Wir brauchen eine bundesweite Regelung, die die Rechte der Ratsuchenden respektiert.“

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17.1.2022: Endlich! Der §219a StGB ist bald Geschichte

Absperrband vor dem Brandenburger Tor mit der Aufschrift "Weg mit dem §219a"
© Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung

pro familia begrüßt Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDF) hat heute einen Referentenentwurf vorgelegt, der die ersatzlose Streichung des §219a aus dem Strafgesetzbuch vorsieht. Dazu erklärt der pro familia Bundesverband:

pro familia begrüßt den Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums und das Vorhaben, den §218 StGB ersatzlos zu streichen. Dieser Schritt ist überfällig, denn der Paragraph verletzt die Informationsrechte von Ratsuchenden und Ärzt*innen. Künftig können sich ungewollt Schwangere niedrigschwellig im Netz darüber informieren, wo es in ihrer Nähe eine Praxis oder eine Klinik gibt, die Schwangerschaftsabbrüche durchführt. Sie können auf der Webseite der Praxis/der Klinik die Informationen abrufen, die die Einrichtungen für Patient*innen als wichtig erachten, etwa zur angewandten Methode, zum Ablauf, zu den Kosten und zu organisatorischen Fragen. Ärzt*innen und Kliniken können nach der Streichung des §219a StGB nicht mehr von fundamentalistischen Gegner*innen der Selbstbestimmung angezeigt werden, weil sie diese Informationen bereitstellen.

„Informationen für Patient*innen sollten eigentlich selbstverständlich sein. Bisher wurden sie aber durch den Strafrechtsparagraphen als ‚Werbung‘ eingestuft und bestraft“, erklärt Dörte Frank-Boegner, Vorsitzende des pro familia Bundesverbands. „Die Streichung des §219a aus dem Strafgesetzbuch ist ein wichtiges Mittel gegen die Desinformation. Denn der direkte Weg von der informationssuchenden Person zu der Person, die sie geben kann und will, wird künftig gewährleistet sein.“

Gleichzeitig stellt pro familia fest, dass die Streichung von §219a ein guter erster Schritt ist, jedoch nicht ausreicht. Es ist wichtig, dass die gesetzliche Regelung des Schwangerschaftsabbruchs als solche auf den Prüfstand kommt und ein menschenrechtskonformes Gesetz außerhalb des Strafrechts geschaffen wird.

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Der pro familia Bundesverband ist bestürzt, dass Demonstrationen von Fundamentalist*innen vor der Beratungsstelle in Frankfurt für rechtmäßig erklärt werden

Mit großer Bestürzung hat der pro familia Bundesverband die Entscheidung des Verwaltungsgerichts in Frankfurt am Main zur Kenntnis genommen, laut der Einschränkungen gegen die Demonstration von religiösen Fundamentalist*innen im Frühjahr 2021 rechtswidrig gewesen seien. Es darf keinen Spießrutenlauf für Menschen geben, die wegen einer Beratung vor einem möglichen Schwangerschaftsabbruch die pro familia Beratungsstelle aufsuchen, so der Verband. Mit der Versammlungsfreiheit zu begründen, dass Ratsuchende stigmatisiert und gedemütigt werden, ist eine Ohrfeige für die im Schwangerschaftskonfliktgesetz verbrieften Rechte. Nun muss die Bundespolitik tätig werden und Gehsteigbelästigungen vor Beratungsstellen verbieten.

Die Stadt Frankfurt am Main hatte im Frühjahr verfügt, dass sich eine religiös-fundamentalistische Gruppe nur außerhalb der Öffnungszeiten von pro familia vor der Beratungsstelle versammeln darf. Während der Öffnungszeiten war die Versammlung lediglich in weiterer Entfernung zum Schutz der die Beratungsstelle aufsuchenden Personen erlaubt. Ein religiöser Verein hatte gegen diese Einschränkung geklagt und nun vom Verwaltungsgericht Frankfurt am Main Recht bekommen. Die Zusammenkunft der Teilnehmer*innen falle unzweifelhaft unter das die Versammlungsfreiheit schützende Grundrecht aus Art. 8 Grundgesetz, so das Gericht.

„Die Versammlungsfreiheit ist geschützt, aber wer schützt die Ratsuchenden vor religiösen Eiferern?“, fragt Dörte Frank-Boegner, Bundesvorsitzende von pro familia. „Belagerungen, die unmittelbar vor dem Eingang von Beratungsstellen stattfinden, beeinträchtigen die Arbeit der Beratungsstellen in hohem Maße. Sie beeinflussen Ratsuchende mit Parolen, lauten Gebeten und Gesängen. Der Gang in die gesetzlich vorgeschriebene Beratung vor einem möglichen Schwangerschaftsabbruch wird auf diese Weise zu einem Spießrutenlauf. Wir brauchen dringend geschützte Zonen vor Beratungsstellen, damit die Rechte der Menschen, die Unterstützung benötigen, gewahrt bleiben.“

Im Mai dieses Jahres kam das Verwaltungsgericht Karlsruhe zudem zu einem anderen Urteil als das VG Frankfurt. Es hatte zeitliche und räumliche Einschränkungen der Demonstrationen vor der Pforzheimer Beratungsstelle für rechtmäßig erklärt, da „weder die Versammlungsfreiheit noch die Meinungsfreiheit oder die Glaubens- und Bekenntnisfreiheit den Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der die Schwangerschaftsberatungsstelle aufsuchenden Frauen rechtfertige“.

„Dass nun das VG Frankfurt urteilt, selbst die von schwangeren Frauen als Stigmatisierung und Anprangerung empfundene Situation rechtfertige nicht die Einschränkungen der Versammlungsfreiheit, können wir nicht hinnehmen. Wir erinnern die Ampel-Koalition an ihr Versprechen im Koalitionsvertrag, sich mit dem Thema Gehsteigbelästigungen zu befassen. Das Urteil aus Frankfurt zeigt die Dringlichkeit, da schon bald wieder Fundamentalist*innen in Frankfurt Ratsuchende behelligen können“, erklärt Frank-Boegner.

„Schutzzonen vor Schwangerschaftsberatungsstellen – Stellungnahme des pro familia Bundesverbands zur Anhörung im Hessischen Landtag“ (2019)

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pro familia begrüßt Pläne zur Stärkung der reproduktiven Selbstbestimmung

Die Ampel-Koalition hat vielversprechende Änderungen bezüglich der reproduktiven Selbstbestimmung vorgesehen. Der pro familia Bundesverband begrüßt die geplante Streichung des §219a aus dem Strafgesetzbuch und unterstützt die Initiative der Ampel Koalition, eine außerstrafrechtliche Lösung zur Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs voran zu bringen.

Der Koalitionsvertrag zwischen SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen sieht die Streichung des §219a aus dem Strafgesetzbuch vor. Damit wird es Ärzt*innen endlich möglich sein, auf ihren Webseiten zu informieren, dass und wie sie den Schwangerschaftsabbruch in ihrer Praxis durchführen. Prozesse gegen Ärzt*innen, die ihre Patient*innen online ausführlicher aufklären wollen, werden endlich der Vergangenheit angehören.

„Wir begrüßen das Vorhaben der Koalition und freuen uns, dass die Informationsrechte von Ärzt*innen und Klient*innen gestärkt werden“, erklärt Dörte Frank-Boegner, Bundesvorsitzende von pro familia. „Damit wird eine Rechtssicherheit geschaffen und es wird verhindert, dass Gegner*innen reproduktiver Selbstbestimmung Ärzt*innen anzeigen und an den Pranger stellen können. Wir haben uns lange für die Streichung des §219a StGB eingesetzt und freuen uns, dass dieses Ziel nun bald erreicht sein wird.“

Im Kapitel „Reproduktive Selbstbestimmung“ des Koalitionsvertrags sind weitere Vorhaben aufgelistet, die schon lange auf der Wunschliste von pro familia stehen, zum Beispiel die Übernahme von Verhütungskosten für Menschen mit wenig Einkommen und diskriminierungsfreie Kinderwunschbehandlungen. Aus Sicht von pro familia sollte es für letztere zudem ausreichend neutrale und kostenfreie Beratungsangebote geben, damit Klient*innen sich gut informiert entscheiden können.

Insbesondere begrüßt pro familia die vorgesehene Einsetzung einer Kommission, die Regulierungen für den Schwangerschaftsabbruch außerhalb des Strafgesetzbuches prüfen wird.

„Wir freuen uns sehr, dass das Thema Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs Eingang in den Koalitionsvertrag gefunden hat“, so Frank-Boegner. „Wir haben mit vielen anderen Organisationen und Bündnissen anlässlich ‚150 Jahre §218 StGB‘ gezeigt, dass wir ein menschenrechtskonformes Gesetz brauchen, das unterstützt statt kriminalisiert. pro familia wird die weiteren Entwicklungen aufmerksam begleiten und bietet als Fachverband Unterstützung an.“

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 Zivilgesellschaftliches Bündnis appelliert an die Parteien, eine außerstrafrechtliche Neuregelung jetzt anzugehen

Die Abschlusserklärung des Kongresses „150 Jahre § 218 Strafgesetzbuch“, der Ende August 2021 stattfand, hat breite zivilgesellschaftliche Unterstützung gefunden. Mehr als 100 Verbände, Organisationen, Institutionen und Netzwerke aus dem Spektrum von Beratung, Gesundheit, Migration, Frauen- und Gleichstellungspolitik sowie mehr als 600 Einzelpersonen haben sie unterzeichnet. Dieses zivilgesellschaftliche Bündnis fordert eine außerstrafrechtliche Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs und appelliert an die Parteien, sich der Herausforderung einer lang überfälligen menschenrechtskonformen Gesetzesreform konstruktiv zu stellen.

„Eine moderne, umfassende gesetzliche Regelung des Schwangerschaftsabbruchs außerhalb des Strafgesetzes in Deutschland ist überfällig“, erklärt Stephanie Schlitt, stellvertretende Bundesvorsitzende. „Diese muss sich an den gesundheitlichen Belangen und der Selbstbestimmung von schwangeren Personen orientieren und internationale Menschenrechtsnormen respektieren.“

Im Zuge des Fachkongresses haben Fachbeiträge und die Erfahrungsberichte von Frauen, die eine Schwangerschaft abgebrochen haben, gezeigt, dass die Kriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs die Gesundheit von ungewollt Schwangeren in Deutschland gefährdet. Sie steht einer angemessenen Gesundheitsversorgung im Wege und ist eine der Ursachen dafür, dass in vielen Regionen Deutschlands erhebliche Versorgungslücken bestehen. Zudem erschwert das Strafrecht die Professionalisierung der medizinischen Aus- und Weiterbildung zum Schwangerschaftsabbruch und setzt Ärzt*innen unter Druck. Dabei zeigen die Erfahrungen anderer Länder, dass es möglich ist, den Schwangerschaftsabbruch außerhalb des Strafgesetzbuches zu regeln.

Die breite zivilgesellschaftliche Unterstützung der Abschlusserklärung verleiht der Forderung, eine außerstrafrechtliche Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs in der 20. Wahlperiode anzugehen, deutlichen Nachdruck.

Die Unterzeichnenden  haben den Vorständen von SPD, CDU, CSU, Bündnis 90/Die Grünen, FPD und der Linken die Abschlusserklärung des Kongresses heute zugesandt. In der jetzt anfangenden 20. Wahlperiode soll die Gesetzesreform angegangen werden, so die Forderung.

Zur Abschlusserklärung

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Über 700 Teilnehmende bei §218-Kongress

Über 700 Menschen haben sich für den Fachkongress „150 Jahre §218 StGB“ angemeldet. Für sie bietet der hybride Kongress am Freitag und Samstag (27.-28.8.21) in Berlin fachlichen Austausch, Information und Diskussion zu dem Thema Schwangerschaftsabbrüche. „Die hohe Zahl der Anmeldung zeigt, wie hoch das gesellschaftliche Interesse ist“, sagt Prof. Dr. Ulrike Lembke von der Humboldt-Uni Berlin. Sie ist Teil der Planungsgruppe aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft, welche den Kongress organisiert hat.

Schirmfrauen des Kongresses sind die Bundestagspräsidentin a.D. Prof. Dr. Rita Süssmuth und die Bundesfrauenministerin a.D. Dr. Christine Bergmann. Das Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend fördert den Kongress.

Seit 150 Jahren werden Schwangerschaftsabbrüche in §§218ff Strafgesetzbuch unter Strafe gestellt, was erhebliche Auswirkungen auf die reproduktive Gesundheitsversorgung und ärztliche Tätigkeit in Deutschland hat. Die Referentinnen des Kongresses hinterfragen diesen Status quo: „Unsere Gesellschaft darf Schwangere nicht schuldig sprechen, wenn sie sich für einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden. Beratung sollte nicht als Pflichtberatung institutionalisiert werden, sondern auf der Basis von Freiwilligkeit Räume öffnen, sich mit persönlichen Themen wie z.B. Familienplanung, Sexualität und Partnerschaft auseinanderzusetzen“, betont Dörte Frank-Boegner, Bundesvorsitzende von pro familia. „Eine evidenzbasierte, menschenrechtskonforme außerstrafrechtliche Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs ist notwendig. Was genau wir als Gesellschaft wollen – darüber müssen wir reden“, ergänzt die stellvertretende Vorsitzende Stephanie Schlitt.

Neben Fachvorträgen über die Geschichte und Konsequenzen des §218 StGB und Workshops u.a. zu Praxiserfahrungen in der psychosozialen Beratung vor Schwangerschaftsabbrüchen werden Vertreter*innen der Bundestagsparteien auf einem politischen Podium diskutieren. Zudem gibt es ein internationales Podium, um die Entwicklung von kriminalisierten Schwangerschaftsabbrüchen in anderen Ländern nachzuzeichnen. Den Abschluss des Kongresses bildet eine gemeinsame Erklärung der Veranstalter*innen zur Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen.

Link zur Kongresswebseite

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27.9.2021: Safe Abortion Day 2021: Weg mit den Paragraphen 218 und 219 – Neuregelung jetzt!

Kampagnenlogo, Stoppschild mit der Aufschrift "§218", darüber der Text "150 Jahre Kriminalisierung sind genug" und darunter "Schwangerschaftsabbruch - Recht statt Verurteilung"

Informationsverbote, Stigmatisierung und Barrieren bei der Versorgung – dies kennzeichnet die derzeitige Lage beim Schwangerschaftsabbruch in Deutschland. Die diesjährige Kampagne „150 Jahre Kriminalisierung sind genug“ hat gezeigt: Viele Menschen haben genug von den Auswirkungen des Paragraphen 218, der den Schwangerschaftsabbruch direkt hinter Mord und Totschlag im Strafgesetzbuch ansiedelt. pro familia fordert anlässlich des Safe Abortion Day am 28. September zusammen mit vielen Organisationen und Einzelpersonen eine neue Regelung außerhalb des Strafrechts. Die neue Bundesregierung muss jetzt handeln und die Kriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs endlich beenden.

„Wir brauchen eine zeitgemäße, umfassende gesetzliche Regelung des Schwangerschaftsabbruchs, die sich an internationalen Menschenrechten orientiert und die Selbstbestimmung in den Mittelpunkt stellt“, erklärt die pro familia Bundesvorsitzende Dörte Frank-Boegner.

Die Kriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs gefährdet die Gesundheit von ungewollt Schwangeren. Sie behindert eine ausreichende Gesundheitsversorgung, denn die strafrechtliche Regelung ist eine der Ursachen dafür, dass in vielen Regionen Deutschlands erhebliche Versorgungslücken bestehen. Zudem erschwert das Strafrecht die Professionalisierung der medizinischen Aus- und Weiterbildung zum Schwangerschaftsabbruch, setzt Ärzt*innen unter Druck und verhindert die Kostenübernahme durch die Krankenkassen.

Des Weiteren werden der Schwangerschaftsabbruch und diejenigen, die ihn durchführen oder durchführen lassen, durch die Strafandrohung stigmatisiert. Dabei zeigen Beispiele aus Irland, Kanada und Neuseeland, dass es möglich ist, einen Schwangerschaftsabbruch außerhalb des Strafgesetzbuches zu regeln.

„Unsere Gesellschaft darf Schwangere nicht schuldig sprechen, wenn sie sich für einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden. Beratung sollte nicht als Pflichtberatung institutionalisiert werden, sondern auf der Basis von Freiwilligkeit“, so Frank-Boegner.

pro familia setzt sich dafür ein, dass für diejenigen, die es wünschen, ein Schwangerschaftsabbruch als Option zur Verfügung steht – ohne Stigmatisierung, Bevormundung und mit aller Unterstützung.

Neben dem §218 muss auch der §219a aus dem Strafgesetzbuch gestrichen werden. Dieser Paragraph kriminalisiert Ärzt*innen, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen und darüber informieren. Gerade hat der Bundesrat den Vorstoß einiger Bundesländer, den §219a StGB abzuschaffen, abgelehnt. Dabei ist der §219a StGB ein grober Verstoß gegen das Recht auf Information, dass Ärzt*innen verweigert wird, über die Methoden, die sie bei einem Schwangerschaftsabbruch anwenden, aufzuklären. Ebenso müssen sich Patient*innen darüber online informieren können.

Am 28.9.2021 finden in vielen Städten Aktionen zum Safe Abortion Day statt, die die Streichung der §§218,219 aus dem Strafgesetzbuch zum Ziel haben. Eine Übersicht ist hier zu finden: www.wegmit218.de/termine/

 

 

12.5.2021: 150 Jahre Kriminalisierung sind genug!

Aktionslogo 150 Jahre §218 StGB

Bundesweiter Aktionstag am 15. Mai 2021

Vor 150 Jahren, am 15. Mai 1871, wurde die gesetzliche Regelung zum Schwangerschaftsabbruch im Reichsstrafgesetzbuch verabschiedet. Noch heute sind Schwangerschaftsabbrüche nach §218 StGB eine Straftat. Die Verankerung der bestehenden gesetzlichen Regelungen zum Schwangerschaftsabbruch im Strafgesetzbuch diskriminiert Frauen* durch massive Einschränkung ihrer Entscheidungsfreiheit und Selbstbestimmung. Außerdem führt die damit einhergehende Stigmatisierung dazu, dass die Versorgung ungewollt schwangerer Frauen* erschwert wird. Zusammen mit den 120 Organisationen, die den Aufruf des Bündnisses für sexuelle Selbstbestimmung unterstützen, fordert pro familia eine Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs. Am kommenden Samstag, den 15. Mai 2021 werden bundesweit Aktionen stattfinden, die die Forderung nach einer Neuregelung in den Mittelpunkt stellen.

Es gibt viele Gründe, die die Notwendigkeit einer außerstrafrechtlichen Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs unterstreichen: Der §218 StGB stigmatisiert den Schwangerschaftsabbruch und führt dazu, dass er nicht als Grundversorgung gilt; dies wiederum hat Zugangsbarrieren und eine unzureichende Versorgungsqualität zur Folge. Während sich die wissenschaftliche Evidenzbasis, Menschenrechtsnormen sowie die Gesetzeslage in vielen Ländern zum Schwangerschaftsabbruch weiterentwickelt haben, erleben die Menschen in Deutschland eine restriktive Gesetzeslage, die das Selbstbestimmungsrecht von Frauen* missachtet. pro familia stellt fest: 150 Jahre Kriminalisierung sind genug! Der §218 StGB ist nicht zeitgemäß und gehört auf den Prüfstand.

„Die Regelung des Schwangerschaftsabbruchs in Deutschland geht uns alle an. Wir alle sind gefragt, wenn es darum geht, ob und wie Menschen ermöglicht wird, selbstbestimmte Entscheidungen zur Schwangerschaft und Elternschaft zu treffen“ erklärt die pro familia Bundesvorsitzende Dörte Frank-Boegner. „Eine Pflichtberatung im Kontext von Kriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs ist nicht länger tragbar. Vielfältige Aktionen bundesweit werden zeigen, dass die Menschen sich eine neue Regelung wünschen, die sie, ihre Bedürfnisse und ihre Selbstbestimmungsrechte ernst nimmt.“

Trotz Pandemie werden an vielen Orten Menschenketten, Kundgebungen und Demonstrationen stattfinden. In den Social-Media-Kanälen kann die Kampagne unter den Hashtags #150Jahre218, #150JahreKriminalisierung, #RechtStattVerurteilung, und #wegmit218 verfolgt werden. Die aktuelle Liste der Veranstaltungen rund um dem 15. Mai ist hier zu finden. Auch auf der pro familia Webseite, auf twitter und auf facebook können die Aktionen mitverfolgt werden.

* Mit der Bezeichnung Frauen* meinen wir alle Menschen, die schwanger werden können.

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pro familia Bundesdelegiertenversammlung tagte virtuell

Der pro familia Bundesverband will klarer herauszuarbeiten, welche Kriterien für eine Regelung des Schwangerschaftsabbruchs außerhalb des Strafgesetzbuchs wichtig sind. Außerdem wählte der Verband einen neuen Vorstand. Die pro familia Bundesdelegiertenversammlung fand gestern coronabedingt erstmals virtuell statt.

Die pro familia Delegierten stellten fest, dass wichtige Ziele des Verbands noch nicht erreicht sind. Insbesondere die Festschreibung des Schwangerschaftsabbruchs im Strafgesetzbuch führe zu einer Kriminalisierung des freiwilligen, sicheren Schwangerschaftsabbruchs, heißt es im BDV-Beschluss, der gestern verabschiedet wurde. Dies könne pro familia nicht akzeptieren, es brauche es dringend eine Lösung in Form einer gesetzlichen Neuregelung.

Um den dafür notwendigen Prozess der gesellschaftspolitischen und politischen Auseinandersetzung voranzubringen, wird der Verband Prüfsteine zur Bewertung der Vorschläge für eine gesetzliche Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs erarbeiten, ebenso wie eine Positionierung des Verbands zur Reform des §218 StGB. Basierend auf der Erfahrung aus der Schwangerschaftsberatung sollen hierbei insbesondere die geltende gesetzliche Verpflichtung zur Beratung und die obligatorische Wartezeit nach dieser Beratung in den Blick genommen werden. Denn der Rechtsanspruch auf eine freiwillige, kostenfreie Beratung in allen Fragen der Schwangerschaft und des Schwangerschaftsabbruchs ist ein essenzielles Element einer menschenrechts- und evidenzbasierten Regelung des Schwangerschaftsabbruchs, so der Beschluss.

„pro familia fordert eine menschenrechtskonforme und evidenzbasierte Neureglung des § 218“, erklärte die Bundesvorsitzende Dörte Frank-Boegner. „Der §218 StGB stigmatisiert den Schwangerschaftsabbruch grundsätzlich und zugleich diejenigen, die einen Schwangerschaftsabbruch durchführen oder durchführen lassen. Eine Pflichtberatung im Kontext einer Kriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs ist nicht länger tragbar und muss entschieden abgelehnt werden. Der §218 StGB ff. schafft in der Praxis die Grundlage dafür, dass der Schwangerschaftsabbruch nicht als Grundversorgung gilt. Die medizinische Versorgung zum Schwangerschaftsabbruch muss dringend verbessert werden.“

Die Delegiertenversammlung verabschiedete Bundesschatzmeister Dr. Dirk-Oliver Kaul und wählte Anke Pätsch zu seiner Nachfolgerin. Anke Pätsch ist Mitglied der Geschäftsleitung beim Bundesverband Deutscher Stiftungen und dort für Internationale Beziehungen und das Thema Diversität zuständig. Neu gewählt wurde außerdem als Nachfolgerin von Alina Marlene Schmitz Fiona Franz, die derzeit in Hamburg Medizin studiert. Für zwei bzw. drei Jahre wiedergewählt wurden die stellvertretenden Vorsitzenden Stephanie Schlitt und Jann Schweizer. Die nächste Bundesdelegiertenversammlung soll im Mai 2022 in Sachsen offline stattfinden – nach hoffentlich erfolgreich überwundener Corona-Pandemie.

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Erneut ist ein Arzt wegen §219a StGB angeklagt worden. Der Gynäkologe Detlef Merchel klärt Frauen und Menschen mit Uterus auf seiner Webseite darüber auf, was sie im Falle einer ungewollten Schwangerschaft machen können. Er nennt Anlaufstellen, Ansprechpartner*innen und klärt über die Methoden auf und stellt den Ablauf eines Schwangerschaftsabbruchs dar. Er geht seiner ärztlichen Aufgabe nach: Aufklärungsarbeit. Aber durch den §219a können Abtreibungsgegner*innen dies als „Werbung“ deklarieren und ihn deshalb anzeigen.

Information ist aber keine Werbung. Wir erklären uns deshalb gemeinsam mit vielen weiteren Organisationen solidarisch mit dem Frauenarzt Detlev Merchel und fordern seinen Freispruch sowie die Abschaffung des §219 StGB. Die Pressemitteilung mit den Namen der unterzeichnenden Organisationen ist hier zu finden.

Die Gerichtsverhandlung soll am Donnerstag, den 20.5.2021, um 10:45 Uhr vor dem Amtsgericht Coesfeld, Münsterland stattfinden.

 

29.3.2021: Menschen mit Beeinträchtigungen sind von unverhältnismäßigen Einschränkungen betroffen

pro familia bietet Einrichtungen Unterstützung in Pandemiezeiten an

Während der Corona-Pandemie sind Menschen mit Beeinträchtigungen ziemlich aus dem Blickfeld geraten. Sie sind, vor allem wenn sie in Einrichtungen leben, in besonderem Maße von den Einschränkungen der Pandemie betroffen. Die Kontaktbeschränkungen, an die sie sich wie alle halten müssen, führen bei vielen dazu, dass sie Beziehungen und Sexualität nicht mehr leben können. Viele reagieren mit Rückzug und leben in Isolation. Es ist zu befürchten, dass sie die Kontaktbeschränkungen und die Angst vor Infektion so verinnerlichen, dass sie später Schwierigkeiten haben werden, überhaupt eine Beziehung einzugehen. Menschen mit Beeinträchtigung brauchen Unterstützung, sich als sexuelle Wesen zu erleben, stellt der pro familia Bundesverband fest. Sie benötigen Betreuungs- und Bezugspersonen, die das Problem erkennen und handeln. Zudem müssen Pandemiepläne so überarbeitet werden, dass Menschen mit Beeinträchtigungen nicht von unverhältnismäßigen Einschränkungen betroffen sind.

Die Angst vor Covid-19 hat dazu geführt, dass es in den meisten Einrichtungen für Menschen mit Beeinträchtigungen strenge Kontaktbeschränkungen gibt. Aus Angst vor Infektion dürfen sich Beziehungspartner*innen nur noch im Freien mit Mundschutz treffen. Berührungen, Umarmungen, Küsse oder gar Sexualität sind nicht erlaubt. Diese Einschränken betreffen natürlich alle Menschen, die in Einrichtungen leben. Menschen, die sowieso Unterstützung und Anleitung benötigen, um eine Beziehungen und Sexualität leben zu können, sind allerdings in weit höherem Maße betroffen.

Aus den Beratungsstellen wissen wir, dass die konkrete Nachfrage nach Information und Beratung rund um Sexualität und Partnerschaft von Menschen mit Beeinträchtigungen bzw. ihren Bezugspersonen während der Pandemie stark abgenommen hat. Der Bedarf allerdings nicht. Der Kontakt zu den Beratungsstellen kommt jedoch oft nicht zustande, weil das in den Einrichtungen keine Unterstützung erfährt. Menschen mit Beeinträchtigungen können nur selten selbstständig telefonieren oder einen Videotermin wahrnehmen. Oft wissen sie nicht, dass die Hilfsangebote der Beratungsstellen auch während der Pandemie erreichbar sind.

„Wir wollen auf die Situation von Menschen mit Beeinträchtigungen in der Pandemie aufmerksam machen, denn die Ausgangsbeschränkungen und des Hygieneschutz schränken ihre Rechte unverhältnismäßig stark ein“, betont Dörte Frank-Boegner, Bundesvorsitzende von pro familia. „Es muss Menschen mit Beeinträchtigungen erlaubt sein, ihre Partner*innen zu treffen, Berührungen zu haben und körperliche Nähe und Sexualität zu leben. Außerdem soll ihnen der Zugang zu Beratung ermöglicht werden. Unsere Beratungsstellen sind weiterhin für Menschen mit Beeinträchtigungen da. Wir wollen Einrichtungen nach wie vor gerne mit Information und Beratung unterstützen und wünschen uns, dass die Bezugspersonen den Kontakt zu den Menschen mit Beeinträchtigungen herstellen, die Beratungsbedarf haben. Bezugspersonen, welche die emotionalen Bedürfnisse ihrer Schutzbefohlenen gut im Blick haben, können dazu beitragen, sie nach und nach und Stück für Stück in die Normalität zu führen.“

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23.3.2021: Ein fundamentaler Schlag gegen Frauenrechte

pro familia verurteilt den Austritt der Türkei aus der Istanbul-Konvention und fordert Rücknahme der Entscheidung

Mit Entsetzen hat pro familia den Austritt der türkischen Regierung aus der Istanbul-Konvention zur Kenntnis genommen. Zwar gab es seit der Ratifizierung des Abkommens durch die Türkei 2012 immer wieder Vorwürfe von Frauenrechtsgruppen, dass Konvention zu wenig umgesetzt werde. Mit dem Austritt fehlt nun aber ein wichtiges Mittel zum Schutz für Frauen, auf das sich Menschen in der Türkei berufen können. pro familia ruft mit vielen Organisationen weltweit Staatspräsident Erdogan auf, die Entscheidung zu revidieren und dem Abkommen wieder beizutreten.

Gewalt gegen Frauen ist in der Türkei genauso wie in anderen Staaten weit verbreitet. Sie wird durch Partner, Ehemänner oder Verwandte ausgeübt. Auch Femizide, also gezielte Morde von Frauen, geben Anlass zu großer Besorgnis. Das „Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt“, die sogenannte Istanbul-Konvention, wurde geschaffen, damit Staaten sich selbst verpflichten, Frauen und Mädchen zu schützen und offensiv gegen Zwangsheirat, Kinderehe, Genitalverstümmelung sowie Gewalt durch Ehemänner und andere Angehörige vorzugehen. Die 81 Artikel der Istanbul-Konvention enthalten umfassende Verpflichtungen sowohl zur Prävention als auch zur Bekämpfung von Gewalt.

„Der Austritt der türkischen Regierung aus der Istanbul-Konvention ist ein fundamentaler Schlag gegen die Frauenrechte“, sagt Dörte Frank-Boegner, Bundesvorsitzende von pro familia. „Es ist eine katastrophale Fehlentscheidung und dramatische Kehrtwende eines Landes, das 2012 als erstes die Istanbul-Konvention ratifiziert hat. Wir stehen an der Seite der türkischen Frauenrechtlerinnen, die gegen den Austritt aus der Istanbul-Konvention protestieren. Die EU sollte ein starkes Zeichen setzen, um den Frauen Hoffnung zu geben.“

pro familia fordert die Bundesregierung und die Europäische Union auf, das Vorgehen der Türkei weiterhin scharf zu verurteilen. „Wir dürfen nicht zur Tagesordnung übergehen und hinnehmen, dass Frauenrechte in der Türkei ausgehöhlt werden. Auch in Deutschland werden Frauenrechte immer wieder verletzt. Gewalt gegen Frauen gehört zum Alltag. Dagegen müssen wir gemeinsam vorgehen. Die Istanbul Konvention ist ein erster Schritt dazu und sollte auch weiterhin Bestand haben.“

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5.3.2021: „150 Jahre Kriminalisierung sind genug! Schwangerschaftsabbruch – Recht statt Verurteilung“

Abbildung der Aktionspostkarte

pro familia startet Kampagne über eine Regelung des Schwangerschaftsabbruchs, die Frauenrechte in den Fokus rückt

Am 15. Mai 1871 wurde das Gesetz zur strafrechtlichen Regelung des Schwangerschaftsabbruchs im Reichsstrafgesetzbuch fest geschrieben. Damit ist seit 150 Jahren der Schwangerschaftsabbruch im Strafgesetzbuch geregelt. Wer den Eingriff auf eigenen Wunsch durchführen lassen will, dem droht bis heute eine Gefängnis- oder Geldstrafe, so steht es im Gesetz. Dass in der Praxis Schwangerschaftsabbrüche nach der sogenannten Beratungsregelung straffrei bleiben, ändert nichts daran, dass ihnen der Ruf der Illegalität anhaftet. Es wird Zeit, über eine alternative Regelung nachzudenken, die ungewollt Schwangere nicht kriminalisiert, stellt der pro familia Bundesverband anlässlich des Internationalen Frauentags am 8. März fest.

Regelungen zum Schwangerschaftsabbruch stehen im Strafgesetzbuch, dadurch ist das Thema von vornherein negativ besetzt, stigmatisierend und moralisch aufgeladen. Es gibt einen breiten gesellschaftlichen Konsens, dass die Entscheidung für oder gegen das Austragen einer Schwangerschaft nur die Frau*(1) selbst treffen kann. Um die Entscheidung selbstbestimmt treffen zu können, sollte sie sich bei der Entscheidungsfindung in einem wertfreien Rahmen bewegen können und jede Unterstützung bekommen. Durch die Regelung des Schwangerschaftsabbruchs im Strafgesetzbuch wird jedoch die klare Missbilligung einer möglichen Entscheidung vermittelt.

Zudem hat die Verortung des Schwangerschaftsabbruchs im Strafgesetzbuch gravierende Folgen für die Versorgung. Ärzt*innen dürfen auf ihren Webseiten nicht über die Art und Weise, wie sie die Eingriffe durchführen, informieren. Tun sie es doch, droht ihnen eine Verurteilung wegen §219a StGB. Festzustellen ist auch, dass die Zahl der Ärzt*innen, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen, seit Jahren stark abnimmt und die Versorgung in einigen Regionen nicht sichergestellt ist. Ein Grund dafür ist, dass Ärzt*innen Ablehnung und Stigmatisierung fürchten – und Angriffe von Menschen, die Schwangerschaftsabbrüche komplett verbieten möchten. Frauen*, die in die vom Gesetzgeber vorgeschriebene Beratung kommen, sind verunsichert, denn sie bekommen durch den verpflichtenden Charakter den Eindruck, etwas Illegales, Tabuisiertes zu tun. Die Botschaft, die bei ihnen ankommt, lautet: Wir trauen dir die Entscheidung alleine nicht zu! Das empfinden viele Frauen* als entmündigend.

„Wir wünschen uns eine konstruktive Auseinandersetzung über die Notwendigkeit einer Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs“, sagte Dörte Frank-Boegner, Bundesvorsitzende von pro familia. Wir möchten mit Politik und Gesellschaft darüber diskutieren, wie eine Alternative aussehen könnte, die das Recht auf Selbstbestimmung im Kontext von sexueller und reproduktiver Gesundheit und Rechten in den Mittelpunkt stellt“.

„Die strafgesetzliche Regelung ist nicht mehr zeitgemäß und wird den aktuellen Bedürfnissen und Erfordernissen in der Gesellschaft nicht gerecht“, ergänzt Stephanie Schlitt, stellvertretende Vorsitzende. „Es ist Zeit, zu prüfen, wie wir dahin kommen können, dass unsere Gesellschaft das Recht auf eine selbstbestimmte Entscheidung zur Fortführung oder zum Abbruch einer Schwangerschaft anerkennt, ohne das Strafrecht zu bemühen. Gleichzeitig müssen alle Frauen* jegliche Unterstützung erhalten, die sie brauchen, einschließlich des Angebots, eine – freiwillige –Beratung zu allen Fragen der Schwangerschaft in Anspruch zu nehmen, wenn sie das möchten.“

Für pro familia steht das Recht auf Selbstbestimmung im Kontext von sexueller und reproduktiver Gesundheit und Rechten im Mittelpunkt ihrer Arbeit. Für den Verband ist deshalb die Forderung zentral, dass die Entscheidung über das Austragen oder den Abbruch einer Schwangerschaft frei von Strafandrohungen und staatlicher Einflussnahme möglich sein muss. Frauen* haben das Recht auf umfassende medizinische Versorgung, Beratung und Information. pro familia will einen Prozess anstoßen, mit dem Ziel einer menschenrechtsbasierten Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs.

Der 8. März ist der Auftakt einer Reihe von Aktionstagen, die unter dem Motto „150 Jahre Kriminalisierung sind genug! Schwangerschaftsabbruch – Recht statt Verurteilung“ stehen.

Link zur Kampagnenseite

(1) Frauen* steht hier für alle Menschen, die schwanger werden können – unabhängig davon, ob sie sich als Frau identifizieren.

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25.11.2020: Die Verfolgung und Einschüchterung von Demonstrant*innen in Polen muss ein Ende haben!

Familienplanungsorganisationen sind über die Lage in Polen sehr besorgt

Die polnischen Behörden müssen unverzüglich damit aufhören, exzessive Gewalt anzuwenden und Demonstrant*innen, einschließlich Minderjähriger, festzunehmen und einzuschüchtern. Dies fordern zivilgesellschaftliche Organisationen angesichts der anhaltenden Gewalt gegen Demonstrierende in Polen. Die Proteste wurden durch die Entscheidung ausgelöst, ein fast vollständiges Verbot des Schwangerschaftsabbruchs zu verhängen. pro familia schließt sich der Forderung an, dass die EU die Angriffe auf polnische Demonstranten verurteilen muss. Die EU muss außerdem dafür sorgen, dass der Zugang zu Finanzmitteln von Staaten abhängig ist, die die Menschenrechte achten.

Über die Dachorganisation International Planned Parenthood Federation – IPPF erreichen den pro familia Bundesverband erneut besorgniserregende Nachrichten aus Polen. Demnach haben staatliche und nichtstaatliche Akteur*innen Pfefferspray und physische Gewalt gegen Demonstrant*innen eingesetzt. Erst gestern Abend wurde eine Protestierende von einem Polizeiauto angefahren, und eine Fotojournalistin wurde festgenommen, obwohl sie ihren Presseausweis vorgelegt hatte. Bei einem anderen Vorfall fuhr ein Mitglied der Agentur für innere Sicherheit absichtlich in Protestierende hinein und verletzte zwei Personen, wobei eine davon ins Krankenhaus eingeliefert wurde. Anti-Terror-Gruppen werden bei friedlichen Versammlungen eingesetzt und setzen Schlagstöcke gegen Demonstrant*innen ein.

Die IPPF berichtet auch von systematischer Verfolgung von Demonstrant*innen. Protestierende in Warschau werden festgenommen und unter dem Deckmantel, COVID-19 sichere Räume zu gewährleisten, in Polizeistationen bis zu 30 Kilometer außerhalb Warschaus gebracht – mit begrenztem oder gar keinem Zugang zu rechtlicher Vertretung. Die polnische Regierung benutzt COVID-19 als Vorwand, um die Rechte der Demonstrant*innen einzuschränken. Mindestens 67 Personen wurden bisher wegen Protesten inhaftiert.

„Ich bin Zeugin zunehmender Polizeigewalt und irrationaler Schikanierung von Demonstrant*innen geworden. Bürger*innen jeden Alters landen auf Polizeirevieren, wo sie erklären und rechtfertigen müssen, warum sie ihre verfassungsmäßigen Rechte ausüben wollen“, sagte Eliza Rutynowska, eine polnische Rechtsanwältin, die die inhaftierten Demonstrant*innen unterstützt.

Besorgniserregend sind auch Berichte über die Festnahme minderjähriger Demonstrant*innen, die an Protesten teilgenommen oder ihre Unterstützung frei zum Ausdruck gebracht haben. Ein 17-Jähriger wurde während eines Protests von der Polizei zu Boden geschlagen und über Nacht festgenommen; einem 14-Jährigen, der einen Facebook-Post über einen geplanten Walk-in-Protest in seiner Nachbarschaft teilte, wurde mit Strafverfolgung gedroht. Eine weitere 14-Jährige, die mit ihrer Großmutter an einer Protestveranstaltung teilnahm, wurde offen mit der Polizei konfrontiert und beschuldigt, Demonstrationen organisiert zu haben. Einige Lehrer*innen und Professor*innen haben Studierenden mit Disziplinarmaßnahmen gedroht, weil sie Unterstützung für den Frauenstreik (StajkKobiet) gezeigt und sich an Protesten beteiligt hätten.

Gemeinsam mit der IPPF fordert pro familia, dass die EU die Angriffe auf polnische Demonstrant*innen verurteilt und alle ihre rechtlichen und politischen Instrumente nutzt. Wir fordern die EU zudem auf, dafür zu sorgen, dass der Zugang zu Finanzmitteln von Staaten abhängig ist, die die Menschenrechte achten. Wir fordern die polnischen Behörden auf, von der Anwendung exzessiver Gewalt und der Inhaftierung von Demonstrant*innen, die ihr Recht auf friedliche Versammlung wahrnehmen, abzusehen. Polizeibeamte, die exzessive Gewalt gegenüber Demonstrierende angewandt haben, müssen unverzüglich untersucht und zur Rechenschaft gezogen werden.

 

24.9.2020: International Safe Abortion Day - Den Versorgungsnotstand jetzt beenden

© Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung

pro familia weist anlässlich des International Safe Abortion Day 2020 auf den Versorgungsnotstand in Deutschland hin

Die Aufgabe von zivilgesellschaftlichen Organisationen ist es, das politische Augenmerk auf Defizite und Probleme im Land zu richten. Damit ermöglichen sie es der Politik, einzugreifen und sie zu beheben. Beim Versorgungsnotstand beim Schwangerschaftsabbruch scheint sich die Politik allerdings blind und taub zu stellen. Was muss noch passieren, damit Frauen entsprechend international verbriefter Rechte einen sicheren Zugang zum Schwangerschaftsabbruch in Deutschland haben, fragt sich pro familia anlässlich des Safe Abortion Day 2020.


Spätestens seit der Diskussion um den §219a StGB ist deutlich geworden, dass die Zahl der Ärzt*innen und Kliniken, die Schwangerschaftsabbrüche anbieten, drastisch abgenommen hat und weiter abnehmen wird. In manchen Regionen in Deutschland ist der/die nächste Ärzt*in, die nächste Klinik, zwei Fahrtstunden entfernt. Der zeitliche und finanzielle Aufwand bringt Schwangere in diesen Regionen in Not, ganz zu schweigen davon, dass sie meist keine Wahl haben, ob sie einen medikamentösen oder chirurgischen Schwangerschaftsabbruch haben und ob sie ambulant oder stationär versorgt werden. Es gibt zwar einen generellen Auftrag an die Länder, ein ausreichendes Angebot ambulanter und stationärer Einrichtungen sicherzustellen. Berichte von Regionen im Versorgungsnotstand machen jedoch klar: diesem Auftrag wird nicht nachgekommen.

Zum Versorgungsnotstand kommt der Informationsnotstand: Ärzt*innen stehen weiterhin unter Strafandrohung, wenn sie selbst Schwangeren die notwendigen Informationen geben, um zu entscheiden zu können, bei wem sie einen Schwangerschaftsabbruch machen wollen. Auf der offiziellen Liste der Bundesärztekammer ist nur ein Bruchteil der Ärzt*innen, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen, zu finden. Für viele Regionen gibt es überhaupt keine Einträge. Unter der Bedingungen der Kriminalisierung von Stigmatisierung von Ärzt*innen kann die Liste nicht funktionieren.

Wir erleben seit einiger Zeit, wie Ärzt*innen in Deutschland angezeigt und diffamiert werden. Beratungsstellen, die dem gesetzlichen Auftrag der Beratung vor einem Schwangerschaftsabbruch nachkommen, werden belagert, so dass die Ratsuchenden sich belästigt fühlen. Die Stimmung in der Gesellschaft wird mit Hasskommentaren, mit Webseiten mit blutigen Bildern und mit Demonstrationen voller anklagender Holzkreuze aufgeheizt. Was setzen die politisch Verantwortlichen dem entgegen? Wie stellen sie sicher, dass die Verantwortung für den Umgang mit dem Versorgungs- und Informationsnotstand nicht auf ungewollt Schwangere abgewälzt wird, die immer höhere Hürden überwinden müssen, um rechtzeitigen Zugang zum Schwangerschaftsabbruch zu erhalten?

Frauen, die einen Schwangerschaftsabbruch erwägen, brauchen eine Politik, die ihnen eine selbstbestimmte Entscheidung ausdrücklich zugesteht und alles dafür tut, dass sie einen möglichen Schwangerschaftsabbruch unter den besten Bedingungen durchlaufen können. Sie brauchen eine Politik, die internationale Frauenrechte anerkennt, umsetzt und Defizite in der Versorgung bekämpft. Sie brauchen ein Ende der Kriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs.

 

pro familia begrüßt Überlegungen, wie dem Ärzt*innenmangel begegnet werden kann und fordert eine sachliche Diskussion sowie zeitnahe Maßnahmen

Die Zahl der Ärzt*innen, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen, nimmt stetig ab. Frauen müssen zum Teil sehr weite Wege zurücklegen, eine gute Gesundheitsversorgung sieht anders aus. Die Forderung an Politik und Ärzteschaft liegt schon lange auf dem Tisch, sich ernsthaft mit der Versorgungssituation auseinanderzusetzen und gemeinsam zu überlegen, wie sie verbessert werden kann. Seitdem ist nichts geschehen. Ein Lösungsvorschlag einer baden-württembergischen Staatssekretärin hat nun für große Aufregung und Empörung gesorgt. Dabei könnte mit einer personellen Regulierung ein Zeichen dafür gesetzt werden, dass der Schwangerschaftsabbruch als selbstverständlicher Bestandteil zur Regelversorgung einer Uniklinik gehört. Der pro familia Bundesverband fordert, das Problem des Versorgungsnotstands endlich bundesweit anzugehen und dabei auch personalpolitische Lösungen in den Blick zu nehmen.

Laut Medienrecherchen gibt es heute 40 Prozent weniger Ärzt*innen als vor zehn Jahren, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen. Die Folge: Frauen müssen immer längere Wege zu einem*r Ärzt*in zurücklegen. Von der Sicherstellung eines „ausreichenden Angebots ambulanter und stationärer Einrichtungen zur Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen“ kann also nicht die Rede sein, obwohl §13 Schwangerschaftskonfliktgesetz die Länder dazu verpflichtet. Zur Ärzt*innenknappheit und damit zur schlechten Versorgungssituation trägt bei, dass die Informationen von Ärzt*innen über die von ihnen angebotenen Schwangerschaftsabbrüche durch den §219 StGB weiterhin kriminalisiert werden. Verurteilungen aufgrund von Sätzen auf der Webseite wie „Ich führe medikamentöse Schwangerschaftsabbrüche durch“ stigmatisieren Ärzt*innen und tabuisieren den Schwangerschaftsabbruch. pro familia hat wiederholt auf die schwierige Lage aufmerksam gemacht und gefordert, alles dafür zu tun, damit Frauen eine gute medizinische Versorgung beim Schwangerschaftsabbruch vorfinden. Frauen haben ein gesetzlich verbrieftes Recht, dass ein Eingriff, der auf der Grundlage geltenden Rechts durchgeführt wird, verlässlich und medizinisch sicher angeboten wird.

Wenn sich Universitätskliniken in einem Bundesland für die Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen für nicht zuständig erklären und damit zur Unterversorgung beitragen, muss das Bundesland die Möglichkeit haben, darauf Einfluss zu nehmen. Eine Möglichkeit ist, bei Neueinstellungen an Kliniken auf entsprechende Stellen die Bereitschaft zur Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen abzufragen und zu verlangen. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht bereits 1991 so entschieden*.

Weitere Lösungsvorschläge, wie die Versorgungslage verbessert werden kann, sind dringend notwendig und sollten sachlich diskutiert werden. So müsste zum Beispiel geprüft werden, wie der Schwangerschaftsabbruch verstärkt in die ärztliche Ausbildung eingebunden werden kann, so dass junge Ärzt*innen ein Bewusstsein dafür entwickeln können, dass der Schwangerschaftsabbruch zur reproduktiven Gesundheitsversorgung gehört und Frauen einen Recht auf diese Versorgung haben. Außerdem müsste endlich eine Lösung gefunden werden, um Ärzt*innen vor religiösen Eiferern zu schützen, die Frauen das Recht auf körperliche Selbstbestimmung absprechen wollen.

Frauen in Deutschland brauchen eine gute Versorgung in Bezug auf ihre reproduktive Gesundheit. Und sie brauchen eine Gesundheitspolitik, die Defizite in der Versorgung wahrnimmt und entschlossen ausräumt.

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Eine Stellungnahme von Doctors for Choice Germany zu der von uns angesprochenen Problematik finden Sie hier:  doctorsforchoice.de/wp-content/uploads/2020/07/StellungnahmeBaWu%CC%88_DFC-AKF.pdf

*BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 1991 –7 C 26/90 in: NJW 1992, S. 773(774), siehe dazu auch den Sachstandsbericht des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags: „Zum Weigerungsrecht von Krankenhäusern, Schwangerschaftsabbrüche vorzunehmen

 

 

pro familia fordert den Bundesrat auf, die bestehende Gesetzesvorlage abzulehnen

Am 03.07.2020 wird sich der Bundesrat mit dem Adoptionshilfegesetz befassen, das der Bundestag am 28.05.2020 beschlossen hat. Eine Neuregelung der Adoption darf keine Benachteiligung von lesbischen Paaren nach sich ziehen, betont der pro familia Bundesverband. Lesbische Paare mit gemeinsamem Kind müssen als Eltern anerkannt werden – analog zu heterosexuellen Paaren, deren Kind mittels Samenspende gezeugt wurde. Bis das Abstimmungsrecht dies rechtlich festschreibt, können Jahre vergehen. Deshalb ist es beim jetzt anstehenden Gesetz wichtig, lesbische Mütter mit gemeinsamem Kind ausdrücklich vom Gesetz auszunehmen, um ihnen ein aufwändiges und langwieriges Adoptionsverfahren bei ihrem eigenen Kind zu ersparen. Das Gesetz muss in den Vermittlungsausschuss, fordert pro familia.

Wenn ein heterosexuelles (Ehe-)Paar ein gemeinsames Kind durch Samenspende bekommt, sind beide rechtlich gesehen die Eltern. Wenn ein lesbisches (Ehe-)Paar ein gemeinsames Kind mit Samenspende bekommt, ist nur die Mutter, die das Kind austrägt, rechtlich als Elternteil anerkannt. Diese Ungerechtigkeit muss durch eine längst überfällige Abstammungsreform aufgehoben werden. Das wird sich allerdings noch Jahre hinziehen. Bis jetzt ist deshalb eine Stiefkind-Adoption nötig. Über 60 Prozent aller Adoptionen bundesweit sind Stiefkind-Adoptionen und davon ist jedes vierte Paar lesbisch.

Das vom Bundestag beschlossene Adoptionshilfegesetz hat den Anspruch, Rechtssicherheit für alle Beteiligten einer Adoption zu schaffen, das Kindeswohl stärker zu berücksichtigen und ein umfassendes Beratungs- und Unterstützungsangebot aufzubauen. Bei der Stiefkind-Adoption ist künftig eine verpflichtende Beratung vorgesehen. Lesbische Paare mit gemeinsamem Kind hatte der Gesetzgeber dabei sicherlich nicht im Blick. Nichtsdestotrotz sind sie vom Gesetz betroffen und werden diskriminiert.

„Es kann nicht sein, dass eine derartige Ungleichbehandlung per Gesetz festgeschrieben wird“, sagt Dörte Frank-Boegner, Bundesvorsitzende von pro familia. „Da eine Reform des Abstammungsrechts nicht in Sicht ist, müssen lesbische Paare von der geplanten Stiefkind-Regelung mit Pflichtberatung ausgenommen werden. Die Politik darf nicht zulassen, dass lesbische Paare Opfer von Versäumnissen beim Abstammungsrecht werden. Schließlich handelt es sich um Ursprungsfamilien, nicht um Stieffamilien!“

Die Bundesländer haben noch die Möglichkeit, das Gesetz in dieser Form zu stoppen. Wenn die Gleichbehandlung von Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung ernst gemeint ist, darf dieses Gesetz in dieser Fassung nicht in Kraft treten!

29.06.2020

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pro familia mahnt Wiederaufnahme sexueller Bildung in den Schulen an

Ist mein Körper normal? Wie vermittele ich, was ich will und was nicht? Wie fange ich eine Beziehung mit einem Mädchen an? Auch in Corona Zeiten haben Jugendliche Fragen zu Liebe und Sexualität. Und sie haben ein Recht auf sexuelle Bildung. Der pro familia Bundesverband fordert, dass Sexualpädagog*innen schnellstmöglich wieder Zugang zu Schulen bekommen. Sexuelle Bildung kann mit entsprechenden Hygienekonzepten und Abstandsregeln sicher stattfinden.

Der eigene Körper, Verhütung, Sex: viele Jugendliche haben dazu Fragen, die sie nur ungern mit den Eltern besprechen wollen. Sexuelle Bildung in der Schule hat vor allem das Ziel, allen Heranwachsenden altersgemäßes sowie fachlich richtiges sexual- und körperbezogenes Wissen zu vermitteln. Sexualpädagog*innen von pro familia gehen einen Schritt weiter und kombinieren die reine Wissensvermittlung mit pädagogischen Methoden und Konzepten, um Kinder und Jugendliche zu stärken und zu selbstbestimmten Entscheidungen zu befähigen.

„Sexualpädagogisch zu arbeiten, bedeutet für pro familia, Kindern und Jugendlichen einfühlsam und fachkundig Wissen, Begleitung und Unterstützung in sexuellen und partnerschaftsbezogenen Lernprozessen anzubieten“, betont Dörte Frank-Boegner, Vorsitzende des pro familia Bundesverbands. „Sexuelle Bildung fördert Selbstbewusstsein, Respekt, Gleichberechtigung und Toleranz ohne erhobenen Zeigefinger.“

Deshalb ist es dringend notwendig, dass sexuelle Bildung in Schulen wieder stattfindet und Sexualpädagog*innen einen Zugang zu Schulen erhalten, fordert pro familia. Kinder und Jugendliche haben ein Recht auf eine altersgemäße Sexualaufklärung. Unter Einhaltung von Hygienekonzepten und Abstandsregeln können die Veranstaltungen in Schulklassen auch in Pandemiezeiten sicher stattfinden.

Grundlage der sexualpädagogischen Arbeit von pro familia sind die Menschenrechte. Rechtebasierte sexuelle Bildung macht die Balance zwischen Wünschen und Bedürfnissen einerseits sowie Grenzen andererseits deutlich. Sie fördert die Gleichberechtigung von Frauen und Männern und vermittelt eine positive Haltung zur Vielfalt der Menschen in ihren sexuellen Orientierungen, sexuellen und geschlechtlichen Identitäten. Sie fördert Gewaltfreiheit sowie Schutz vor sexuellen Übergriffen und sexualisiertem Mobbing.

Die rund 350 Sexualpädagog*innen in den 200 pro familia Beratungsstellen unterstützen Kinder und Jugendliche, die sich in Institutionen, zum Beispiel in der Schule oder in Einrichtungen der Jugendhilfe, befinden; sie stärken Eltern, die Rat und Unterstützung im Umgang mit ihren jugendlichen Töchtern und Söhnen suchen, sowie Multiplikator*innen, zum Beispiel Angehörige sozialer und pädagogischer Berufe.

Jugendliche können sich direkt an pro familia wenden. Einige Beratungsstellen haben auf die Pandemie zugeschnittene Angebote entwickelt, um Jugendlichen in Krisen und bei persönlichen Fragen zur Seite zu stehen. Auch Video Beratungen sind an immer mehr Standorten möglich. Die nächstgelegene Beratungsstelle ist unter www.profamilia.de abrufbar.

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Logos der Organisationen

Familienplanung ist ein Menschenrecht. pro familia, AWO und Paritätischer erinnern daran, dass Verhütung in Deutschland für viele unbezahlbar ist

Ein mangelnder Zugang zu Verhütung bedroht die Frauengesundheit und das Menschenrecht auf Familienplanung. Dies stellt der pro familia Bundesverband zusammen mit der Arbeiterwohlfahrt (AWO) und dem Paritätischen Gesamtverband anlässlich des Internationalen Tages der Frauengesundheit fest. In Deutschland ist noch immer keine bundesweite Lösung in Sicht, die zumindest Frauen mit wenig Einkommen einen kostenfreien und damit niedrigschwelligen Zugang zu Verhütung sichert. Stattdessen hängt es von der Postleitzahl ab, ob eine Frau eine Kostenübernahme für Spirale oder Pille über einen kommunalen Verhütungsmitteltopf erhält. Politiker*innen haben gegenüber den Verbänden Verständnis für das Problem signalisiert. Nun müssen den Worten endlich Taten folgen.
 
Die Verbände erinnern anlässlich des Internationalen Tages der Frauengesundheit daran, dass für die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Gesundheit mehr ist als die Abwesenheit von Krankheit, sie umfasst auch das körperliche, psychische und soziale Wohlbefinden. Gemäß diesem Gesundheitsverständnis zählt die WHO Verhütung zu den „unentbehrlichen Arzneimitteln“, die für alle Menschen unentgeltlich zugänglich sein sollten.
 
„Der Zugang zu Verhütung und der Familienplanung steht für pro familia im Rang eines Menschenrechts“, sagt Dörte Frank-Boegner, Bundesvorsitzende von pro familia. „pro familia setzt sich für eine gesetzlich geregelte bundesweite Kostenübernahme ein, um allen Menschen – unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität – einen selbstbestimmten Zugang zu Verhütung und Familienplanung zu ermöglichen.“
 
„Die Selbstbestimmung über den eigenen Körper und damit die eigene Gesundheit und das eigene Leben gehören aus der Perspektive der Arbeiterwohlfahrt zu den Grundvoraussetzungen für Frauen, ihr Leben frei und eigenverantwortlich gestalten zu können“ erklärt Wolfgang Stadler, Vorstandsvorsitzender der Arbeiterwohlfahrt. „Verhütung darf keine Frage des Einkommens sein.“
 
„Die Corona-Krise trifft Menschen, die auf Sozialleistungen angewiesen sind, besonders hart. Die Preise für Nahrungsmittel steigen rapide. Wie sollen die, die sowieso wenig haben, auch noch für Verhütungsmittel aufkommen? Vielen war das aufgrund der niedrigen Regelsätze schon ohne Pandemie nicht möglich. In der Corona-Krise spitzt sich diese Problematik nun deutlich zu“, betont Professor Dr. Rolf Rosenbrock, Vorsitzender des Paritätischen Gesamtverbands.
 
Verhütungsmittel spielen eine elementare Rolle bei der Vermeidung ungewollter Schwangerschaften. Deshalb ist es wichtig, dass sie sich alle leisten können. Eine Spirale, die bis zu 400,- Euro kostet, können Frauen mit wenig Geld häufig nicht bezahlen. Auch Mehrmonatspackungen der Pille bleiben für viele unerschwinglich. Das betrifft zum Beispiel Frauen, die auf Arbeitslosengeld II oder Sozialhilfe angewiesen sind, und auch Studentinnen, die BAföG beziehen. Aus finanziellen Gründen müssen sie auf die für sie individuell passende Verhütungsmethode verzichten und auf ein günstigeres, häufig unsicheres oder gesundheitlich weniger verträgliches Verhütungsmittel ausweichen.
 
Es gibt in Deutschland einen hohen Bedarf an kostenlosen Verhütungsmitteln. Die Auswertung des pro familia Modellprojekts biko, das im letzten Jahr ersatzlos auslief, hat deutlich gezeigt, dass Frauen, die über wenig Geld verfügen, für eine sichere Verhütung eine Kostenübernahme benötigen. Ohne eine Kostenübernahme verhüten viele nicht oder weniger sicher, belegte das Projekt. Denn ist das Geld knapp, werden akut nötige Anschaffungen getätigt und die Verhütung aufgeschoben. Es braucht endlich eine bundeseinheitliche Regelung, damit Verhütung für alle zugänglich ist.

 

22.4.2020: Listen sind immer noch keine Lösung – erst recht nicht in Zeiten einer Pandemie

Der §219a StGB muss endlich gestrichen werden!

Vor einem Jahr ist die Gesetzesänderung des §219a StGB zur Verbesserung der Information über einen Schwangerschaftsabbruch in Kraft getreten. Seit Juli 2019 sind Listen von Ärzt*innen auf der Website der Bundesärztekammer und der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung mit einem Informationsangebot online zugänglich. Von Verbesserung der Information kann jedoch keine Rede sein, betonen der Berufsverband für Heilprakterinnen Lachesis e.V., das Netzwerk Frauengesundheit Berlin und der pro familia Bundesverband.

Gerade jetzt, in Zeiten der Corona Pandemie, suchen viele Frauen verlässliche Informationen zum Schwangerschaftsabbruch noch stärker über das Internet. Nur evidenzbasierte, verständliche, zutreffende und vollständige Gesundheitsinformationen entsprechen den Menschenrechten.

Umfassende Gesundheitsinformationen zum Schwangerschaftsabbruch im Internet zur Verfügung zu stellen, gilt nach wie vor als Werbung und bleibt den Ärzt*innen verboten.

Die Liste entspricht nicht den Informationsrechten der Frauen. Denn Ärzt*innen dürfen nur informieren, ob sie Schwangerschaftsabbrüche durchführen, nicht wie und zu welchem Preis. Medizinische Informationen über einen sicheren und legalen Schwangerschaftsabbruch fehlen.

Mittlerweile haben sich zwar mehrere Hundert Ärzt*innen, die Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland durchführen, freiwillig eintragen lassen. Die Liste bleibt allerdings unvollständig, unübersichtlich und im Internet schwer zu finden. Solange Schwangerschaftsabbrüche im Strafgesetzbuch stehen, fürchten Ärzt*innen zu Recht, dass Gegner*innen der sexuellen und reproduktiven Rechte sie nach einer öffentlich zugänglichen Bekanntgabe verfolgen und/oder belästigen.

Schwangerschaftsabbruch ist eine Leistung der gesundheitlichen Versorgung für Frauen. Die Ärzt*innenliste ist eine Hürde im Zugang zum Schwangerschaftsabbruch.

Die einzige Lösung, um den Zugang zu Information zu gewährleisten, ist die Streichung des § 219a StGB!

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7.4.2020: Schwangerschaftsabbrüche sind dringliche Fälle und müssen auch in Corona-Zeiten als Option zur Verfügung stehen

© Goffkein – adobe stock

pro familia sieht eine Zuspitzung der Lage, die die reproduktive Gesundheit von Frauen bedroht

Ungewollt schwangere Frauen geraten während der Corona-Pandemie in große Bedrängnis. Die Hürden zum Schwangerschaftsabbruch haben sich verdoppelt. Die schon vorher deutlich sichtbaren Defizite in der Versorgung führen nun zu gravierenden Engpässen in der Versorgung. pro familia fordert, den Zugang zum Schwangerschaftsabbruch der Krise angepasst niedrigschwelliger zugänglich zu machen und die Versorgung in allen Regionen in Deutschland gleichermaßen sicherzustellen.

Eine ungewollte Schwangerschaft stellt Frauen in Corona-Zeiten vor große Probleme. Hürden wie die Wahrnehmung von mehreren Terminen unter Kontaktsperre, Homeoffice und ohne Kinderbetreuung müssen genommen und die Pflichtberatung per Telefon oder Videochat absolviert werden. Der Beratungsschein kommt womöglich Tage später per Post und die Kostenübernahme kann sich aufgrund geschlossener Krankenkassen verzögern. Einen Ort zu finden, an dem der Schwangerschaftsabbruch dann stattfinden kann, ist noch schwieriger als sonst, da manche Ärzt*innen, die zur Risikogruppe gehören, die Praxis geschlossen haben und Kliniken darauf verweisen, dass sie nur Notfälle behandeln dürfen.

pro familia sieht die reproduktive Gesundheit von Frauen bedroht und fordert das Bundesfamilienministerium und das Bundesgesundheitsministerium auf, weiterhin alles dafür zu tun, dass Frauen in allen Landesteilen einen guten Zugang zur Versorgung haben. Insbesondere geht es um die folgenden Punkte:

  • Wirken Sie auf die Länder ein, damit überall in Deutschland eine telefonische, videobasierte und persönliche Beratung (je nach Möglichkeit der Beratungsstelle und der Frau) erlaubt ist und Frauen angeboten werden kann. Unabhängig davon, wie die Beratung durchgeführt wird: die Einhaltung der gesetzlichen Regelungen zur Beratung ist Voraussetzung und selbstverständlich.
  • Die Identifikationsprüfungen verkomplizieren den Beratungsvorgang und könnten bundesweit entfallen, da sie erst beim Schwangerschaftsabbruch zum Tragen kommen. Bitte empfehlen Sie den Ländern auch hier ein einheitliches Vorgehen.
  • Die Zustellung der Beratungsbescheinigung sollte bundesweit einheitlich digital erfolgen können, um eine zum Teil mehrtägige Verzögerung zu vermeiden.
  • Durch die Schließung der Krankenkassen für den Publikumsverkehr ist es notwendig geworden, dass Formulare zur Kostenübernahme beim Schwangerschaftsabbruch online verfügbar sind. Eine große Erleichterung wäre ein bundesweit einheitliches Formular, das Beratungsstellen den Frauen auf Wunsch mitgeben können. Sprechen Sie mit den Verantwortlichen und bahnen Sie bitte einen Weg dafür.
  • Last but not least: Die zu geringe Zahl an Ärzt*innen und Kliniken in Deutschland, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen, führt in der aktuellen Krise zu einer prekären Situation. Sei es, weil Praxen aus Sicherheitsgründen schließen, sei es, weil Ärzt*innen und Kliniken nur noch Covid19-Patient*innen behandeln. Schwangerschaftsabbrüche sind keine elektiven* Eingriffe, das heißt sie müssen auch während der Corona-Krise zeitnah durchgeführt werden. Wir müssen Hürden abbauen, damit Frauen in der vorgesehenen Frist einen Schwangerschaftsabbruch durchführen lassen können, wenn sie das wollen. Ein Beitrag dazu ist der Home-Use des medikamentösen Schwangerschaftsabbruchs, die Einnahme des Medikaments zuhause. England und Irland haben es vorgemacht und den Home-Use für die Dauer der Pandemie erlaubt. Auch Deutschland sollte hier seinen Frauen zur Seite stehen.

*Elektive Eingriffe: nicht zwingend notwendige Eingriffe, da therapeutische Alternativen möglich sind.

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pro familia informiert über Informations- und Beratungsmöglichkeiten

Einschränkungen durch Vorkehrungen gegen Infektionen mit dem Corona-Virus treffen auch die Beratungsstellen. Dringende Beratungen, wie beispielsweise Pflichtberatungen vor einem Schwangerschaftsabbruch, sollen aber weiterhin stattfinden. Nach Möglichkeit führen Beratungsstellen Beratungen telefonisch oder online durch. Diese und weitere aktuelle Informationen zur Arbeit von pro familia während der Corona-Pandemie sind ab sofort auf www.profamilia.de abrufbar.

Auf der Webseite gibt es außerdem Verweise auf Fachinformationen zu den Risiken für Schwangere und Säuglinge sowie Links zu nützlichen Webseiten und Hotlines. pro familia wird die Seite regelmäßig aktualisieren und aktuelle Informationen auch über den facebook-Kanal (https://www.facebook.com/profamilia.deutschland/ ) streuen.

pro familia wird auch in diesen Krisenzeiten die sexuellen und reproduktiven Rechte ihrer Klient*innen im Blick behalten. Das bedeutet für uns, aktuelle sachliche Informationen zur Verfügung zu stellen sowie eine unter den aktuellen Umständen bestmögliche Versorgung mit Beratung.

17.3.2020

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4.2.2020: pro familia unterstützt deutschen CEDAW-Alternativbericht

© teracreonte/adobestock

Bericht an die Vereinten Nationen listet Verletzung reproduktiver Rechte von Frauen auf

Zusammen mit 65 weiteren zivilgesellschaftlichen Organisationen unterstützt pro familia einen Bericht zur aktuellen Situation der reproduktiven Rechte in Deutschland. Die German Alliance for Choice (GAfC) hat diesen Bericht beim zuständigen UN-Ausschuss für die Umsetzung der UN Frauenrechtskonvention (CEDAW) in Genf eingereicht, um internationalen Druck auf die Bundesregierung auszuüben. Der Bericht beschreibt, welche weitreichenden Folgen für Frauen die Tatsache hat, dass die rechtlichen Regelungen zum Schwangerschaftsabbruch im Strafgesetzbuch angesiedelt sind. Dies hat massive Auswirkungen auf die Möglichkeit, sich zum Schwangerschaftsabbruch zu informieren sowie auf das Procedere vor einem Schwangerschaftsabbruch.

Der Bericht verweist zudem auf eine zunehmende Verschärfung der ärztlichen Versorgungslage. Diese trifft Frauen in ländlichen oder katholisch geprägten Regionen besonders hart. Zudem fehlen evidenzbasierte Leitlinien und medizinische Qualitätsstandards zum Schwangerschaftsabbruch, sodass die Qualität der gesundheitlichen Versorgung von Frauen nicht gesichert ist. Schließlich ist die Behandlung des Themas Schwangerschaftsabbruch in der Mediziner*innenausbildung nicht gewährleistet.

Die GAfC kommt zu dem Schluss, dass die benannten Defizite zu einer anhaltenden Verletzung der international verbrieften Rechte aller Frauen in Deutschland führen. Dabei hat sich die Bundesregierung mit der Ratifizierung von CEDAW im Jahr 1985 verpflichtet, die international verbrieften Rechte von Frauen zu respektieren, zu schützen und sie zu gewährleisten, betont die GAfC.

Diesen Verpflichtungen sei die Bundesregierung bisher nicht nachgekommen. So seien die letzten Empfehlungen des CEDAW-Ausschuss von 2017 nicht umgesetzt worden: Sicherung des Zugangs zu Verhütungsmitteln für Frauen in prekärer wirtschaftlicher Situation, Sicherung des Zugangs zu von der Krankenversicherung bezahlten Schwangerschaftsabbrüchen sowie die Abschaffung der Pflichtberatung vor einem Schwangerschaftsabbruch und der vorgeschriebenen Wartezeit.

Durch den GAfC-Bericht soll im anstehenden Dialog zwischen dem CEDAW-Ausschuss und der Bundesregierung angestoßen werden, was bisher nicht erreicht ist: eine menschenrechtskonforme gesetzliche und institutionelle Ausgestaltung im Bereich reproduktiver Rechte, Entkriminalisierung und Entstigmatisierung des Schwangerschaftsabbruchs sowie adäquate gesundheitliche Versorgung von Frauen.

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Bericht der German Alliance for Choice Download als PDF-Dokument

 

Eine kompetente Vernetzung von Fachkräften kommt schwangeren, geflüchteten Frauen zugute

Schwangere, geflüchtete Frauen erfahren Zugangsbarrieren zum Gesundheits- und Versorgungssystem. Um ihr Recht auf gleichberechtigte Teilhabe zu gewährleisten, empfiehlt sich eine persönliche und digitale Vernetzung der im Hilfesystem tätigen Akteur*innen. Damit eine effektive Zusammenarbeit möglich ist, benötigen diese Netzwerke zeitliche und personelle Ressourcen. Das sind zentrale Ergebnisse des Modellprojekts „Fachdialognetz für schwangere, geflüchtete Frauen“, die auf der Abschlusstagung am 25. September 2019 in Berlin vorgestellt wurden. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat das Modellprojekt gefördert.

Drei Jahre lang arbeiteten acht Fachinformations- und Vernetzungsstellen daran, regionale Netzwerke und Arbeitskreise für die Belange von schwangeren Geflüchteten zu sensibilisieren und die Kooperation untereinander zu verbessern. Sie waren an den pro familia Beratungsstellen in den Standorten Berlin, Bremen, Erfurt, Gießen, Hamburg, Karlsruhe, Leipzig und Mainz angegliedert. Die Fachkoordinatorinnen organisierten Fachveranstaltungen und Konferenzen zu Themen, die für die Versorgung von schwangeren, geflüchteten Frauen relevant sind. Darüber hinaus boten diese Veranstaltungen den Teilnehmenden Freiraum für Gespräche und fachlichen Austausch.

Ein wichtiges Ergebnis des Modellprojekts ist, dass schwangere, geflüchtete Frauen die Regelleistungen in der medizinischen Versorgung rund um Schwangerschaft und Geburt, die ihnen zustehen, oft nicht in Anspruch nehmen können. Gründe dafür liegen unter anderem in umständlichen Abrechnungsverfahren, in Sprachbarrieren und in der Isolation der Frauen durch schlecht angebundene Unterkünfte. Damit die Regelleistungen für schwangere, geflüchtete Frauen barrierefrei zugänglich sind, müsste deshalb eine elektronische Gesundheitskarte für Geflüchtete flächendeckend eingeführt sowie Angebote zum Dolmetschen in der medizinischen Versorgung gewährleistet und finanziert werden. Außerdem sollten die Fahrt- und Transportkosten zu Besuchen von Fachärzt*innen, Hebammen und Krankenhausaufenthalten übernommen werden, um sicherzustellen, dass Frauen einen barrierefreien Weg zu medizinischer Versorgung haben.

„Schwangere, geflüchtete Frauen haben ein deutlich erhöhtes Schwangerschaftsrisiko und sehen sich in unserer Gesellschaft mit vielen Hürden und Zugangsbarrieren konfrontiert“, betonte die pro familia Bundesvorsitzende Dörte Frank-Boegner. „Diese Barrieren abzubauen, ist das erklärte Ziel vieler Fachkräfte, die mit schwangeren, geflüchteten Frauen arbeiten. Ihrer guten Vernetzung kommt dabei eine Schlüsselfunktion zu“.

Das Modellprojekt machte deutlich, dass sich eine Verzahnung persönlicher und digitaler Vernetzung von Fachkräften bewährt. Die etwa 800 Akteur*innen, die im Rahmen des Modellprojektes miteinander kooperiert haben, profitierten einerseits von der Webplattform www.fachdialognetz.de, auf der themenrelevante Termine, Angebote, Expert*innen und Materialien zu finden sind. Andererseits bot die persönliche Vernetzung auf Fachveranstaltungen den Akteur*innen die Möglichkeit, spezifisches Wissen zu erwerben, zu erkennen, wo es ähnliche Herausforderungen und Doppelstrukturen gibt sowie gemeinsam gegen identifizierte Missstände anzugehen. Als wichtiger Aspekt erwies sich, dass es eine eigene Koordination braucht, um die verschiedenen Akteur*innen im Bereich Schwangerschaft und Flucht, zu denen auch Migrant*innenselbstorganisationen gehören, gut zu vernetzen.

Für eine gute Netzwerkarbeit sind zeitliche und personelle Ressourcen erforderlich, zeigte das Modellprojekt. Und, dass digitale Tools eine wichtige Rolle spielen, den persönlichen Austausch im Rahmen von Treffen und Veranstaltungen aber nicht ersetzen.

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pro familia stellt die Ergebnisse eines Modellprojekts vor und fordert dringend eine bundesweite gesetzliche Lösung

Es gibt in Deutschland einen hohen Bedarf an kostenlosen Verhütungsmitteln. Die Auswertung des pro familia Modellprojekts biko zeigt, dass Frauen, die wenig Geld haben, für eine sichere Verhütung eine Kostenübernahme brauchen. Dies betrifft nicht nur Sozialleistungsbezieherinnen, auch Geringverdienerinnen und Studentinnen haben Probleme, ihre Verhütung zu finanzieren. Zusätzliche Wege, Wartezeiten, Fahrtkosten und die Angst vor Stigmatisierung erwiesen sich beim Zugang zur Kostenübernahme im Modellprojekt als Barriere. Dem muss bei einer gesetzlichen Lösung Rechnung getragen werden, betont pro familia. Nötig sei eine niedrigschwellige Lösung, die alle Menschen und alle Verhütungsmethoden einschließe.

Auf der Abschlussveranstaltung des pro familia Modellprojektes „biko – Beratung, Information und Kostenübernahme bei Verhütung“ (www.biko-verhuetung.de) am heutigen 10. September 2019 in Berlin wurden die Evaluationsergebnisse präsentiert. Mit dem vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend geförderten Projekt erprobte pro familia über drei Jahre an sieben Standorten ein Kostenübernahmemodell für Frauen mit geringem Einkommen. Frauen konnten die für ihre Lebenssituation am beste geeignete Verhütungsmethode auswählen, die allerdings verschreibungspflichtig sein musste. Ein Großteil der Frauen, die eine Kostenübernahme erhielten, nahmen das Angebot der freiwilligen Verhütungsberatung an. Fragen zu den einzelnen Verhütungsmethoden und deren gesundheitliche Verträglichkeit standen dabei im Vordergrund.

Frauen jeder Altersgruppe bis 49 Jahren waren im Modellprojekt vertreten. Sie verfügten über unterschiedliche Bildungsabschlüsse und gingen unterschiedlicher Beschäftigung nach. Auch die Familiensituation stellte sich als sehr heterogen dar und die Mehrheit der Frauen hatte Kinder.

In den qualitativen Interviews im Rahmen der Studie äußerten mehr als die Hälfte der befragten Frauen, dass sie ohne eine Kostenübernahme nicht oder weniger sicher verhüten. Ist das Geld knapp, werden akut nötige Anschaffungen getätigt und die Verhütung aufgeschoben.

In einem hochentwickelten Land wie Deutschland ist dies ein Armutszeugnis. pro familia vertritt die Auffassung, dass Verhütungsmittel zur Grundversorgung gehören. Die Bundesregierung hat sich über die internationale Frauenrechtskonvention CEDAW verpflichtet, den Zugang zu Verhütung für alle Menschen sicherzustellen. Selbst unter den engen Rahmenbedingungen des Modellprojekts, das nicht-verschreibungspflichtige Verhütungsmittel und Männer ausschloss, hat sich deutlich gezeigt, dass es Defizite in der Versorgung gibt. pro familia geht nun einen Schritt weiter und fordert die Bundesregierung dazu auf, anzuerkennen, dass Verhütung eine Grundbedingung für sexuelle und reproduktive Gesundheit ist und daher allen Menschen, auch Männern, niedrigschwellig zur Verfügung stehen muss. Im Einzelnen fordert der Verband:

  1. Verhütung muss in den Leistungskatalog des dritten Kapitels SGB V der gesetzlichen Krankenkassen aufgenommen werden, ebenso in den Basistarif der privaten Krankenversicherungen.
  2. Für Leistungsberechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und für nicht Krankenversicherte müssen angepasste Regelungen bzw. gesonderte Zugänge in Zusammenarbeit mit Beratungsstellen geschaffen werden.
  3. Wegen der besonderen Dringlichkeit muss in einem ersten Schritt die unter Punkt 1 genannte Regelung für Menschen mit geringem Einkommen gelten. Darunter fallen alle Menschen, die unter der individuellen Einkommensgrenze analog der Kostenübernahme beim Schwangerschaftsabbruch liegen.
  4. Begleitend soll eine freiwillige Verhütungsberatung ausgebaut werden, die Menschen in ihrem Menschenrecht auf Verhütung stärkt und den besonderen Beratungsbedarf, beispielsweise von Menschen mit geringen Deutschkenntnisse oder Lernschwierigkeiten, abdeckt.

Der Bericht mit den Ergebnissen der Evaluation des Modellprojekts biko ist hier abrufbar.

Hintergrundinformationen und Studienergebnisse zum Thema Kostenübernahme von Verhütung haben wir hier zusammengestellt.

pro familia hat zum Menschenrecht Verhütung und der Forderung einer Kostenübernahme für Verhütung eine „Offenbacher Erklärung“ abgegeben, die hier abrufbar ist.

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„Wer in Schwangerschaftsberatungsstellen Rat sucht, hat ein Recht auf Vertraulichkeit“

Am morgigen Donnerstag, den 22. August 2019 findet im hessischen Landtag eine Anhörung zum Thema Schutzzonen vor Schwangerschaftsberatungsstellen statt.

Der pro familia Bundesverband, der bei der Anhörung vertreten ist, spricht sich für eine bundesweite gesetzliche Lösung aus, die einen Abstand von Demonstrationen zu Beratungsstellen festschreibt. Nur so können die im Schwangerschaftskonfliktgesetz verbrieften Rechte der Frauen und der dort formulierte Auftrag der anerkannten Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen sichergestellt werden.

„Belagerungen, die unmittelbar vor dem Eingang von Beratungsstellen stattfinden, beeinträchtigen die Arbeit der Beratungsstellen in hohem Maße. Sie beeinflussen Ratsuchende mit Parolen, lauten Gebeten und Gesängen. Der Gang in die gesetzlich vorgeschriebene Beratung vor einem möglichen Schwangerschaftsabbruch wird auf diese Weise zu einem Spießrutenlauf“, heißt es in der Stellungnahme, die der pro familia Bundesverband beim hessischen Landtag eingereicht hat.

Damit könne der staatliche Auftrag der Beratungsstellen nicht gewährleistet werden. Politik und Verwaltung seien dazu verpflichtet, gegen die Belagerungen einzuschreiten.

Die Stellungnahme ist hier abrufbar.

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16.5.2019: Homosexualität bedarf keiner Heilung

Zum Weiterlesen: Das Recht aller Menschen auf eine selbstbestimmte Sexualität. pro familia Position zu sexueller Vielfalt. (2016)

pro familia nimmt anlässlich des IDAHOT zu Konversionstherapien Stellung

Am 17. Mai 1990 beschloss die Weltgesundheitsorganisation (WHO), Homosexualität aus ihrem Diagnoseschlüssel für Krankheiten zu streichen. Dieses Datum wird seitdem als Internationaler Tag gegen Homophobie, Transphobie und Biphobie (IDAHOT) begangen. pro familia begrüßt, dass sich der Bundestag am diesjährigen IDAHOT mit der Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt befassen wird und nimmt zu sogenannten Konversionstherapien Stellung, die der Verband strikt ablehnt.

‚Umpolungs- und Konversionstherapien‘, die vor allem von religiös-fundamentalistischen Organisationen angeboten werden, basieren auf einer Abwertung von Homosexualität und Trans*/Inter*Geschlechtlichkeit und zielen auf eine Änderung von Sexualverhalten, sexueller Orientierung oder Geschlechtsidentität ab. Solche ‚Therapien‘ verstoßen in eklatanter Weise gegen das Selbstbestimmungsrecht.

„Auf keinen Menschen darf Druck ausgeübt werden, seine Genderidentität oder seine sexuelle Orientierung zu verbergen, zu unterdrücken oder zu leugnen. Dies ist Teil der sexuellen und reproduktiven Rechte, die für pro familia den Rang von Menschenrechten haben“, betont pro familia Bundesvorsitzende Dörte Frank-Boegner. „Behandlungen, die eine ‚Umpolung‘ zum Ziel haben, sind zudem ein Schlag ins Gesicht aller professionellen Berater*innen und Therapeut*innen“.

pro familia begrüßt, dass Konversionstherapien gesetzlich verboten werden sollen. Insbesondere junge Menschen müssen vor solchen Behandlungen und ihren schädlichen Effekten geschützt werden. „Junge Menschen in ihrer sexuellen Entwicklung zu unterstützen, heißt, ihnen eine ergebnisoffene Beratung anzubieten, die das Ziel hat, sie in ihrer Selbstbestimmung bezüglich ihrer Geschlechtsidentität zu fördern“, unterstreicht Frank-Boegner. „pro familia verurteilt jegliche Voreingenommenheit, Stigmatisierung, Pathologisierung oder Benachteiligung aufgrund sexueller Orientierung“.

Homosexualität war nie eine Krankheit und bedarf keiner Heilung. Das haben auch der Weltärztebund und die Weltgesundheitsorganisation bestätigt. Menschen, deren Sexualität oder Geschlecht nicht in das herkömmliche Schema passen, laufen häufiger Gefahr, psychische Erkrankungen zu entwickeln, zeigen Studien. Der Grund: Diskriminierung und Ausgrenzung durch das soziale Umfeld. Eine wichtige Lebensphase für die Prävention psychischer Störungen als Folge von Diskriminierung, Isolation und Gewalt aufgrund der sexuellen Orientierung oder der Geschlechtsidentität ist das Jugendalter. Hier prägen sich Geschlechtsidentität und sexuelle Orientierung aus. Für die Prävention bedeutet das, dass gerade in dieser Zeit zum Beispiel in der Schule positive Einstellungen und Werte von Selbstbestimmung und Pluralität im Zusammenhang mit Aspekten der Sexualität vermittelt und entwickelt werden müssen.

Der Verband hat sich zum Ziel gesetzt, sexuelle Vielfalt sichtbar zu machen und deren gesellschaftliche Akzeptanz zu erhöhen. Mit sexueller Bildung will pro familia zudem sexuelle Kompetenzen fördern – Basis für einen selbstbestimmten, gleichberechtigten und verantwortungsvollen Umgang mit Sexualität.

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13.5.2019 pro familia fordert selbstbestimmte Familienplanung für alle Menschen und die Sicherstellung qualifizierter Beratung

Einstimmiger Beschluss der Delegierten: die "Offenbacher Erklärung"

Bundesdelegiertenversammlung von pro familia verabschiedet „Offenbacher Erklärung“

Jeder Mensch hat das Recht, darüber zu entscheiden, ob er sich fortpflanzen möchte oder nicht. Voraussetzung für diese Entscheidung ist der Zugang zu Familienplanung. pro familia setzt sich für die Weiterentwicklung von selbstbestimmter Familienplanung, für die Kostenübernahme von allen Verhütungsmitteln und -methoden für alle Menschen über die Krankenkassen sowie für den Ausbau einer menschenrechtsbasierten Verhütungsberatung ein. Dies beschlossen die Delegierten in einer „Offenbacher Erklärung“ auf der jährlichen Versammlung am 12. Mai 2019.

pro familia fordert, die Kostenübernahme für alle Verhütungsmittel und für alle Menschen über die Krankenkassen sicherzustellen. Verschreibungspflichtige und nicht-verschreibungspflichtige Verhütungsmittel müssen in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen aufgenommen werden, ebenso wie die Kosten für ärztliche Leistungen, die im Zusammenhang mit Verhütung entstehen. Auch für Sterilisationen sollte die Kostenübernahme gelten: Denn es ist nicht einzusehen, warum diese sichere und nebenwirkungsarme „Dauerverhütung“ zum Beispiel nach Abschluss der Familienphase – oder wenn grundsätzlich kein Kinderwunsch besteht – außen vor bleiben sollte.

Insbesondere Menschen mit wenig Geld sind auf eine schnelle gesetzliche Lösung angewiesen. In einem ersten Schritt fordert pro familia deshalb, den Rechtsanspruch auf kostenfreien Zugang zu allen Verhütungsmitteln für Menschen mit wenig Einkommen zu garantieren und als bundesweite Regelung im SGB V zu verankern.

Mit der „Offenbacher Erklärung“ verpflichtet sich pro familia außerdem, alles für den Ausbau und die fachliche Weiterentwicklung von unabhängigen Angeboten der freiwilligen, rechtebasierten psychosozialen Verhütungsberatung neben dem Angebot der niedergelassenen Ärzt*innen zu tun. Denn die Anforderungen an die Beratung steigen, die Fragen zu Sicherheit und Wirksamkeit von Verhütungsmitteln und wie sie zur individuellen Lebenssituation passen, werden immer komplexer, insbesondere wenn Klient*innen nicht gut Deutsch sprechen, kognitive oder körperliche Beeinträchtigungen haben, keine Krankenversicherung oder Aufenthaltspapiere vorweisen können. pro familia setzt Erfahrung und beraterisches Können dafür ein, Menschen zu unterstützen und sie in ihren sexuellen und reproduktiven Rechten zu stärken.

Bereits am Vortag hatte sich der Verband auf der Fachtagung „Verhütungsberatung: Lebensnah – an den Menschenrechten orientiert“ mit Verhütungsberatung und den Herausforderungen für die Zukunft befasst. Die Teilnehmenden diskutierten in den Workshops unter anderem die Fragen, wie die Arbeit mit Dolmetscher*innen gelingen und Social Media für die Informationsarbeit zu Verhütung insbesondere für die Zielgruppe junger Menschen genutzt werden kann.

Die Delegierten wählten einen neuen Bundesvorstand. Als Nachfolge von Prof. Dr. Davina Höblich folgt Dörte Frank-Boegner in das Amt der Bundesvorsitzenden. Dörte Frank-Boegner ist pro familia seit 35 Jahren verbunden, hat 26 Jahre mit dem Schwerpunkt Paar- und Sexualberatung in der pro familia Beratungsstelle in Marburg gearbeitet und ist seit vielen Jahren Mitglied im Fachausschuss Fort- und Weiterbildung des pro familia Bundesverbands. Sie ist in eigener Praxis als Familien,- Paar- und Sexualberaterin in Marburg tätig und bietet Fort- und Weiterbildung in der Paar- und Sexualberatung an. „Mir ist es ein Anliegen, die Vielfalt der Beratung sichtbar zu machen und die Politik in die Pflicht zu nehmen, für die institutionelle Beratung etwas zu tun“, machte Frank-Boegner deutlich. Als neue stellvertretende Vorsitzende gehören dem Bundesvorstand Stephanie Schlitt, Expertin für Gender und Frauenrechte aus Berlin, und Jann Schweitzer, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachbereich Erziehungswissenschaften der Universität Frankfurt am Main und Berater bei der AIDS-Hilfe in Frankfurt am Main, an. Die stellvertretende Vorsitzende Alina Marlene Schmitz wurde für eine zweite Amtszeit wiedergewählt, Schatzmeister Dr. Dirk-Oliver Kaul setzt seine zweite Amtszeit fort.

13. Mai 2019

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Die Offenbacher Erklärung als PDF-Dokument

10.4.2019 Bei Risikoschwangerschaften muss der Grundsatz der Gleichbehandlung gelten

pro familia befürwortet Kassenzulassung von NIPT innerhalb enger Grenzen der Anwendung und fordert Stärkung der psychosozialen Schwangerenberatung

Morgen, am 11. April 2019, debattieren die Abgeordnete im Bundestag darüber, ob ein nicht-invasiver pränataler Bluttest (NIPT) in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen aufgenommen werden soll. Dazu erklärt der pro familia Bundesverband:

pro familia spricht sich dafür aus, den NIPT bei Risikoschwangerschaften aus Gründen der Gleichbehandlung in den Leistungskatalog der GKV aufzunehmen. Ein flächendeckender Einsatz des NIPT als „Screening Methode“ bei allen Schwangeren zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen lehnt pro familia ab. Dies würde dazu führen, dass der NIPT zu einer allgemein verbindlich empfohlenen Untersuchung wird und es dadurch Frauen und Paaren schwer gemacht wird, den Test abzulehnen.

Frauen und Paare haben ein Recht auf informierte Entscheidungen im Kontext ihrer sexuellen und reproduktiven Gesundheit. Dazu zählt auch die Entscheidung für oder gegen pränataldiagnostische Maßnahmen (PND) während einer Schwangerschaft. Dies impliziert sowohl eine Recht auf Information, ein Recht auf Nichtwissen und ein Recht auf Teilhabe am medizinischen Fortschritt.

Bei Vorliegen einer individuellen Vorbelastung bzw. bei definiertem Risiko darf die Entscheidung für oder gegen einen als zuverlässig bewerteten nicht invasiven Pränatal Tests (NIPT) nicht von den finanziellen Möglichkeiten einer Schwangeren abhängig sein. Bislang werden für Risikoschwangere bereits invasive und damit gesundheitlich belastendere Methoden wie die Amniozentese oder die Chorionzottenbiopsie durch die Krankenkassen finanziert. Daher befürwortet pro familia die Aufnahmen des NIPT in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen innerhalb enger Grenzen der Anwendung bei definierten Risikoschwangerschaften im Kontext einer freiwilligen, professionellen psychosozialen Schwangerenberatung.

Der NIPT stellt ein Testverfahren zur Risikoermittlung bezüglich des Vorliegens einer Chromosomenstörung beim erwarteten Kind dar. Die Möglichkeiten der PND werden immer differenzierter und setzen immer früher im Verlauf der Schwangerschaft an. Deshalb ist aus Sicht von pro familia zentral, Frauen und Paare durch ein niedrigschwelliges und flächendeckendes Angebot an psychosozialer Beratung zu unterstützen, das als freiwilliges und ergänzendes Angebot zur Verfügung gestellt wird. Information und Auseinandersetzung sind zentrale Aspekte, um Entscheidungen für oder gegen PND beziehungsweise für oder gegen bestimmte Methoden treffen zu können. So setzen Schwangere bzw. Paare zumeist auf die Bestätigung durch einen unauffälligen Befund und geraten durch einen auffälligen Befund in tiefe Krisen. Nicht wenige Paare entscheiden sich im Falle des Nachweises einer Chromosomenstörung beim Kind zu einem Schwangerschaftsabbruch im Rahmen der medizinischen Indikation. Ein auffälliger PND-Befund kann aber auch dazu führen, dass sich Paare schon in der Schwangerschaft auf die Geburt ihres „besonderen“ Kindes vorbereiten und einstellen.

Frauen und Paare haben das Recht, sich ohne Stigmatisierung – auch bei einem auffälligen/pathologischen Befund – für das Austragen einer Schwangerschaft zu entscheiden. Dazu benötigen sie eine angemessene Unterstützung. Hierfür müssen die gesellschaftspolitischen Voraussetzungen geschaffen werden gemäß der UN Behindertenkonvention.

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pro familia spricht sich in einer Stellungnahme erneut für die Streichung des §219a StGB aus

Morgen, am 6. Februar 2019, will sich das Bundeskabinett mit dem §219a StGB beschäftigen. Zur Diskussion und Abstimmung steht der Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz, den das Ministerium vor einer Woche vorgelegt hatte.

Der pro familia Bundesverband hat eine Stellungnahme zu diesem „Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Information über einen Schwangerschaftsabbruch“ abgegeben. Darin kritisiert pro familia, dass die Informationsrechte weiterhin eingeschränkt bleiben sollen. Auch werde der Referentenentwurf dem Anspruch nicht gerecht, juristisch und gesellschaftlich der Stigmatisierung des Schwangerschaftsabbruchs und der Stigmatisierung von Ärzt*innen, die ihn medizinisch durchführen, entgegenzuwirken.

pro familia spricht sich in der Stellungnahme erneut für die ersatzlose Streichung des §219a aus dem Strafgesetzbuch aus. Die Einführung zentraler Listen von Ärzt*innen, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen, lehnt der Verband ab. Diese Listen wären nie vollständig, denn pro familia weiß um die Problematik vieler Ärzt*innen, die zwar Schwangerschaftsabbrüche durchführen, aber in dem gesellschaftlichen Klima der Stigmatisierung nicht öffentlich genannt sein wollen.

Für pro familia ist es nicht plausibel, warum die gesetzliche Änderung des §219a StGB mit der Heraufsetzung der Altersgrenze für kostenlose, ärztlich verordnete Verhütungsmittel auf 22 Jahre verknüpft wird, zumal diese neue Altersgrenze willkürlich ist. Zu den sexuellen und reproduktiven Rechten gehört, dass alle Menschen Zugang zu sicheren und gesundheitsschonenden Verhütungsmitteln haben müssen. „Wenn die Bundesregierung einerseits anerkennt, dass die hohen Verhütungskosten eine Belastung sind, die eine Finanzierung durch die Krankenkasse erfordert, und sie andererseits die Überzeugung vertritt, dass kostenlos zur Verfügung stehende Verhütungsmittel die Schwangerschaftsabbruchzahlen senken, dann ergibt eine Altersgrenze keinen Sinn“, heißt es in der Stellungnahme. pro familia setzt sich deshalb für den kostenlosen Zugang zu allen – auch nicht  verschreibungspflichtigen – Verhütungsmitteln für alle Menschen ein. Die derzeit im Deutschen Bundestag und in der Gesellschaft geführten Debatten über den Zugang zu kostenlosen Verhütungsmitteln müssen weitergeführt werden. Zu kurz greifende, schnelle Lösungen werden dem Recht auf gute gesundheitliche Versorgung, das alle Menschen haben, nicht gerecht.

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Die Stellungnahme ist hier abrufbar.

5.2.2019

 

pro familia hält an der Streichung des §219a StGB fest

Die Bundesregierung hat am 28. Januar 2019 über die Medien einen Referentenentwurf zum §219a StGB verbreiten lassen. Zu diesem Entwurf erklärt der pro familia Bundesverband:

Wir begrüßen, dass sich die Bundesregierung zu einem neuen Vorschlag durchgerungen hat, der die Defizite in der Informationslage zum Schwangerschaftsabbruch anerkennt.

Gleichzeitig stellen wir fest, dass der Referentenentwurf seinem Titel „Verbesserung der Information über einen Schwangerschaftsabbruch“ nicht gerecht wird. Denn der Entwurf sieht vor, dass Ärzt*innen weiterhin reglementiert werden, wie sie auf ihren Webseiten informieren dürfen. Es ist absurd, dass sie erwähnen dürfen, dass sie Schwangerschaftsabbrüche durchführen, aber nicht, mit welcher Methode. Wenn Frauen sich darüber informieren wollen, ob die Ärzt*in oder die Klinik in ihrer Nähe eine bestimmte Methode anbietet, müssen sie nach dem Vorschlag der Bundesregierung auf Listen der Bundesärztekammer oder der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung nachschauen – eine niedrigschwellige Information sieht anders aus.

Die Listen selbst sind ebenfalls keine Lösung. Sie werden von der Bundesärztekammer mit großem Aufwand monatlich aktualisiert und werden dennoch lückenhaft sein, da nur ein Bruchteil der Ärzt*innen eine Meldung dorthin vornehmen wird. Warum sollten sie sich auf eine öffentliche Liste setzen lassen für einen Eingriff, der durch seine Verortung im Strafgesetzbuch und Behandlung als Straftat grundsätzlich stigmatisiert wird? Des weiteren ist fraglich, ob die zahlreichen Änderungen überhaupt aktuell in eine solche Liste eingepflegt werden können. Hier wird ein komplizierter Prozess mit vielen Fehlerquellen in Gang gesetzt, um Informationen zur Verfügung zu stellen, die einfach auf einen Blick auf der jeweiligen Webseite der Ärzt*in oder der Klinik abrufbar sein könnten.

Und warum das Ganze? Der §219a StGB soll beibehalten werden mit dem Argument des Lebensschutzes und der Notwendigkeit des Ausschlusses von Werbung. Der Lebensschutz ist aber im §218/§ 219 StGB schon gesetzlich geregelt und bedarf nicht des §219a StGB. Und wenn die Werbeverbote der ärztlichen Berufsordnungen auf Landesebene nicht ausreichen, so können Ergänzungen im Heilmittelwerbegesetz diese Lücke leicht schließen, hat die Expertise des Deutschen Juristinnenbundes gezeigt. Als Beratungsfachverband verweisen wir darauf, dass sich keine Frau wegen einer eventuellen Werbung für einen Schwangerschaftsabbruch entscheidet.

Schließlich ist unverständlich, warum ein Gesetzentwurf zur „Verbesserung der Information über einen Schwangerschaftsabbruch“ eine Anhebung der Altersgrenze für die Kostenübernahme von Verhütungsmitteln auf 22 Jahre vorsieht. Grundsätzlich begrüßen wir den Vorstoß, Menschen über die Krankenkassen einen niedrigschwelligen Zugang zu einer selbstbestimmten Familienplanung zu ermöglichen. Die Altersgrenze ist allerdings willkürlich und löst nicht das grundlegende Problem des Zugangs zu Verhütungsmitteln.

So wohlmeinend der Gesetzesentwurf auf den ersten Blick daher kommt, bleiben wichtige Aspekte des Informationsrechts von Ärzt*innen sowie von Frauen, Männern und Paaren unberücksichtigt. pro familia hält daher an der Forderung einer Streichung des §219a StGB fest.

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23.1.2019: Jetzt erst recht! Sexuelle Selbstbestimmung ist nicht verhandelbar

pro familia unterstützt den bundesweiten Aktionstag am 26. Januar 2019

Am 24. November 2017 stand die Ärztin Kristina Hänel vor Gericht, weil sie angeblich Werbung für den Schwangerschaftsabbruch betrieben hat. Heute, 14 Monate später, ist der §219a StGB, auf den die Anklage beruht, immer noch in Kraft. pro familia ist wie viele Verbände und Einzelpersonen entsetzt, dass der im Dezember vorgeschlagene „Kompromiss“ der Bundesregierung das Informationsrecht von Ärzt*innen ignoriert. Ein bundesweiter Aktionstag soll lautstark darauf aufmerksam machen, dass eine andere Lösung auf den Tisch muss.

„Wir bekräftigen unsere Haltung, dass die Informationen, die Ärzt*innen auf ihre Webseiten stellen, keine Werbung sind und deshalb straffrei sein müssen. Um künftig Rechtssicherheit für die Ärzt*innen zu schaffen, gibt es nur eins: der §219a StGB muss gestrichen werden“, betont Prof. Dr. Davina Höblich, Bundesvorsitzende von pro familia. „Wir rufen deshalb dazu auf, am Aktionstag teilzunehmen und zu zeigen, dass die Stimmen für die Informationsfreiheit von Ärzt*innen und auch von Frauen nicht leiser geworden sind“.

Bundesweit werden sich Menschen zu Wort melden, die sich gegen die Kriminalisierung von Ärzt*innen wenden. Besonders empörend ist für viele, mit welchen Unterstellungen in der Diskussion gearbeitet wird. „Die Vorstellung, dass Informationen über den Schwangerschaftsabbruch auf den Webseiten der Ärzt*innen eine Entscheidung für einen Schwangerschaftsabbruch nahelegen und sich die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche damit erhöht, ist absurd“, erklärt Prof. Dr. Höblich. „Wir stehen für das Recht auf eine selbstbestimmte Familienplanung und für Freiheit vom Reproduktionszwang. Dies schließt sachliche Informationen und den Zugang zum wohnortnahen Schwangerschaftsabbruch ein.“

Frauen, Männer und Paare haben ein Recht darauf, sich zu informieren, nach welcher Methode Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt werden, wie er abläuft, wie die Haltung der Klinik oder der Praxis ist und was er kostet. Wer könnte diese Informationen besser zur Verfügung stellen als die Ärzt*innen und Kliniken selbst? Im Internet veröffentlichte Listen von Ärzt*innen werden weder aktuell noch vollständig sein.

Als führender Verband für Sexualität, Partnerschaft und Familienplanung stehen wir an der Seite unserer Klient*innen. Wir beobachten seit einigen Jahren mit Sorge eine sich immer deutlicher verschlechternde Versorgungslage für Frauen, die einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen lassen wollen. Diese ist auch der Kriminalisierung von Ärzt*innen geschuldet.

pro familia hat zur weiteren Information Dokumente und Materialien online gestellt:
§219a StGB: Informationen zum Schwangerschaftsabbruch

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13.12.2018: Nur eine Streichung des Paragraphen 219a StGB schützt Ärzt*innen vor Kriminalisierung

pro familia lehnt den halbherzigen Vorschlag der Bundesregierung ab

Zum gestern vorgelegten „Vorschlag der Bundesregierung zur Verbesserung der Information und Versorgung in Schwangerschaftskonfliktlagen“ erklärt der pro familia Bundesverband:

Der Vorschlag bietet keine Lösung in der Sache §219a StGB. Anstatt mit einer Streichung des Paragraphen ein für alle Mal Rechtsicherheit für Ärzt*innen zu erreichen, will die Bundesregierung die Informationsmöglichkeiten von Ärzt*innen weiterhin einschränken. pro familia bleibt dabei, dass die Informationen, die Ärzt*innen auf ihre Webseiten stellen, keine Werbung sind und der §219a StGB gestrichen werden muss.

Laut Vorschlag sollen Ärzt*innen künftig auf ihren Webseiten nur darauf hinweisen dürfen, dass sie Schwangerschaftsabbrüche durchführen, bei allen anderen Fragen sollen sie auf staatliche Internetseiten verweisen. Unsere Erfahrung aus der Beratung zeigt aber, dass Frauen weitergehende Informationen benötigen, wie z.B. nach welcher Methode der Abbruch durchgeführt wird, wie der Ablauf ist und wie die Haltung der Praxis bzw. der Klinik zum Schwangerschaftsabbruch aussieht. Diese Informationen werden weder auf einer staatlichen Internetseite oder einer zentralen Kontaktliste zu finden sein, dabei sind sie für Frauen, die sich für einen Schwangerschaftsabbruch entschieden haben, essentiell.

Völlig unverständlich ist für pro familia, warum die Bundesregierung in ihrem Vorschlag die Idee einer Studie über die seelischen Folgen eines Schwangerschaftsabbruchs formuliert. Es liegen ausreichend seriöse Studien dazu seit Jahren auf dem Tisch, eine weitere ist nicht notwendig. Das Post-Abortion-Syndrom ist eine Erfindung von Gegner*innen reproduktiver Selbstbestimmung und hat mit dem Informationsrecht zum Schwangerschaftsabbruch nichts zu tun.

Solange der §219a StGB weiter besteht, hat er Folgen für:

  • die Kriminalisierung von Ärzt*innen,
  • die Tabuisierung des Schwangerschaftsabbruchs in der Gesellschaft,
  • das dahinterliegende problematische Frauenbild (z. B. die Unterstellung, die Sichtbarmachung von medizinischen Angeboten zum Schwangerschaftsabbrüchen produziere eine Nachfrage nach Schwangerschaftsabbrüchen),
  • die Bereitschaft von (jungen) Ärzt*innen einen Schwangerschaftsabbruch vorzunehmen, die immer geringer zu werden scheint,
  • eine flächendeckende Versorgung, die nicht mehr gewährleistet wird.

pro familia ist über das dürftige, fachlich kontraproduktive Ergebnis des langen zähen Ringens bestürzt. Wir fordern von der Bundesregierung ein deutliches Signal an Ärzt*innen, dass die Informationen auf ihren Webseiten zulässig sind. Für Ärzt*innen und informationssuchende Frauen gibt es nur eins: Der §219a StGB muss gestrichen werden!

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27.9.2018: Das Recht auf vertrauliche Beratung darf nicht ausgehöhlt werden

pro familia fordert den Gesetzgeber auf, Schutzzonen vor Schwangerschaftsberatungsstellen festzuschreiben

Seit dem 26. September 2018 und insgesamt 40 Tage lang belagern Gegner*innen reproduktiver Selbstbestimmung pro familia Beratungsstellen. Sie verweigern Frauen das Recht, selbstbestimmt über ihren Körper und ihr Leben zu entscheiden und lehnen die rechtlichen Regelungen zum Schwangerschaftsabbruch ab. Damit werden alle Nutzerinnen der Angebote von pro familia (Sexuelle Bildung, Sexualberatung, Beratung zu Elterngeld, Beratung bei unerfülltem Kinderwunsch, Beratung zu Pränataldiagnostik), die die beiden betroffenen Beratungsstellen in Frankfurt und Pforzheim in den 40 Tagen aufsuchen, singenden und betenden Aktivist*innen ausgesetzt. Diese schrecken nicht einmal davor zurück, durch Fotografieren die Privatsphäre der Klient*innen zu verletzen, obwohl dies strafbar ist. Das im Schwangerschaftskonfliktgesetz formulierte Recht auf anonyme Beratung und Information wird konterkariert und Ratsuchende werden in unzumutbarer Weise belästigt.

Dazu erklärt die Bundesvorsitzende von pro familia, Prof. Dr. Davina Höblich:

„Und wieder wird die gesetzlich vorgeschriebene Beratung vor einem Schwangerschaftsabbruch in Frankfurt zum Spießrutenlauf. Erneut werden Gegner*innen reproduktiver Selbstbestimmung der ‚40 days for life‘ Ratsuchende mit Parolen, großen Fotos von Embryos, lauten Gebeten und Gesängen verunsichern, bevormunden und demütigen. pro familia hat schon anlässlich der Belästigungen an Ostern Schutzzonen vor Schwangerschaftsberatungsstellen gefordert, damit ratsuchende Frauen, Männer und Paare von Demonstrierenden unbehelligt bleiben. Nun appelieren wir erneut an den Gesetzgeber, alles dafür zu tun, damit der gesetzliche Auftrag, eine vertrauliche, ergebnisoffene Beratung anzubieten, sichergestellt werden kann.

Das Schwangerschaftskonfliktgesetz sieht vor, dass die Beratung vor einem Schwangerschaftsabbruch ergebnisoffen und auf Wunsch anonym gestaltet werden soll. Dies ist durch die Belagerung der Beratungsstellen nicht gewährleistet. Deshalb fordert pro familia den Gesetzgeber auf, Schutzzonen vor Schwangerschaftsberatungsstellen festzuschreiben. Durch eine Ergänzung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes – wie es beispielsweise auch bei der Einführung der Vertraulichen Geburt notwendig war und umsetzt wurde – sollte der Gesetzgeber Bedingungen definieren, wie die Vertraulichkeit der Beratung sichergestellt werden kann.

pro familia nimmt ihre Aufgabe sehr ernst, Frauen zu helfen, eine verantwortliche Entscheidung zu treffen. Diese Arbeit darf nicht durch unzumutbare Belästigungen torpediert werden. Frauen, Männer und Paare dürfen nicht an an der Wahrnehmung ihres Rechts auf unabhängige Beratung und Information gehindert werden.“

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27.8.2018: Weitere Prozesse wegen §219 a StGB zeigen dringenden Handlungsbedarf auf

pro familia fordert: Ärzt*innen müssen ohne Risiko vor Strafverfolgung über ihr medizinisches Angebot zum Schwangerschaftsabbruch informieren dürfen

Übermorgen findet in Kassel ein Prozess gegen zwei Frauenärztinnen statt, die auf ihrer Webseite darüber informiert haben, dass sie Schwangerschaftsabbrüche durchführen. Dazu erklärt der pro familia Bundesverband:

Dieser weitere Prozess gegen Ärzt*innen zeigt den dringenden Handlungsbedarf auf, den §219a aus dem Strafgesetzbuch zu streichen. Der §219a StGB stellt nicht nur die unbotmäßige Werbung für den Schwangerschaftsabbruch unter Strafe, sondern bereits sachliche Informationen über die konkreten Möglichkeiten eines Schwangerschaftsabbruchs. Dieser Zustand muss beendet werden. Sachliche Informationen sind keine „Werbung“.

pro familia berät jährlich rund 65 000 Menschen im Rahmen der Pflichtberatung vor einem Schwangerschaftsabbruch. Die meisten von ihnen wollen wissen, welche Ärztinnen und Ärzte einen Schwangerschaftsabbruch durchführen, welche Abbruchmethoden sie anbieten und welche Erfahrungen es dazu gibt. Schwangerschaftsberater*innen recherchieren die regionalen medizinischen Angebote zum Schwangerschaftsabbruch. So können sie bei Bedarf und auf Wunsch der Frauen dazu informieren und beraten. Wir von pro familia wissen, wie essentiell diese Informationen für Frauen, die einen Schwangerschaftsabbruch erwägen, sind – aber sie sind außerhalb der Beratung nicht zu erhalten. Denn der §219a StGB verhindert, dass Ärztinnen und Ärzte die Informationen auf ihre Webseiten stellen. Er verhindert, dass sich Frauen niedrigschwellig informieren können, wie, wo und durch wen straflose Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt werden.
pro familia fordert – zusammen mit vielen Verbänden und Einzelpersonen–, dass Ärzt*innen ohne Risiko vor Strafverfolgung über ihr medizinisches Angebot zum Schwangerschaftsabbruch informieren dürfen. Der Beratungsverband setzt sich für einen freien Zugang zu Informationen über Schwangerschaftsabbrüche ein und wendet sich gegen die Kriminalisierung von Ärztinnen und Ärzten durch den §219a StGB.

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28.6.2018: pro familia begrüßt Bundestagsdebatte über selbstbestimmte Familienplanung

Verhütungskosten sind für viele Menschen mit wenig Geld unbezahlbar.

Anträge von Bündnis 90/Die Grünen und der Linken fordern kostenlosen Zugang zu Verhütungsmitteln

Heute, am 28. Juni 2018, wird der Bundestag über Anträge der Linke und von Bündnis 90/Die Grünen beraten, die Menschen mit geringem Einkommen einen kostenlosen Zugang zu Verhütungsmitteln ermöglichen wollen. pro familia begrüßt, dass das Thema im Bundestag diskutiert wird. Der Fachverband spricht sich seit langem für eine bundesweite Lösung aus, die Menschen unabhängig vom Geldbeutel sexuelle Selbstbestimmung und Entscheidungsfreiheit hinsichtlich der Familienplanung ermöglicht.

Mit einer Bundestagspetition hat pro familia 2015 in Erinnerung gerufen, dass Verhütung ein Menschenrecht ist, das nicht am Geld scheitern darf. Dieses Menschenrecht auf Familienplanung wurde erstmals 1968 von den Vereinten Nationen in Teheran verkündet, 1979 im UN-Frauenrechtsabkommen CEDAW festgeschrieben, auf der Bevölkerungskonferenz in Kairo 1994 in das Konzept der sexuellen und reproduktiven Gesundheit integriert und vom Europaparlament 2008 bestätigt. Die Forderung nach Zugang zu Verhütung findet sich auch wieder in den „Sustainable Development Goals“ der „Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung“, denen sich die Bundesregierung verpflichtet hat. Im Mittelpunkt der Forderungen steht der Zugang zu einer qualifizierten Beratung sowie zu einer Bandbreite von sicheren, zuverlässigen, qualitativ hochwertigen und erschwinglichen Verhütungsmitteln. pro familia begrüßt, dass in den morgen im Bundestag behandelten Anträgen auf die internationalen Abkommen Bezug genommen und die derzeitige Situation als unvereinbar mit dem menschenrechtsbasierten Konzept der sexuellen und reproduktiven Gesundheit und Rechte angesehen wird.

Verhütungsmittel spielen eine elementare Rolle bei der Vermeidung ungewollter Schwangerschaften. Es muss dafür gesorgt werden, dass alle Menschen sie sich leisten können. Eine Spirale (bis zu 400 Euro) können Frauen mit wenig Geld häufig nicht bezahlen. Auch Mehrmonatspackungen der Pille bleiben für viele unerschwinglich. Das betrifft zum Beispiel Frauen, die auf Arbeitslosengeld II oder Sozialhilfe angewiesen sind aber auch Studentinnen, die BAföG beziehen. Aus finanziellen Gründen müssen sie auf die für sie individuell passende Verhütungsmethode verzichten und auf ein günstigeres, häufig unsichereres oder gesundheitlich weniger verträgliches Verhütungsmittel ausweichen.

Wie eine Kostenübernahme von Verhütungsmitteln realisiert werden kann, erprobt der pro familia Bundesverband derzeit mit einem bundesweiten Modellprojekt: „biko – Beratung, Information und Kostenübernahme bei Verhütung“ wird vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) gefördert und läuft noch bis September 2019. Darüber hinaus wird im Modellprojekt auch ein Konzept für eine menschenrechtsbasierte Verhütungsberatung erarbeitet. pro familia begrüßt, dass der Bundesrat im Dezember 2017 die Bundesregierung aufgefordert hat, bei der Schaffung der rechtlichen Voraussetzung einer Kostenübernahme für Verhütungsmittel die Erfahrungen aus dem Modellprojekt zu berücksichtigen.

Zum Weiterlesen

WHO (2014): Rahmenkonzept für die Sicherstellung der Menschenrechte bei der Bereitstellung von Informationen und Diensten im Bereich der Empfängnisverhütung (Übersetzung: pro familia Bundesverband 2018). Download als pdf-Dokument

 

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27.6.2018: Die Informationsrechte von Frauen und Männern sichern, Rechte von Ärztinnen und Ärzten stärken!

pro familia legt im Rechtsausschuss des Bundestags dar, warum der §219a StGB gestrichen werden muss

Heute, am 27. Juni 2018, findet im Bundestagsausschuss für Recht und Verbraucherschutz eine öffentliche Anhörung zum §219a StGB statt. Dazu erklärt der pro familia Bundesverband:

Frauen und Männer haben in Deutschland ein Recht auf Zugang zu Gesundheits- und medizinischen Angeboten für den rechtmäßigen Schwangerschaftsabbruch. Dazu gehört neben dem Informationsrecht auch das Recht auf freie Arztwahl. Der §219a StGB schränkt dieses Recht wesentlich ein. Er stellt nicht nur die unbotmäßige Werbung für den Schwangerschaftsabbruch unter Strafe. §219a StGB erschwert Schwangeren bereits den freien Zugang zu sachlichen Informationen über die konkreten Möglichkeiten eines Schwangerschaftsabbruchs. Ärztinnen und Ärzte stoßen auf eine widersprüchliche Rechtslage. Sie dürfen zwar unter bestimmten Voraussetzungen Schwangerschaftsabbrüche rechtmäßig vornehmen, sind aber nicht berechtigt, öffentlich darüber zu informieren. Dieser Zustand sollte beendet werden.

pro familia spricht sich für die Gesetzesentwürfe zur Streichung des §219a aus dem Strafgesetzbuch aus. Die Streichung ist notwendig, um die sexuellen und reproduktiven Rechte von Frauen und Männern auf Zugang zur ärztlichen Information und den Zugang zu medizinischer Versorgung zu sichern und zugleich die Rechte von Ärztinnen und Ärzten umzusetzen. Eine Reform des §219a StGB, wie sie von Abgeordneten der FDP vorgeschlagen wird, eröffnet dagegen neue Auslegungsspielräume, die geeignet sind, Druck auf Ärztinnen und Ärzten auszuüben und gegen die Informationsrechte zu verstoßen.

pro familia hat dem Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz eine ausführliche Stellungnahme vorgelegt, die die Notwendigkeit einer Streichung des §219a aus dem Strafgesetzbuch verdeutlicht. Die Gesundheitswissenschaftlerin und ehemalige pro familia Bundesvorsitzende Prof. Dr. Daphne Hahn wird dem Ausschuss als pro familia Sachverständige zur Verfügung stehen.

Die Stellungnahme ist hier abrufbar.

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Modellprojekt von pro familia unterstützt engagierte Helfer*innen mit Online-Plattform und Fachwissen

Schwangere, geflüchtete Frauen haben ein Recht auf medizinische Betreuung und psychosoziale Beratung. Für die Umsetzung dieses Rechts kommt es auf die Unterstützung durch Professionelle und Ehrenamtliche an. Anlässlich des Weltflüchtlingstags am Mittwoch, den 20. Juni 2018 informiert pro familia über die Bedarfe der Frauen und welche Angebote Fachkräfte nutzen können, um effizienter Hilfe zu leisten.

Zentrale Faktoren, die den Zugang zu medizinischer Versorgung erschweren

„Schwangere, geflüchtete Frauen stehen meist vor mehreren gleichzeitigen Belastungen und brauchen daher schnelle und einfache – vor allem trägerübergreifende – Unterstützung“, erklärt Dr. John Litau, Leiter des Modellprojekts „Fachdialognetz für schwangere, geflüchtete Frauen“. Eine Schwangerschaft stellt eine Ausnahmesituation im Leben einer Frau dar. Das Leben nach einer Flucht potenziert die Belastung um ein Vielfaches. Einfache Fragen können nur kompliziert gelöst werden: Welche Möglichkeiten der Versorgung stehen mir zur Verfügung? Wo und wie finde ich eine Frauenärztin? Wie kann mir durch eine Beratungsstelle geholfen werden? „Wer das Gesundheitssystem nicht kennt, kann sich ohne Unterstützung nicht die Hilfe holen, die benötigt wird“, führt Litau aus. Hinzu kommen pragmatische Fragen danach, wer sich um vorhandene Kinder während der Geburt kümmert, was normalerweise durch Familienstrukturen aufgefangen wird. Oder wie ein Neugeborenes in einer Sammelunterkunft adäquat versorgt werden kann und die Mutter selbst mal zur Ruhe kommt. Litau weist darauf hin, dass dies nur beispielhafte Faktoren sind, welche die Zugangsbarrieren von schwangeren, geflüchteten Frauen zu medizinischer Versorgung beschreiben: „Unsere Vernetzungsarbeit in acht Regionen in Deutschland und eine beauftragte Expertise zur Bestandsaufnahme vorliegender Angebote zeigen eindeutig, dass hier noch mehr Faktoren eine Rolle spielen. Nicht zuletzt auch ein teils nicht darauf eingerichtetes Gesundheitssystem. Insofern haben es auch Fachkräfte, die Hilfe leisten können, zum Teil schwer, schnell wirksame Unterstützung zu vermitteln.“

Vernetzung über Datenbank und Fachveranstaltungen

Mit dem Modellprojekt adressiert pro familia alle engagierten Helfer*innen und stellt eine Online-Plattform mit umfassendem, leicht zugänglichem und qualitativ hochwertigem Fachwissen zur Verfügung. Unter www.fachdialognetz.de finden Menschen, die mit betroffenen Frauen arbeiten, inzwischen bereits über 270 Fachangebote und mehr als 230 Publikationen mit Hintergrundwissen und konkreten Handlungshilfen. Die Fachkoordinator*innen aus den acht Modellprojektstandorten und das Leitungsteam aus dem pro familia Bundesverband setzen darüber hinaus vor allem auf inhaltliche Auseinandersetzung: über 20 Fachveranstaltungen seit 2017. Teilnehmer*innen bekommen zum Beispiel Einblicke in kulturelle Traditionen rund um Schwangerschaft und Geburt und erweitern ihr Wissen zur Stärkung von Resilienz oder im professionellen Umgang mit Trauma-Erfahrungen.

Über das Fachdialognetz für schwangere, geflüchtete Frauen

Das Fachdialognetz für schwangere, geflüchtete Frauen ist ein Modellprojekt des pro familia Bundesverbandes. Es dient der professionellen Vernetzung, dem Austausch und der gegenseitigen Unterstützung von multidisziplinären Fachkräften, ehrenamtlichen Initiativen und Migrantenorganisationen – zum Beispiel aus dem Gesundheitswesen, der Geburtshilfe, der psychosozialen Beratung sowie aus Migrationsdiensten oder der Jugendhilfe. Ziel ist es Fachkompetenz zur Wahrung und Wahrnehmung der sexuellen und reproduktiven Gesundheit und Rechte im Dialog weiterzuentwickeln. Das Fachdialognetz wird über drei Jahre vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) gefördert.Über den Weltflüchtlingstag.

Über den Weltflüchtlingstag

Seit 2001 ruft die UNO jedes Jahr am 20. Juni zum Weltflüchtlingstag auf. Mit weltweiten Aktionen soll die Lebenssituation der Millionen von Menschen auf der Flucht gewürdigt werden, insbesondere die Stärke, den Mut und die Widerstandsfähigkeit, die Flüchtlinge, Binnenvertriebene und Staatenlose täglich aufbringen.

Mehr Informationen unter: www.fachdialognetz.de

Kontakt: Dr. John Litau, pro familia Bundesverband, Fon: 069 269 57 79 21, john.litau@profamilia.de

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pro familia froh über das Ergebnis des Referendums zum Schwangerschaftsabbruch

Die Mehrheit der Irinnen und Iren will die Rechte von Frauen auf Zugang zu Gesundheitsangeboten für den Schwangerschaftsabbruch umsetzen. Das ist das erfreuliche Ergebnis des Referendums vom Freitag.

Zukünftig soll es in Irland erlaubt sein, dass Frauen und Ärzt*innen eine Schwangerschaft in den ersten Monaten abbrechen können. Die unwürdige und teure Reise ins Ausland, die 5000 Frauen pro Jahr machen mussten, wird damit der Vergangenheit angehören. Das Abstimmungsergebnis ist ein Erfolg der Aufklärungsarbeit und der breiten politischen Debatten für reproduktive Rechte von Frauen und Männern, an der sich viele Menschen in Irland beteiligt haben. Unter dem Motto „Würde, Mitgefühl, Gesundheit“ hatten in den vergangenen Wochen Organisationen für sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte, Parteien und Frauenverbände für das Ja zu dem Referendum geworben, das von der irischen Regierung unter dem Premier Leo Varadkar vorangetrieben wurde.

Seit 2013 ist der Schwangerschaftsabbruch in Irland nur erlaubt, wenn das Leben der Frau gefährdet ist. Vor diesem Zeitpunkt war er gänzlich ausgeschlossen. Erst, nachdem eine Frau an einer Blutvergiftung starb, weil ihr die ärztliche Hilfe verweigert wurde, setzte eine breite gesellschaftliche Debatte ein, die schließlich zu einem Wandel der Einstellungen im ehemals sehr katholischen Irland führten.

„Wir sind sehr froh über den Ausgang des Referendums in Irland. Frauen müssen vor Ort die Möglichkeit eines Schwangerschaftsabbruchs haben“, sagte Prof. Dr. Davina Höblich, pro familia Bundesvorsitzende. „Wenn eine Frau sich entscheidet, eine Schwangerschaft nicht weiter fortzuführen, berührt das ihr Menschenrecht auf Selbstbestimmung und Entscheidungsfreiheit über ihren Körper.“

Sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte sind von der International Planned Parenthood Federation (IPPF) nach der UN-Weltbevölkerungskonferenz 1994 in Kairo formuliert worden. Sie müssen garantiert und geschützt werden.


pro familia Informationen zum Schwangerschaftsabbruch

Schwangerschaftsabbruch. Fakten und Hintergründe (pdf-Dokument)

Schwangerschaftsabbruch in Kürze. Zahlen und Hintergründe (pdf-Dokument)

Schwangerschaftsabbruch. Was Sie wissen sollten – Was Sie beachten müssen (pdf-Dokument)

 

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„Wir wollen die Informationsrechte von Menschen zum Schwangerschaftsabbruch stärken“

pro familia wird sich weiterhin für die Abschaffung des §219a StGB einsetzen und sich solidarisch mit Ärzt*innen zeigen. Der Verband sucht den Dialog mit politischen Vertreter*innen und stellt seine fachliche Expertise zu Verfügung. Gleichzeitig muss in die aktuelle Diskussion die defizitäre Versorgungslage beim Schwangerschaftsabbruch einbezogen werden, ebenso wie die Stigmatisierung, die immer noch mit dem Thema verbunden ist. So lautete das Fazit der pro familia Fachtagung, die am 5. Mai 2018 in Offenbach stattfand.

Unter dem Titel „Kann Aufklären Sünde sein? Die Informationsrechte von Menschen zum Schwangerschaftsabbruch stärken“ diskutierten die Teilnehmer*innen der Fachtagung darüber, wie der §219a StGB sich auf das Recht auf Information auswirkt.

„Menschen werden daran gehindert, sich niedrigschwellig und umfassend über den Schwangerschaftsabbruch zu informieren, Ärzt*innen wird verweigert, im Netz sachlich über den Schwangerschaftsabbruch zu informieren, den sie in ihrer Praxis durchführen, und Beratungsstellen werden verunsichert, ob sie vom §219a StGB betroffen sind und welche Informationen über Ärzt*innen sie weitergeben dürfen. Deshalb ist die Streichung des §219a StGB dringend erforderlich“, resümiert die pro familia Bundesvorsitzende, Prof. Dr. Davina Höblich.

Die Diskussion der letzten Monate habe allerdings weitere Defizite in der Versorgung deutlich gemacht. So gebe es keine Erkenntnisse darüber, was die Länder dafür tun, „ein ausreichendes Angebot ambulanter und stationärer Einrichtungen zur Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen“ sicherzustellen, wie es der §13 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes fordere. Denn Meldungen beispielsweise aus Niedersachsen und aus Bayern weisen schon jetzt auf Defizite in der Versorgung hin. Zudem werden die Stigmatisierung und Kriminalisierung von Ärzt*innen und die fehlenden Ausbildungs- und Fortbildungsmöglichkeiten dazu führen, dass es künftig immer weniger Ärzt*innen geben wird, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen.

„Wir sehen kritisch, welches Frauenbild bei den aktuellen Diskussionen über den Schwangerschaftsabbruch zutage tritt“, so Höblich weiter. „Frauen wird immer noch das Recht und die Fähigkeit abgesprochen, selbstbestimmt und verantwortlich mit ungewollten und ungeplanten Schwangerschaften umzugehen.“

Auf dem Podium der Diskussionsveranstaltung am Abend herrschte Einigkeit über den Änderungsbedarf beim §219a StGB: Katja Mast (SPD), Cornelia Möhring (Die Linke), Cordula Schulz-Asche (Bündnis 90/Grüne) und Stephan Thomae (FDP) verdeutlichten die Haltung ihrer jeweiligen Fraktion und ließen den klaren Willen zur Zusammenarbeit zu diesem Thema erkennen. Ein/e CDU-Vertreter*in für die Podiumsdiskussion konnte im Vorfeld nicht gefunden werden. Die Ärztin Kristina Hänel bereicherte die Diskussion um Beispiele aus ihrer ärztlichen Praxis, die deutlich machen, dass Frauen, die sich für einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden, gute Gründe dafür haben und Unterstützung benötigen, anstatt verurteilt und diffamiert zu werden. Die pro familia Bundesvorsitzende versprach, weiterhin mit fachlicher Arbeit, Dialogen und Öffentlichkeitsarbeit zu unterstützen. „Wir werden unsere föderative Struktur nutzen und uns auf Orts-. Landes- und Bundesebene für die Informationsrechte zum Schwangerschaftsabbruch einsetzen“, so Höblich.

Auf der Bundesdelegiertenversammlung am 6. Mai 2018 wurde eine neue stellvertretende Vorsitzende gewählt: Dr. med. Gülhan Inci, Gynäkologin an der Charité in Berlin, trat die Nachfolge von Verena Mörath an. Der Schatzmeister Dr. Dirk-Oliver Kaul wurde für weitere drei Jahre in den Bundesvorstand gewählt.

7. Mai 2018

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15.3.2018: Für eine Schwangerschaftsberatung ohne Spießrutenlauf

pro familia fordert Sperrzonen, damit Frauen vor den Beratungsstellen von Demonstrierenden unbehelligt bleiben

Frauen haben das Recht auf eine ergebnisoffene und anonyme Beratung vor einem möglichen Schwangerschaftsabbruch. Es muss uneingeschränkt sichergestellt sein, dass sie diese Beratung aufsuchen können, ohne bevormundet und gedemütigt zu werden. Der pro familia Bundesverband unterstützt die pro familia Beratungsstellen Frankfurt, Pforzheim, München und Wiesbaden in ihrer Forderung, dass für Demonstrationen gegen den Schwangerschaftsabbruch vor Beratungsstellen eine Sperrzone gelten muss. Nur so können Frauen unbehelligt die gesetzlich vorgeschriebene Beratung wahrnehmen.

Seit Aschermittwoch demonstrieren Gegner*innen reproduktiver Selbstbestimmung von „40daysforlife“ vor den pro familia Beratungsstellen in Frankfurt, Pforzheim und Wiesbaden. In München stehen an jedem 24. oder 25. des Monats Verfechter*innen reproduktiver Dogmen vor der Beratungsstelle. Erklärtes Ziel aller Demonstrierenden ist es, Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland zu verhindern und die Mitarbeiter*innen der Beratungsstellen zu „bekehren“. Sie beeinflussen ratsuchende Frauen, Männer und Paare mit Parolen, großen Fotos von Embryos, lauten Gebeten und Gesängen und mit aufgestellten kleinen Kindersarg-Attrappen. Der Gang in die gesetzlich vorgeschriebene Beratung vor einem möglichen Schwangerschaftsabbruch wird auf diese Weise zu einem Spießrutenlauf. Diese Demonstrationen behindern Frauen, Männer und Paare in der Wahrnehmung ihres Rechts auf eine verantwortungsvolle und selbstbestimmte Familienplanung und auf Informationen und Beratung im Falle ungeplanter Schwangerschaften.

„Ungewollt schwangere Frauen werden gedemütigt und traumatisiert. Das können und wollen wir nicht hinnehmen“, betont Prof. Dr. Davina Höblich, Bundesvorsitzende von pro familia. „Unsere staatlich anerkannten Beratungsstellen haben den gesetzlichen Auftrag, die Beratung nach §219 StGB durchzuführen. Sie müssen dieser Aufgabe in Ruhe nachkommen können. Das Gesetz sieht außerdem vor, dass es bei der Beratung keinerlei Beeinflussung von außen geben darf. Angesichts der massiven Eingriffe ist dies nicht möglich.“

Der Gesetzgeber ist aufgefordert, sicherzustellen, dass Schwangerschaftsberatungsstellen ihren gesetzliche Auftrag erfüllen können: Frauen zu helfen, eine verantwortliche und gewissenhafte Entscheidung zu treffen und dabei gemäß §5 Absatz 1 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes zu handeln: „Die Beratung ist ergebnisoffen zu führen und geht von der Verantwortung der Frau aus. Sie soll ermutigen und Verständnis wecken, nicht belehren oder bevormunden“.

15. März 2018

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13.3.2018: pro familia zu den neu veröffentlichten Daten des Statistischen Bundesamts

Statistisch gesehen ist die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche über Jahre rückläufig

Seit vielen Jahre ist die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche rückläufig. Daran ändert sich auch nichts durch die aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamts für 2017. Denn für die Betrachtung längerfristiger Entwicklungen ist die Betrachtung der Gesamtzahl der Schwangerschaftsabbrüche in einem Jahr nicht zweckmäßig. Darauf macht der pro familia Bundesverband aufmerksam.

„Statistisch gesehen ist die langfristige Entwicklung sinkender Schwangerschaftsabbruchzahlen ungebrochen“, erklärt Prof. Dr. Davina Höblich, Bundesvorsitzende von pro familia. „Um die Zahlen zu vergleichen und Trends erkennen zu können, stellt das Statistische Bundesamt die jährliche Anzahl der Schwangerschaftsabbrüche pro 10.000 Frauen zur Verfügung. Diese Zahl lag 2012 bei 59 Schwangerschaftsabbrüche pro 10.000 Frauen, 2015 bei 56 und 2017 bei 58 Schwangerschaftsabbrüche pro 10.000 Frauen. Eine kontinuierliche Zunahme ist somit nicht erkennbar“.

Es gibt in Deutschland ein ganzes Bündel guter Maßnahmen, die bereits helfen, die Zahl der ungewollten Schwangerschaften zu verringern. Um zu überprüfen, ob sie greifen, sind folgende Fragen wichtig: Wie wirksam und wie sicher sind die verfügbaren Verhütungsmittel? Wie gut sind Information und Aufklärung? Wie leicht zugänglich sind Verhütungsmittel? Bekommen Frauen, Männer und Paare das Verhütungsmittel ihrer Wahl? Gibt es ausreichend gute Alternativen zu hormonellen Verhütungsmitteln?

pro familia trägt mit Beratung und Information maßgeblich dazu bei, ungewollte Schwangerschaften zu vermeiden, in dem Wissen, dass es trotz aller Bemühungen immer wieder zu ungewollten Schwangerschaften und damit zu Schwangerschaftsabbrüchen kommen wird.

„Wichtig ist uns, dass mit den Schwangerschaftsabbruchzahlen seriös umgegangen wird“, betont Höblich. „Statistische Daten können die Basis sein, um die Hintergründe zu erforschen. Keinesfalls dürfen sie als Legitimation für Spekulationen über Zusammenhänge dienen. Die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche im Jahr 2017 mit der Entlassung der Pille danach aus der Rezeptpflicht in Verbindung zu bringen, wie jüngst geschehen, ist äußerst fragwürdig und entbehrt der wissenschaftlichen Grundlage.“

13. März 2018

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Zum Internationalen Frauentag am 8. März

Umfassende und unabhängige Informationen zum Thema Schwangerschaftsabbruch müssen öffentlich verfügbar sein. Dazu gehören auch Angaben über die regionale Versorgung und die verwendeten Methoden. Darauf weist der pro familia Bundesverband anlässlich des Internationalen Frauentags hin.

„Die reine Information darüber, wie, wo und durch wen straflose Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt werden, darf nicht als Werbung angesehen werden“, macht Prof. Dr. Davina Höblich deutlich. pro familia fordert vom Gesetzgeber, den §219a StGB zu streichen und damit das Defizit bei der Information zum Schwangerschaftsabbruch zu beheben.

In den aktuellen Diskussionen werden verschiedene Argumente vorgebracht, um sich gegen eine Änderung oder Streichung des §219a StGB zu stellen. Dazu erklärt die Bundesvorsitzende: „Das Schutzkonzept für ungeborenes Leben bleibt auch ohne §219a StGB gesichert. Die Abschaffung des §219a StGB führt weder zu einem rechtlichen Vakuum, noch werden dadurch Schwangerschaftsabbrüche bagatellisiert. Das ärztliche Berufsrecht legt die Rechte und Pflichten zu sachgerechter und angemessener Information vs. Verbote von anpreisender, irreführender oder vergleichende Werbung von Ärzt*innen bereits fest. Dies macht den §219a StGB überflüssig. Die deutsche Rechtsordnung eröffnet Wege zur Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen durch Ärztinnen und Ärzte, somit muss diesen Professionellen ohne negative Folgen für sie möglich sein, über eben dieses Angebot zu informieren“.

Frauen haben zudem das Recht auf eine freie Wahl unter den Ärzten, Ärztinnen und Einrichtungen, die sich zur Vornahme des Eingriffs bereit erklären¸ dies ist im §21 Schwangerschaftskonfliktgesetz festgelegt. Doch der §219a StGB und seine juristische Auslegung führen dazu, das es Frauen schwer gemacht wird, ihr Recht auf Information wahrzunehmen. Sie können sich nicht niedrigschwellig darüber informieren, wo sie einen Schwangerschaftsabbruch durchführen lassen können. Somit behindert der §219a StGB auch das Recht auf Wahlfreiheit der Methode, denn es wird nicht veröffentlicht, welche Gesundheitseinrichtungen welche Schwangerschaftsabbruchmethoden anbieten.

Ein Prozess wie der gegen Kristina Hänel im November 2017 darf sich nicht wiederholen. Sie wurde verurteilt, weil sie „Werbung“ für den Schwangerschaftsabbruch betrieben und damit gegen den §219a StGB verstoßen habe. Dabei hatte sie, da sie Schwangerschaftsabbrüche durchführt, auf ihrer Webseite Informationen dazu Schwangerschaftsabbruch angeboten.

6. März 2018

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20.11.2017: Ungewollt schwangere Frauen müssen sich über den Schwangerschaftsabbruch informieren können

pro familia zum Prozess gegen Kristina Hänel am 24. November 2017

Der Ärztin Kristina Hänel wird vorgeworfen, gegen den §219a StGB zu verstoßen: Angeblich betreibe sie „Werbung“ für den Schwangerschaftsabbruch. Kristina Hänel führt Schwangerschaftsabbrüche durch. Aus diesem Grund hält sie auf ihrer Webseite Informationen zu einem straflosen Schwangerschaftsabbruch vor.

Dazu erklärt der pro familia Bundesverband:

Die reine Information darüber, wie, wo und durch wen straflose Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt werden, darf nicht als Werbung angesehen werden. Der Strafrechtler Prof. Dr. Cornelius Nestler kam bereits 2005 in seiner Stellungnahme für pro familia zu dem Schluss, ein Gesetz, das derartige Informationen unter Strafe stelle, könne nicht verfassungsgemäß sein. Das Bundesverfassungsgericht hat 2006 erklärt: „Wenn die Rechtsordnung Wege zur Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen durch Ärzte eröffnet, muss es dem Arzt auch ohne negative Folgen für ihn möglich sein, darauf hinzuweisen, dass Patientinnen seine Dienste in Anspruch nehmen können.“*

Der §219a StGB wird zunehmend von Abtreibungsgegner*innen dazu benutzt, Ärzt*innen anzuzeigen und einzuschüchtern. In der Folge nehmen viele Ärzt*innen und Praxen aus Angst vor Strafverfolgung sachliche Informationen von ihren Webseiten herunter.

Nach §21 Schwangerschaftskonfliktgesetz haben Frauen jedoch das Recht auf eine „freie Wahl unter den Ärzten, Ärztinnen und Einrichtungen, die sich zur Vornahme des Eingriffs bereit erklären“.
Der §219a StGB und seine juristische Auslegung führen leider dazu, dass es Frauen schwer gemacht  wird, ihr Recht auf Information wahrzunehmen. Sie können sich nicht niedrigschwellig darüber informieren, wo sie einen Schwangerschaftsabbruch durchführen lassen können. Der §219a StGB behindert zudem das Recht auf Wahlfreiheit der Methode für den Eingriff, denn es wird nicht veröffentlicht, welche Gesundheitseinrichtungen welche Schwangerschaftsabbruchmethoden anbieten.

Aus Sicht von pro familia ist es dringend notwendig, umfassende, unabhängige Informationen zum Schwangerschaftsabbruch, über die regionale Versorgung und über die verwendeten Methoden zur Verfügung zu stellen. In Frankreich beispielsweise informiert eine vom Gesundheitsministerium betriebene Homepage ausführlich zum Schwangerschaftsabbruch (www.ivg.social-sante.gouv.fr). In der Schweiz, in der analog zu Deutschland der Schwangerschaftsabbruch rechtswidrig, aber straflos ist, sind die Kantone per Gesetz verpflichtet, lokale Praxen und Spitäler zu benennen, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen.

pro familia fordert vom Gesetzgeber, zeitnah das Defizit bei der Information zum Schwangerschaftsabbruch zu beheben. „Ärzt*innen, die einen straflosen und sicheren Schwangerschaftsabbruch durchführen, dürfen nicht kriminalisiert werden. Frauen und Männer müssen Ärzt*innen frei wählen und sich medizinisch und sachlich richtig zum Schwangerschaftsabbruch informieren können.“ betont Prof. Dr. Davina Höblich, Vorsitzende des profamilia Bundesverbands.


*BVerfG, 1BvR 1060/02 vom 24.5.2006

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19.9.2017: Selbstbestimmt verhüten – auch in Deutschland keine Selbstverständlichkeit

Verhütungskosten sind für viele Menschen mit wenig Geld unbezahlbar.

Weltverhütungstag: pro familia fordert Zugang zu frei gewählter Verhütung für alle / Modellprojekt erprobt Kostenübernahme

Jede Frau und jeder Mann hat das Recht auf Verhütung, unabhängig von Einkommen, Geschlecht, Herkunft und Bildungsstand. Doch die Realität sieht anders aus: Vor allem in Ländern des globalen Südens ist die Versorgungslage häufig unzureichend, politische Vorgaben stehen der Verhütung entgegen oder es mangelt an Angeboten der Sexualaufklärung, die in Deutschland flächendeckend existieren. Aber auch in Deutschland gibt es Menschen, die sich das für sie geeignete Verhütungsmittel nicht leisten können. Darauf verweist der pro familia Bundesverband und fordert zum Weltverhütungstag am 26. September einen selbstbestimmten Zugang zu Verhütung.

Aktuell erprobt pro familia an sieben Standorten in Deutschland mit dem vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend geförderten Modellprojekt biko einen niedrigschwelligen Zugang zu Verhütung für Frauen mit wenig Geld.

„Derzeit übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen nur für junge Frauen unter 20 Jahren die Kosten für verschreibungspflichtige Verhütungsmittel. Doch Familienplanung darf nicht vom Alter oder vom Geldbeutel abhängen. Daher wollen wir für Frauen mit niedrigem Einkommen den kostenlosen Zugang zu Verhütungsmitteln sicherstellen. Denn Selbstbestimmung fängt beim eigenen Körper an – und sie darf nicht am Geld scheitern.“ macht Frau Parlamentarische Staatssekretärin Ferner im Bundesfamilienministerium zu „biko“ deutlich.

Weltweit tragen vor allem Frauen die Hauptverantwortung für Verhütung. Frauen sind auch unmittelbar von den gesundheitlichen, finanziellen und sozialen Folgen betroffen, wenn der Zugang zu Verhütungsmethoden in ihrem Land schlecht ist. Das Recht auf Verhütung zu gewährleisten, wäre ein bedeutender Schritt hin zu mehr Gerechtigkeit und eine Verbesserung des Menschenrechts auf eine selbstbestimmte Familienplanung. Verschiedene internationale Abkommen weisen schon seit langem auf die Notwendigkeit eines ungehinderten Zugangs zu frei gewählten, zuverlässigen, individuell passenden und erschwinglichen Verhütungsmethoden hin.

In Deutschland können sich nicht alle Menschen Verhütung leisten, auch wenn die Situation im Vergleich zu vielen ärmeren Ländern wesentlich besser ist. Das gilt insbesondere für die Langzeitverhütung: Eine Spirale (bis zu 400 Euro) können Frauen mit wenig Geld häufig nicht bezahlen. Auch Mehrmonatspackungen der Pille bleiben für viele unerschwinglich. Das betrifft zum Beispiel Frauen, die auf Arbeitslosengeld II oder Sozialhilfe angewiesen sind aber auch Studentinnen, die BAföG beziehen. Aus finanziellen Gründen müssen sie auf die für sie individuell passende Verhütungsmethode verzichten und auf ein günstigeres, häufig unsichereres oder gesundheitlich weniger verträgliches Verhütungsmittel ausweichen. Frauen mit wenig Geld sind damit einem höheren Risiko einer ungewollten Schwangerschaft ausgesetzt. „Die ständige Sorge, ungewollt schwanger zu werden, beeinträchtigt Frauen und Paare in ihrem Recht auf eine selbstbestimmte Sexualität und Familienplanung“, sagt Dr. Alexandra Ommert, Projektleitung biko, pro familia Bundesverband e.V.

Mit dem vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend geförderten Modellprojekt biko lotet pro familia eine niedrigschwellige Lösung für Frauen mit wenig Geld zur Kostenübernahme von rezeptpflichtigen Verhütungsmitteln aus. biko steht für „Beratung, Information und Kostenübernahme bei Verhütung“ und ermöglicht Frauen mit wenig Geld, die für sie individuell passende Verhütungsmethode frei wählen zu können. An den sieben Projektstandorten erhalten Frauen, sofern sie die Voraussetzungen erfüllen, ihr rezeptpflichtiges Verhütungsmittel kostenfrei. Auf Wunsch können sie sich zu allen Fragen ausführlich rund um Verhütungsmethoden, Körperwissen, Sexualität und Partnerschaft beraten lassen. biko läuft bis Juni 2019. Mehr Informationen zu biko gibt es hier.

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pro familia fordert die Abschaffung der Babyklappen und die Aufstockung der personellen und finanziellen Ressourcen von Schwangerschaftsberatungsstellen

Das Bundeskabinett hat am 12. Juli den Bericht zu den Auswirkungen des Gesetzes zum Ausbau der Hilfen für Schwangere und zur Regelung der vertraulichen Geburt vorgelegt. Dieses Gesetz war am 1. Mai 2014 mit dem Ziel in Kraft getreten, die Angebote zur Unterstützung von Schwangeren auszubauen. Die Maßnahmen des Gesetzes wurden im Zeitraum vom 1. Mai 2014 bis 30. September 2016 evaluiert. Die Ergebnisse zeigen, dass die Hilfen angenommen und Schwangere in konflikthaften Lebenslagen erreicht wurden.

Dazu erklärt der pro familia Bundesverband:

pro familia begrüßt, dass mit dem Gesetz zur Vertraulichen Geburt Beratungsangebote ausgebaut werden können, die Frauen in extrem konflikthaften Lebenslagen erreichen. Diese Unterstützung und Begleitung schwangerer Frauen und ihrer Partner übernehmen hochqualifizierte psychosoziale Berater*innen. So sieht es die Stufe 1 des Beratungsangebots vor, mit dem Ziel, dass die Ratsuchenden für sich tragfähige Lösungen finden. Es ist gut, dass im §2 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes festgelegt ist, dass Frauen und Männer auf eine solche, auf Wunsch anonyme Beratung einen Rechtsanspruch haben. Die Berater*innen stehen unter Schweigepflicht.

Der vorgelegte Evaluationsbericht bestätigt die Erfahrungen der pro familia Schwangerschaftsberater*innen: Eine Beratung von Frauen und Paaren in extrem konflikthaften Lebenslagen so wie beispielsweise eine verheimlichte oder eine verdrängte Schwangerschaft erfordert außergewöhnlich viel Zeit und beraterische Erfahrung, insbesondere wenn die Begleitung zu einer vertraulichen Geburt führt. Für die konsequente Umsetzung des Beratungsauftrags unter Einhaltung der fachlichen Standards fehlen aktuell jedoch die personellen und finanziellen Ressourcen. Das Recht auf Beratung kann nicht nur gesetzlich festgeschrieben sein, der Zugang zur professionellen psychosozialen Beratung muss mit öffentlichen Mitteln nachhaltig in der Beratungslandschaft bundesweit gesichert werden.

pro familia weist in diesem Zusammenhang auch darauf hin, dass bis heute die Babyklappen nicht abgeschafft wurden, obwohl die Vertrauliche Geburt eine rechtssichere und wirksame Alternative zu den bisher bestehenden nicht gesetzeskonformen Angeboten der anonymen Kindsabgabe konzipiert wurde. Der deutsche Ethikrat hatte bereits 2009 empfohlen: „Die vorhandenen Babyklappen und bisherigen Angebote zur anonymen Geburt sollten aufgegeben werden. Die Beendigung der Angebote zur anonymen Kindesabgabe sollte möglichst in einem gemeinsamen Vorgehen aller politisch dafür Verantwortlichen mit den betroffenen Einrichtungen bewirkt werden.“ pro familia fordert deshalb, die Abschaffung der Babyklappen endlich umzusetzen.

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19.7.2017: Modellprojekt Fachdialognetz für schwangere, geflüchtete Frauen – pro familia startet Online-Wissens- und Vernetzungsplattform

Handelnde vernetzen // Fachkompetenz weiterentwickeln // Wissen gewinnen

Seit heute, 19. Juli 2017,  ist die Wissens- und Vernetzungsplattform des Fachdialognetzes für schwangere, geflüchtete Frauen online. Unter der URL www.fachdialognetz.de stellt pro familia über eine Datenbank umfangreiches Wissen zu Hilfsangeboten für alle Fachkräfte und ehrenamtlich Engagierte zur Verfügung, die schwangere, geflüchtete Frauen unterstützen, beraten und begleiten. Sie ermöglicht die Suche nach Expertinnen und Experten, spezifischen Angeboten und bietet eine umfangreiche Mediathek. „Die Datenbank macht es Fachkräften leichter, sich bundesweit und regional besser zu vernetzen. So können sie schwangere, geflüchtete Frauen schneller unterstützen“, so der Projektleiter, Dr. John Litau, vom Bundesverband pro familia. Die Wissensplattform wird kontinuierlich ausgebaut.

Modellprojekt schafft acht regionale Fachinformations- und Vernetzungsstellen

Die Wissensplattform ist ein wesentlicher Baustein eines neuen Modellprojekts des pro familia Bundesverbandes, das vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) drei Jahre lang gefördert wird. Das Fachdialognetz für schwangere, geflüchtete Frauen zielt auf die Vernetzung von Fachangeboten für die Zielgruppe. Dafür hat pro familia acht Fachinformations- und Vernetzungsstellen eingerichtet. Sie sind an die pro familia Beratungsstellen in Berlin, Bremen, Erfurt, Gießen, Hamburg, Karlsruhe, Leipzig und Mainz angegliedert. Fachkoordinatorinnen vor Ort sammeln und informieren mit Hilfe der Wissensplattform über relevante Angebote für schwangere, geflüchtete Frauen und unterstützen die regionale Kooperation und Zusammenarbeit, indem sie runde Tische und Dialogveranstaltungen organisieren. „In das breite Hilfe- und Unterstützungsspektrum von schwangeren, geflüchteten Frauen in Deutschland ist eine Vielzahl verschiedener Institutionen und Akteurinnen und Akteure eingebunden. Dazu gehören vor allem die Träger der Schwangerschaftsberatung, die multidisziplinären Fachkräfte aus allen Bereichen der gesundheitlichen Versorgung von Frauen und die in der Sozialen Arbeit und den Migrationsorganisationen Tätigen bis hin zu ehrenamtlich Engagierten in der Flüchtlingshilfe“, erläutert Litau die Ausgangslage. „Ihre Vernetzung und Koordination hilft, einen Überblick über die Vielzahl der Angebote zu behalten und die Kompetenzen zu bündeln.“

Psychosoziale und gesundheitliche Situation von schwangeren, geflüchteten Frauen verbessern

Gemäß internationalen Vereinbarungen haben alle Menschen das Recht auf qualitativ hochwertige Informationen und Beratung zu sexuellen und reproduktiven Gesundheit und Rechten. Fluchterfahrungen stellen insbesondere für schwangere Frauen häufig ein traumatisches Erlebnis und ein erhebliches, gesundheitliches Risiko dar. Ihre Situation erschwert ihnen jedoch den Zugang zu notwendigen psychosozialen und medizinischen Angeboten und weiteren Hilfen. Zudem ist laut Litau zu wenig bekannt, welche Angebote sich die Frauen tatsächlich wünschen und als hilfreich erleben. Wissenschaftliche Daten zum gesundheitlichen Zustand und zur Versorgung schwangerer, geflüchteter Frauen in Deutschland liegen nur lückenhaft vor. Das Fachdialognetz hat sich daher noch ein weiteres Ziel gesetzt: „Durch die Arbeit der Fachinformations- und Vernetzungsstellen wollen wir auch die besonderen Hilfe- und Unterstützungsbedarfe schwangerer, geflüchteter Frauen präzisieren. Über die Wissensplattform können wir diese Informationen sammeln und allen, die schwangere, geflüchtete Frauen unterstützen und Hilfestellungen bieten, zugänglich machen“, so Litau.

Über das Fachdialognetz für schwangere, geflüchtete Frauen

Im Rahmen des Fachdialognetzes baut pro familia in acht Bundesländern Fachinformations- und Vernetzungsstellen auf. Die pro familia-Fachkoordinatorinnen vor Ort identifizieren und bündeln bereits bestehende Hilfe- und Beratungsangebote für schwangere, geflüchtete Frauen und vernetzen Fachkräfte sowie ehrenamtlich Tätige in diesem Bereich. Auf dem Weg des Fachdialogs können Angebote für schwangere, geflüchtete Frauen verbessert und den Betroffenen schneller zugänglich gemacht werden. Das Fachdialognetz wird über drei Jahre vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) gefördert und vom Bundesverband pro familia umgesetzt.

Kontakt Projektleitung:

Dr. John Litau
pro familia Bundesverband
Stresemannallee 3
60596 Frankfurt am Main
Tel. 069 269 57 79 21
john.litau@profamilia.de

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„Ein deutliches Signal für die Gleichwertigkeit von hetero- und homosexuellen Beziehungen“

Der Bundestag hat heute (am 30. Juni 2017) für die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare gestimmt. pro familia begrüßt diese parlamentarische Entscheidung als einen wichtigen Schritt, die rechtliche Gleichstellung von Lesben und Schwulen in Deutschland zu verwirklichen.

„Als führender Fachverband für Sexualberatung, Sexualpädagogik und Familienplanung in Deutschland tritt pro familia für das Recht aller Menschen auf eine selbstbestimmte Sexualität ein. Wir wollen, dass die Akzeptanz der vielfältigen sexuellen Lebensformen in allen Bereichen gefördert wird. Die rechtliche Gleichstellung homosexueller Paare spielt dabei eine wichtige Rolle“, unterstreicht Prof. Dr. Davina Höblich, Vorsitzende des pro familia Bundesverbands.

Von der neuen Gesetzesformulierung geht eine Signalwirkung aus: Endlich wird eine Tür für die volle Gleichbehandlung von heterosexuellen und homosexuellen Ehepaaren bei der Adoption von Kindern geöffnet. Lesbische Ehepaare könnten künftig wie heterosexuelle verheiratete Frauen einen rechtlichen Anspruch auf Zugang zu Samenspenden über eine Samenbank und bei ärztlich vorgenommener Insemination haben.

„Durch die Öffnung der Ehe für alle wird die Gleichwertigkeit von hetero- und homosexuellen Beziehungen betont. Wir hoffen, dass sich dies positiv auf das gesellschaftliche Klima auswirkt, so dass sexuelle Vielfalt und die Vielfalt von Familienformen in unserer Gesellschaft selbstverständlich werden“, so Höblich. „pro familia wird ihren Beitrag leisten und sich weiterhin dafür einsetzen, dass Sexuelle Vielfalt fester Bestandteil in allen Angeboten der Sexualpädagogik, Sexualberatung und der Familienplanung ist.

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28.6.2017: Modellhafte Kostenübernahme von Verhütungsmitteln: pro familia und Bundesfamilienministerium stellen Modellprojekt biko vor

biko-Auftaktveranstaltung: Elke Ferner, Parlamentarische Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, sprach das Grußwort für das Bundesfamilienministerium.

Mit dem bundesweiten Modellprojekt biko erprobt der pro familia Bundesverband eine modellhafte Kostenübernahme von verschreibungspflichtigen Verhütungsmitteln für Frauen mit wenig Geld. biko steht für „Beratung, Information und Kostenübernahme bei Verhütung“ und wird vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) gefördert. Heute stellen pro familia und das BMFSFJ biko in Berlin vor. „Eine selbstbestimmte und individuell passende Verhütung darf keine Frage des Geldes sein. Doch Studien zeigen, dass Frauen ihr Verhütungsverhalten ändern, wenn das Geld knapp ist“, sagt Projektleiterin Dr. Alexandra Ommert vom pro familia Bundesverband e.V. „Mit biko ermöglichen wir diesen Frauen einen Zugang zu sicheren und verträglichen Verhütungsmitteln.“

Vorstellung für Fachpublikum und Politik

In Berlin informieren sich heute unter anderem pädagogische Fachkräfte und Parlamentarier über biko. Elke Ferner, Parlamentarische Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, sprach das Grußwort für das Bundesfrauenministerium. pro familia beleuchtet die Hintergründe des Projekts und die aktuelle Situation der Kostenübernahme in Deutschland und in anderen Ländern. Auf dem Podium diskutieren Expertinnen und Experten verschiedene Lösungsansätze zur Kostenübernahme. Prof. Dr. Cornelia Helfferich von der Evangelischen Hochschule Freiburg stellt die im Auftrag der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) durchgeführte Studie „frauen leben 3 – Familienplanung im Lebenslauf von Frauen“ vor. „Als besonderes Zugangsproblem haben sich für Frauen mit Bezug staatlicher Unterstützungsleistungen (vor allem ALG II) die Kosten für die Pille, die Spirale und eine Sterilisation erwiesen“, heißt es in der Studie.

Modellprojekt an sieben Standorten

„Zu uns kommen sehr unterschiedliche Frauen. Alle sind jedoch froh, dass sie sich endlich das Verhütungsmittel ihrer Wahl leisten können. Das kann beispielsweise eine Kupferspirale sein, weil eine Frau keine Hormone verträgt oder auch ein Verhütungsstäbchen, weil es ihr schwer
fällt, die Pille regelmäßig einzunehmen“, sagt Franziska Rehwald. Die Beraterin bei pro familia
Halle berichtet gemeinsam mit Vertreterinnen der anderen biko-Standorte von ihrer Arbeit und der Kooperation mit Arztpraxen und Apotheken. Seit Anfang des Jahres können Frauen die Kostenübernahme nutzen, wenn sie an einem der sieben Projektstandorte wohnen: Erfurt, Halle an der Saale, Lübeck, Ludwigsfelde, Recklinghausen, Saarbrücken und Wilhelmshaven. biko läuft dort bis zum Sommer 2019.

Selbstbestimmt verhüten mit biko

Frauen können das biko-Angebot in Anspruch nehmen, wenn sie mindestens 20 Jahre alt   sind und nur über ein geringes Einkommen verfügen oder Anspruch auf Sozialleistungen haben. Mit dem Rezept vom Arzt und der biko-Zusage von pro familia erhalten sie in der Apotheke das Verhütungsmittel kostenfrei. Die Apotheken rechnen direkt über pro familia ab.

Mit dem Projekt ist auch das Angebot einer vertraulichen Information und Beratung zum Thema Verhütung durch pro familia verbunden. „Das Beratungsangebot gilt natürlich auch für Männer“, sagt Dr. Alexandra Ommert, „denn Verhütung ist nicht nur Frauensache.“

Weitere Informationen unter www.biko-verhuetung.de.

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31.5.2017: Modellprojekt biko: Verhütungsmittel für Frauen mit wenig Geld kostenfrei

In sieben Städten ist das bundesweite Modellprojekt biko gestartet, mit dem pro familia den niedrigschwelligen Zugang zu Verhütungsmitteln erprobt. biko wird vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert.

Frauen mit Anspruch auf Sozialleistungen müssen die Kosten für verschreibungspflichtige Verhütungsmittel zukünftig nicht mehr selbst tragen – auch wenn sie über 20 Jahre alt sind. Voraussetzung ist, dass sie ihren Wohnort an einem der sieben Projektstandorte haben: Erfurt/Artern, Halle (Saale), Lübeck, Ludwigsfelde (Landkreis Teltow-Fläming), Recklinghausen/Marl/Gladbeck, Saarbrücken oder Wilhelmshaven und Landkreis Friesland. Diese Standorte nehmen bis Ende Juni 2019 an dem bundesweiten Modellprojekt „biko – Beratung, Information und Kostenübernahme bei Verhütung“ des pro familia Bundesverbands e.V. teil. Das Projekt wird vom Bundesfamilienministerium gefördert. Es ermöglicht einen niedrigschwelligen Zugang zu verschreibungspflichtigen, sicheren und gut verträglichen Verhütungsmitteln für Frauen, die wenig Geld haben. Ab sofort können sich Frauen in den Beratungsstellen von pro familia informieren und das Angebot der Kostenübernahme nutzen.

Recht der Frauen auf Verhütung garantieren

„Frauen verändern ihr Verhütungsverhalten, wenn das Geld knapp ist. Bei der Entscheidung für eine Methode werden die Kosten zum entscheidenden Kriterium – nicht aber die eigentlich wichtigen Faktoren Sicherheit und Verträglichkeit. Mit dem Modellprojekt möchte pro familia Frauen zu ihrem Recht verhelfen, Verhütungsmittel selbstbestimmt zu wählen. Das entspricht dem Recht auf Verhütung und hilft, Schwangerschaftskonflikte zur vermeiden“, sagt Dr. Alexandra Ommert, Projektleitung biko, pro familia Bundesverband e.V.

Angesprochen sind Empfängerinnen von ALG II, Sozialhilfe, Kinderzuschlag, BAföG, Berufsausbildungsbeihilfe, Wohngeld oder Leistungen nach dem Asylbewerbergesetz. Das Angebot richtet sich auch an Frauen, deren Einkommen unterhalb der Armutsgrenze liegt.

So funktioniert die Kostenübernahme

Frauen benötigen ein Rezept von ihrer Ärztin oder ihrem Arzt. Zusammen mit einem Leistungsnachweis legen sie das Rezept in ihrer pro familia Beratungsstelle vor. Ihnen wird dann sofort eine Zusage zur Kostenübernahme ausgestellt. Mit dieser Zusage erhalten sie das Mittel ihrer Wahl kostenfrei in der Apotheke. Die Apotheke rechnet direkt mit pro familia ab. Die Frauen müssen  nicht in Vorleistung gehen.

Mit dem Projekt ist das Angebot einer vertraulichen Information und Beratung zum Thema Verhütung durch pro familia verbunden.

Langfristig bundesweite Regelung angestrebt

Das Modellprojekt soll unter anderem zuverlässige Daten für den tatsächlichen Bedarf an einer Kostenübernahme liefern. Langfristig könnte diese Erhebung die Grundlage für eine bundesweite Regelung bilden.

Hintergrund

Mit der Einführung von Hartz IV entfiel 2004 die sogenannte „Hilfe zur Familienplanung“, mit der das Sozialamt die Kosten für Verhütungsmittel bei anspruchsberechtigten Frauen übernommen hatte. Seitdem müssen verschreibungspflichtige Verhütungsmittel über den Regelsatz von 17 Euro monatlich finanziert werden, der allerdings auch alle anderen, nicht-verschreibungspflichtigen Medikamente abdeckt. In einigen Kommunen gibt es Ersatzlösungen durch spezielle Fonds, die allerdings nicht flächendeckend zur Verfügung stehen. Der pro familia Bundesverband hat sich bereits 2015 in einer deutschlandweiten Kampagne für eine bundesweite, einheitliche Regelung mit Rechtsanspruch auf kostenfreie Verhütungsmittel für Menschen mit geringem Einkommen stark gemacht.

Mehr zu biko unter www.biko-verhuetung.de.

Rückfragen bitte an:
Kristina Nottbohm
pro familia Bundesverband
Tel.: 069 -26 95 779 15
biko[at]profamilia.de

31. Mai 2017

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18.5.2017: #aktionmens des jungen Netzwerkes pia – pro familia in action

„Wir wollen das Thema Menstruation in die Öffentlichkeit bringen“

Eine Zykluslänge die Erfahrungen, Gefühle und Berührungspunkte mit dem Thema Menstruation öffentlich machen – das will #aktionmens, eine Aktion von pia – pro familia in action. Die jungen Akteur*innen rufen dazu auf, sich mit phantasievollen Aktionen über die Tabuisierung der Monatsblutung hinwegzusetzen.

„Wenn die Menstruation aussetzt oder eintritt, kann das eine Vielzahl an unterschiedlichen Gefühlen hervorrufen. Lust, Schmerz, Angst, Freude, aber auch Trauer“, hebt Alina Marlene Schmitz hervor. Sie ist stellvertretende Vorsitzende des pro familia Bundesverbands und hat das Netzwerk pia gegründet. „Wir wollen mit der #aktionmens einen tabuarmen und offenen Austausch anregen“.

Die Aktion startete auf der Bundesdelegiertenversammlung am 14. Mai 2017 in Mainz. Einen Zyklus lang, bis zum 11. Juni 2017, ruft pia zu öffentlichkeitswirksamen Aktionen auf:

Bei #showmymens werden Tampons, Binden und Menstruationstassen zu Requisiten, die Fotogeschichten erzählen. Die Fotos sollen anschließend auf die pia-facebook-Seite oder auf die eigene instagram-Seite gestellt und unter dem Hashtag #aktionmens verlinkt werden.

Bei #tellmymens haben Teilnehmende die Möglichkeit, persönliche Geschichten rund um das Thema Menstruation zu erzählen und ebenfalls über facebook oder instagram zu streuen. Wem das zu persönlich ist, kann auch anonym an pia@profamilia.de schreiben.

„Uns als Orga-Gruppe der #aktionmens ist es wichtig, Vielfalt abzubilden. Wir möchten das Thema Menstruation fern einer binären Geschlechterordnung besprechen und dafür sensibilisieren, dass es nicht nur Frauen etwas angeht. Wir wollen alle ansprechen und Gefühle auslösen, Irritation oder Verwunderung inbegriffen“, betont Schmitz.

pia – pro familia in action ist ein Zusammenschluss junger Menschen, die mit ihrem Handeln und Wirken sexuelle und reproduktive Rechte und Gesundheit thematisieren möchten. pia ist ein Projekt des pro familia Bundesverbands, die Akteur*innen sind auf unterschiedliche Weise mit pro familia verbunden. Das Ziel von pia ist, pro familia Themen wie beispielsweise sexuelle Bildung, reproduktive Rechte und Familienplanung einer breiten Öffentlichkeit zeitgemäß und aktionsorientiert zugänglich machen. Dabei ist es pia ein Anliegen, sich diesen Themen aus einer bewusst queer-feministischen Perspektive anzunähern.

18. Mai 2017

Kontakt zu pia:

www.profamilia.de/pia
Facebook: www.facebook.com/profamiliainaction
Instagram: pia_profamilia
Twitter: PiaProfamilia, Hashtag #aktionmens

<link file:133276 download>Hier können Materialien zur Aktion heruntergeladen werden.

Information on #aktionmens <link file:133273 download>in English language.

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pro familia bleibt in Bewegung

„Was bewegt uns, was bewegen wir? Herausforderungen – Themen – Strukturen“ – Unter diesem Titel fand am 13. Mai 2017 in Mainz der pro familia Verbandstag statt. Schwerpunktthemen waren „Zugang zu Verhütung“, „Kindliche Sexualität, sexuelle Bildung und sexuelle Gewalt“ sowie „Flucht, Migration und Interkulturalität“. Die Delegierten und Gäste tauschten sich darüber aus, wie diese Themen auf den verschiedenen Verbandsebenen bearbeitet werden, und entwickelten Vorschläge, wie das gemeinsame Verbandshandeln zukünftig vorangebracht werden kann. Auf der Bundesdelegiertenversammlung am nächsten Tag wurden Prof. Dr. Davina Höblich als Bundesvorsitzende und Prof. Dr. Alexandra Klein als stellvertretende Vorsitzende gewählt.


Die beiden neu gestarteten, vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) geförderten, Modellprojekte des pro familia Bundesverbands, die den Teilnehmenden in Mainz vorgestellt wurden, spiegeln wichtige verbandspolitische Ziele wider. In ersten Projekt wird die Kostenübernahme von Verhütungsmitteln für Frauen mit geringem Einkommen unter Beteiligung von sieben pro familia Beratungsstellen erprobt. pro familia fordert seit langem eine gesetzliche Regelung, die den kostenlosen Zugang bundesweit und für alle Menschen sicherstellt. Auf der Bundesdelegiertenversammlung wurde nun die Einrichtung einer Arbeitsgruppe beschlossen, die Fragen rund um die Gesetzgebung zum kostenfreien Zugang zu Verhütung diskutieren soll. Im zweiten Modellprojekt geht es darum, Fachkräfte, die mit schwangeren geflüchteten Frauen arbeiten, regional zu vernetzen und in einen Fachdialog zu bringen. Beide Projekte dienen dazu, Zugänge zu schaffen, Barrieren zu beseitigen und die Rechte von Klientinnen zu stärken.

Ein weiteres Thema des Verbandstags war der Umgang von pro familia mit sexualisierter Gewalt, kindlicher Sexualität und sexueller Bildung. Seit 30 Jahren engagiert sich pro familia für den Schutz vor sexuellem Missbrauch und für umfassende sexuelle Bildung, die Kinder und Jugendliche stärkt und schützt. pro familia sieht es als wichtige gesellschaftliche Aufgabe an, Kinder und Jugendliche auf dem Weg hin zu einer selbstbestimmten Sexualität zu unterstützen. Sexuelle Bildung und Sexualpädagogik ist ohne eine rechtebasierte Kinderschutzkonzeption, wie sie pro familia derzeit formuliert, nicht zu denken.

In zehn Worldcafés hatten die Teilnehmenden Gelegenheit, sich u.a. über die Zusammenarbeit der verschiedenen Gremien und über eine Positionsfindung auszutauschen. Nicht nur angesichts des Generationenwechsels, der in vielen pro familia Verbänden ansteht, sondern auch angesichts der Komplexität und Vielzahl der Themen, Projekte und Initiativen im Zusammenhang mit den sexuellen und reproduktiven Rechten stellen sich Herausforderungen an ein modernes Wissensmanagement. Eine verstärkte fachpolitische Positionierung von pro familia in der Öffentlichkeit ist ein weiteres wichtiges Ziel.

Die Diskussionen machten deutlich, dass der Verband sich verjüngen und mehr junge Menschen in die Arbeit einbeziehen möchte. Dies bekräftigte der Beschluss der Delegierten am Folgetag, der eine solidarische Finanzierung des jungen Netzwerkes pia – pro familia in action durch Bundesverband und Landesverbände beinhaltet. Seit 12. Mai 2017 arbeitet Eva Rebholz als Koordinatorin für pia und unterstützt die stellvertretende Vorsitzende des pro familia Bundesverbands, Alina Marlene Schmitz.

Auf der Bundesdelegiertenversammlung wurde eine neue Bundesvorsitzende gewählt: Prof. Dr. Davina Höblich trat als bisherige stellvertretende Vorsitzende die Nachfolge von Prof. Dr. Daphne Hahn als Bundesvorsitzende an. Sie lehrt und forscht an der Hochschule RheinMain, u.a. zur Frage des Umgangs von Fachkräften der Kinder- und Jugendhilfe mit dem Thema sexuelle Orientierung. Als neues Vorstandsmitglied kam die Erziehungswissenschaftlerin Prof. Dr. Alexandra Klein als stellvertretende Vorsitzende hinzu. Sie lehrt und forscht an der Universität Frankfurt am Main, u.a. zur Frage, wie Jugendliche Sexualerziehung erleben.

16.5.2017

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Zum Weltfrauentag am 8. März

Auf die Situation von geflüchteten Frauen und Mädchen macht der pro familia Bundesverband anlässlich des Weltfrauentags aufmerksam. Sie waren in ihrem Herkunftsland und auf dem Weg nach Deutschland in vielfältigster Weise schwierigen Situationen ausgesetzt. Flächendeckende Angebote könnten dabei helfen, ihre sexuelle und reproduktive Gesundheit zu verwirklichen. Bei den Unterstützungsangeboten müsse es immer darum gehen, die Rechte der Geflüchteten zu stärken und nicht die eigenen Vorstellungen als einzige Normalität und Standard zu begreifen.

Rund ein Drittel von allen Geflüchteten, die in der Vergangenheit nach Deutschland kamen, waren Frauen. Sie verlassen ihr Land aufgrund von Krieg und Folter, Armut und Hunger aber auch aus geschlechtsspezifischen Gründen wie Zwangsheirat, Zwangsverschleierung oder Genitalverstümmelung. Obwohl die Frauen wissen, dass auf dem Weg in ein sicheres Land viele Gefahren auf sie warten, nehmen viele Frauen mit ihren Familien den beschwerlichen Weg auf sich. Auf der Flucht werden manche von ihnen Opfer von Menschenhandel, Arbeitsausbeutung und Prostitution. Am Ziel angekommen, sind sie nicht immer vor Gewalt geschützt. In Deutschland erfuhren geflüchtete Frauen Gewalt zum Beispiel in den Sammelunterkünften.

„Gesundheit ist Voraussetzung für die Integration. Dazu zählt auch der Schutz vor sexueller Gewalt, die Betreuung während der Schwangerschaft und das Recht auf sexuelle Bildung“, sagte die pro familia Bundesvorsitzende Prof. Dr. Daphne Hahn. „Wir brauchen mehr Angebote für geflüchtete Frauen, die psychischen und physischen Belastungen ausgesetzt waren.“

Allerdings sollten die Mädchen und Frauen nicht pauschal als Opfer wahrgenommen werden, sondern als Gestalterinnen ihres Lebens. Die Aufgabe psychosozialer Beratung sei, den individuellen Bedarf zu erkennen, zu begleiten und zu unterstützen. Von zentraler Bedeutung sei es, die jeweiligen Deutungs- und Orientierungssysteme, Handlungsrahmen und Lebensvorstellungen der geflüchteten Frauen anzuerkennen und nicht die eigenen Vorstellungen als einzige Normalität und Standard zu begreifen.

pro familia bietet in ihren Beratungsstellen Information und Beratung für geflüchtete Frauen und Mädchen an. Die Beraterinnen haben oft langjährige Erfahrung in der Migrationsarbeit und sind interkulturell kompetent. So überwinden sie Barrieren, die zwischen Gesundheitsangeboten und den Migrantinnen bestehen können. Allerdings sind qualifizierte Sprachmittlerinnen nach wie vor rar, hier gibt es dringenden Handlungsbedarf.

„Unser Ziel ist, die gesundheitliche Situation von weiblichen Flüchtlingen in Bezug auf Familienplanung sowie bei gewollter und ungewollter Schwangerschaft zu verbessern“, so Hahn. „Deshalb ist es uns wichtig, darauf hinzuweisen, dass geflüchtete Mädchen und Frauen geschlechtsbedingte Anforderungen und Bedürfnisse haben. Wir wollen Sie in ihrem Recht auf Schutz vor Gewalt, angemessene Gesundheitsversorgung, Bildung, Information, soziale Sicherung, Teilhabe und Beteiligung stärken.“

7.3.2017

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pro familia bestürzt über „Global Gag Rule“

Donald Trump hat die „Global Gag Rule“ unterzeichnet. Das wird sich verheerend auf die Frauengesundheit weltweit auswirken, die Raten der Müttersterblichkeit werden vor allem in ärmeren Ländern wieder ansteigen.

Dieses Dekret definiert, welche Familienplanungsorganisationen und Gesundheitsdienste von den USA finanziell unterstützt werden. So will es Trump: Alle Organisationen, die direkt oder indirekt Angebote zu legalen Schwangerschaftsabbrüchen machen, werden kein Geld mehr bekommen. Dies gilt ebenso für Kliniken und Gesundheitsdienste in den USA.

Davon betroffen ist auch die International Planned Parenthood Federation (IPPF) und diejenigen ihrer 170 Mitgliedsorganisationen weltweit, die US-Entwicklungsgelder erhalten und weltweit jährlich 70 Millionen Familienplanungsdienste anbieten. Es sei denn, sie unterzeichnen eine Selbstverpflichtung, dass sie den Schwangerschaftsabbruch aus ihren beratenden und medizinischen Dienstleistungen ausklammern.

„Wir werden niemals die Global Gag Rule unterzeichnen. Jeder Mensch hat das Recht, über die eigene Gesundheit zu entscheiden“, betonte die IPPF in einer am 23. Januar 2017 veröffentlichten Erklärung. „Wir werden mit Regierungen und Gebern zusammenarbeiten, um die Finanzierungs- und Dienstleistungslücken, die sich durch die Global Gag Rule für uns auftun, zu überbrücken. Wir werden dafür sorgen, dass Frauen ihre Rechte wahrnehmen und Zugang zu einem sicheren Schwangerschaftsabbruch und zu Familienplanung bekommen.“

pro familia befürchtet, dass die Wiedereinführung der Global Gag Rule sich weltweit negativ auf die sexuelle und reproduktive Gesundheit auswirken wird. Ursprünglich unter Präsident Reagan 1984 eingeführt und später von den jeweiligen republikanischen Präsidenten fortgesetzt, hat sich gezeigt, dass dieser Knebelvertrag nicht wie gewünscht und behauptet, die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche reduzieren konnte. Zahlreiche wissenschaftlichen Fachleute stellten stattdessen fest, dass sowohl der Zugang zu Verhütungsmitteln erschwert wurde als auch ungewollte Schwangerschaften und unsicherer Schwangerschaftsabbrüche zugenommen haben. Davon betroffen waren vor allem Frauen in ärmeren Ländern.

Präsident Trump geht mit der neuen Global Gag Rule sogar noch einen Schritt weiter als sein republikanischer Vorgänger Bush. Er will nicht nur Familienplanungsorganisationen, sondern auch HIV/AIDS-Präventionsprogramme, Mütter- und Kindergesundheitsdienste und Zika-Informationsstellen in die Regelung miteinbeziehen. All diesen Organisationen und Projekten werden US-amerikanische Entwicklungsgelder gestrichen, falls sie Informationen, Beratungen und Dienstleistungen für einen sicheren und legalen Schwangerschaftsabbruch bereitstellen – selbst wenn sie diese Dienste mit eigenen Mitteln finanzieren.

pro familia appelliert an die deutsche Regierung, sich an dem internationalen Fonds zu beteiligen, den die Niederlande einrichten will, um die durch die Global Gag Rule entstehenden Finanzierungslücken zu schließen. Damit würde Deutschland ebenfalls ein wichtiges Signal setzen: Millionen von Menschen dürfen nicht den Zugang zu Dienstleistungen der sexuellen und reproduktiven Gesundheit verlieren.

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