150 Jahre §218 StGB - das Aktionsjahr 2021

150 Jahre Kriminalisierung sind genug! Schwangerschaftsabbruch – Recht statt Verurteilung

1871 wurde im Reichsstrafgesetzbuch der §218 eingeführt. Frauen, die eine Schwangerschaft abbrachen, drohte eine bis zu fünfjährige Zuchthausstrafe.

Viele Organisationen und Verbände, darunter auch pro familia, nahmen das 150-jährige Jubiläum zum Anlass, eine Debatte zum §218 StGB anzustoßen. Es geht dabei um eine konstruktive Auseinandersetzung in Gesellschaft und Politik über die Notwendigkeit einer Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs. Und es geht um eine Diskussion, wie die Alternative aussehen könnte. Für pro familia steht dabei das Recht auf Selbstbestimmung im Kontext von sexueller und reproduktiver Gesundheit und Rechten im Mittelpunkt. Dazu gehören zum Beispiel die Verbesserung der Versorgungslage und der medizinischen Ausbildung sowie die gesellschaftliche Entstigmatisierung.

Auf dieser Seite sind Texte, Positionen und Materialien des Aktionsjahrs 2021 zu finden.

Pressemitteilung zum Internationalen Frauentag am 8. März

 

Aktionstag am 15. Mai 2021

pro familia, das Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung und viele andere riefen zum bundesweiten Aktionstag am 15. Mai 2021 auf. In ganz Deutschland fanden Aktionen statt, von einer Menschenkette um den Reichstag über Kundgebungen und Podiumsdiskussionen bis hin zu Social Media-Kampagnen. Unter den Hashtags #150jahre218, #150JahreKriminalisierung #RechtStattVerurteilung #Schwangerschaftsabbruch, #1505 und #150JahreWiderstand sind Posts in den Kanälen zu finden. #meinabbruch sammelt persönliche Geschichten über Schwangerschaftsabbrüche und #mehralsdudenkst bereitet Zahlen rund um Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland anschaulich auf.

Impressionen vom Aktionstag

Fachkongress „150 Jahre § 218 Strafgesetzbuch“

27. bis 28. August 2021, Online-Veranstaltung

Seit 1871 ist mit dem §218 der Abbruch einer ungewollten Schwangerschaft eine Straftat. Durch internationale Entwicklungen, die Kriminalisierung von Ärzt*innen und die sich zunehmend verschlechternde Versorgungslage beim Zugang zum Schwangerschaftsabbruch steht der §218 des Strafgesetzbuches wieder im Licht der Öffentlichkeit. Der 150. Jahrestag des Paragrafen §218 war Anlass für einen Fachkongress, der dazu einludt, sich aus unterschiedlichen Perspektive kritisch mit §218 auseinanderzusetzen und Hintergründe seines Ent- und Bestehens herauszuarbeiten. Neben einem historischen Abriss, waren aktuelle Fragestellungen und Probleme in Deutschland Gegenstand von Vorträgen, Gesprächen und Workshops. Ziel war es, die Kriminalisierung des Abbruchs einer ungewollten Schwangerschaft auf den Prüfstand zu stellen, alternative Regelungen zu diskutieren und den politischen Willen zu stärken, sich für die Realisierung der reproduktiven Rechte von Frauen* in Deutschland einzusetzen. Er endete mit einer Abschlusserklärung, in der es um die Frage ging: Wie weiter in Deutschland?

Das Programm des Fachkongresses ist hier zu finden.

Veranstalter*innen:

Arbeiterwohlfahrt Bundesverband e.V.

Arbeitskreis Frauengesundheit e.V.

Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung

Doctors for Choice Germany e.V.

Hochschule Merseburg

Humboldt-Universität zu Berlin

LVG & AFS Niedersachsen e.V.

Nationales Netzwerk Frauen und Gesundheit

pro familia Bundesverband e.V.

Public Health Zentrum Fulda

Zur Pressemitteilung zum Fachkongress

 

Abschlusserklärung "150 Jahre § 218 Strafgesetzbuch“

Während des Fachkongresses „150 Jahre §218 StGB“ am 27. und 28. August 2021 in Berlin wurde eine Abschlusserklärung vorgestellt, die Institutionen und Einzelpersonen unterstützen konnten. Sie hat breite zivilgesellschaftliche Unterstützung gefunden: Mehr als 100 Verbände, Organisationen, Institutionen und Netzwerke aus dem Spektrum von Beratung, Gesundheit, Migration, Frauen- und Gleichstellungspolitik sowie mehr als 600 Einzelpersonen haben sie unterzeichnet.

Die Unterzeichnenden  haben den Vorständen von SPD, CDU, CSU, Bündnis 90/Die Grünen, FPD und der Linken die Abschlusserklärung des Kongresses am 28. Oktober 2021 zugesandt. In der jetzt anfangenden 20. Wahlperiode soll die Gesetzesreform angegangen werden, so die Forderung.

Zur Pressemitteilung

Abschlusserklärung "150 Jahre § 218 Strafgesetzbuch“

Der Abbruch einer Schwangerschaft – eine Erfahrung im Leben vieler Menschen – ist in Deutschland seit 150 Jahren eine Straftat. Am 27. und 28. August 2021 fand in Berlin und online dazu der Fachkongress „150 Jahre §218 StGB“ statt. Expert*innen, Politiker*innen, Aktivist*innen und Betroffene setzten sich kritisch mit der Kriminalisierung durch § 218 auseinander. Aus sozialwissenschaftlicher, juristischer, historischer, medizinischer, psychotherapeutischer, politischer und der Erfahrungs-Perspektive beleuchteten sie in Vorträgen und Workshops, wie der § 218 entstanden ist und welche Folgen die Kriminalisierung der betroffenen Frauen* und Ärzt*innen hat.

Die Fachbeiträge und Diskussionen zeigten: Die Kriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs gefährdet – damals wie heute – die Gesundheit von ungewollt
Schwangeren in Deutschland. Sie steht einer angemessenen Gesundheitsversorgung im Wege und verhindert die Gleichberechtigung der Geschlechter und die Selbstbestimmung gebärfähiger Menschen. Die strafrechtliche Regelung ist eine der Ursachen dafür, dass in vielen Regionen Deutschlands erhebliche Versorgungslücken bestehen. Das Strafrecht erschwert die Professionalisierung der medizinischen Aus- und Weiterbildung zum Schwangerschaftsabbruch und setzt Ärzt*innen unter Druck. Die strafrechtliche Regelung verhindert die Kostenübernahme durch die Krankenkassen. International beweisen Länder wie Irland, Kanada und Neuseeland, dass es möglich ist, einen gewünschten Schwangerschaftsabbruch außerhalb des Strafgesetzbuches zu regeln. Im historischen Rückblick zeigt die Regelung des Schwangerschaftsabbruchs in der DDR eine weitere Alternative für das Recht auf Zugang zum sicheren Schwangerschaftsabbruch auf.

Auf internationaler Ebene wird seit Jahren gefordert, dass reproduktive Gesundheit und reproduktive Rechte respektiert und verwirklicht werden. Der Ausschuss für die UN-Frauenrechtskonvention fordert Deutschland auf, die Pflichtberatung und die Wartefrist abzuschaffen und den Schwangerschaftsabbruch als Krankenkassenleistung anzuerkennen. Der UN-Sozialpakt-Ausschuss hat eine umfassende Erklärung zum Menschenrecht auf reproduktive Gesundheit veröffentlicht, welche den Zugang zu sicheren und bezahlbaren Verhütungsmitteln, zu legalem und gesundem Schwangerschaftsabbruch, zur Nachsorge, aber auch zu entsprechenden Informationen und Diensten sowie notwendige Rahmenbedingungen für diverse Formen der Familienplanung umfasst.

Es ist überfällig, dass in Deutschland, über Parteigrenzen hinweg, eine moderne, umfassende gesetzliche Regelung des Schwangerschaftsabbruchs außerhalb des Strafgesetzes in Angriff genommen wird. Diese muss sich an den gesundheitlichen Belangen und der Selbstbestimmung von schwangeren Personen in ihren vielfältigen Lebensrealitäten orientieren und internationale Menschenrechtsnormen respektieren.

Gleichzeitig ist eine bundesweite öffentliche Auseinandersetzung mit den praktischen Folgen der Kriminalisierung für die Gesundheitsversorgung Schwangerer umgehend geboten. Auf Länderebene und mit Unterstützung der Bundesregierung muss zeitnah ein konkreter Maßnahmenkatalog entwickelt werden, wie Versorgungslücken im Bereich des Schwangerschaftsabbruchs zu beheben sind.

Als Expert*innen und Aktivist*innen, als Betroffene und als Gesellschaft können wir nicht länger hinnehmen, dass die Versorgung zum Schwangerschaftsabbruch und die Erfahrung von Menschen, die eine Schwangerschaft abbrechen, von Kriminalisierung und Stigma belastet sind.

Erstunterzeichner*innen

  • Arbeiterwohlfahrt Bundesverband e.V.

  • Arbeitskreis Frauengesundheit e.V.

  • Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung

  • Doctors for Choice Germany e.V.

  • Prof. Dr. Ulrike Lembke, Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Geschlechterstudien, Humboldt-Universität zu Berlin

  • Landesvereinigung für Gesundheit und Akademie für Sozialmedizin Niedersachsen e. V.

  • Institut für Angewandte Sexualwissenschaft, Hochschule Merseburg

  • Nationales Netzwerk Frauen und Gesundheit

  • pro familia Bundesverband e.V.

  • Public Health Zentrum Fulda

Die Abschlusserklärung als PDF-Dokument

Presseschau zum Fachkongress

Kongressankündigung: „Online-Kongress: 150 Jahre Paragraph 218“ hpd, 23.08.2021

Abtreibungsgesetz und Selbstbestimmung: 150 Jahre Paragraf 218 sind genug. Ulrike Lembke hat sich die Geschichte des Abtreibungsverbots angesehen. Sie findet, dass sich mehr ändern muss.“ TAZ, 27.08.2021

Schwangerschaftsabbruch im Strafgesetzbuch: Gleich hinter Mord und Totschlag“ Annett Gröschner für ZEIT ONLINE, 31.08.2021

Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs gefordert.“ Ärzteblatt, 30.08.2021

Dr. Christian Rath: Kritik an der Karlsruher Gebärpflicht“ Legal Tribune Online, 30.08.2021

REPRODUKTIVE RECHTE. Frauen ernst nehmen: Virtueller Fachkongress fordert, Schwangerschaftsabbrüche endlich zu entkriminalisieren“ Junge Welt, 03.09.2021

50 Jahre Paragraph 218: Anatomie der besseren Hoffnung“ FAZ 27.09.2021

 

Safe Abortion Day am 28. September 2021

In über 50 deutschen Städten fanden am 28. September 2021 Aktionen zum internationalen Safe Abortion Day statt.

Auch zahlreiche pro familia Landes- und Ortsverbände beteiligten sich mit vielfältigen Aktionen: Kundgebungen, Infoständen, Lesungen, Sprühaktionen, Podiumsdiskussionen, Social-Media-Aktionen, uvm. Damit setzte der Verband ein deutliches Zeichen für die Forderung:

Ungeplant Schwangeren muss ein Schwangerschaftsabbruch als Option zur Verfügung stehen – ohne Kriminalisierung, ohne Stigmatisierung, ohne Bevormundung und mit aller Unterstützung, die sie benötigen. Herzlichen Dank an alle, die zum erfolgreichen Aktionstag beigetragen haben!

pro familia Position zum Schwangerschaftsabbruch

Wir positioniert sich pro familia zum Schwangerschaftsabbruch?

Download der Stellungnahme: „Das Recht der Frau auf selbstbestimmte Entscheidung. pro familia Position zum Schwangerschaftsabbruch“ (2012)

Die Haltung von pro familia zum Schwangerschaftsabbruch im Lauf der Verbandsgeschichte kann hier nachgelesen werden.

Fakten und Informationen zum Schwangerschaftsabbruch

Versorgung mit Ärzt*innen bundesweit – Rückmeldungen aus den Landesverbänden pdf-Dokument

Schwangerschaftsabbruch in Kürze. Zahlen und Hintergründe. Die wichtigsten Fakten und Zahlen zu Schwangerschaftsabbrüchen in Deutschland sind in diesem 4-seitigen Papier zusammengestellt. pdf-Dokument

Hintergrundpapier Schwangerschaftsabbruch. 44-seitiges Papier als pdf-Dokument

Wir müssen reden ... Schwangerschaftsabbruch in Deutschland

pro familia strebt einen Dialog über den Schwangerschaftsabbruch an und möchte Alternativen zur strafrechtlichen Regelung diskutieren. In diesem „Dialogpapier“ nehmen wir zu grundlegenden Fragen zum Thema Stellung.

Dialogpapier „Wir müssen reden ... Schwangerschaftsabbruch in Deutschland“ als PDF-Dokument

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